VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 38

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„OBSERVER
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WIEN, I., WOLLZEILE 11
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Ausschnitt aus:
Rene breie Prese F
vom:
29.NOV 7932
Die Eigentümlichkeiten des
Publikumsgeschmacks.
Von Jules Romains.
(Aus einem Gespräch.)
Man veröffentlicht ein Buch, man schreibt ein Drama,
das in verschiedenen Ländern zur Aufführung gelangt. Worin
unterscheidet sich das Lese= vom Theaterpublikum?
Wie reagiert das Publikum verschiedener
Länder auf ein und dasselbe Werk? Lauter Fragen, die
jeder Schriftsteller anders beantworten wird. In meinem
Vortrag: „Auteur et public“, den ich heute als Gast
des Kulturbundes halte, werde ich von meinen persönlichen
Erfahrungen mit dem Publikum sprechen und mich bemühen,
das gefürchtete und geliebte Ungeheuer Publikum, dem der
Autor auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, psychol. gisch
zu durchleuchten.
Wie ist etwa der Geschmack des französischen Publikums
beschaffen? Die Zeit der literarischen Experimente, wie sie
für die ersten Nachkriegsfahre charakteristisch waren. ist
vorüber. Gewisse snobbistische Spielereien sind
vorüber und überwunden. Das Prblikum wendet sich dem
Dauernden und Bleibenden zu, aber die Zeit der Experimente
ist nicht vergebens durchlebt worden. Sie war nötig, im die
Zeit der Reise vorzubereiten. Uebrigens spielt sich die
Wandlung des Publikumsgeschmackes in Frankreich nicht in
brüsker Form ab. Kein Sch iftsteller wurde von seinem
Piedestal gestürzt, niemand in Acht und Bann gelan. All¬
mählich hat sich — bei den Autoren und beim Publikum —
der Geschmack gewandelt.
Jene Erscheinung, die man mit einem Schlagwort
eine überzüchtet
„Asphaltliteratur“ nennt
intellektuelle, abseitige Literaturströmung — hat es bei uns
nie in dem Ausmaß gegeben wie in manchen anderen
Ländern. Aber auch soweit derartige Erscheinungen bei uns
vorhanden sind, spielt sich der Widerstand dagegen in durch¬
aus gemäßigter Form, ohne stürmische Ausbrüche ab.
Mit Genugtuung bin ich mir meiner innigen Verbunden¬
heit mit der österreichischen Literatur bewußt.
Arthur Schnitzler, an dessen verehrungswürdige Gestalt
ich trauernd zurückdenke, gilt in Frankreich als die unsterb¬
liche Verkörperung spezifisch österreichischen Schaffens. Auch
Hugo v. Hofmannsthal stand mir menschlich sehr nahe.
Ebenso verbindet mich mit Franz Werfel und Stefan
Zweig der herzlichste persönliche Kontakt. Von deutschen
Dichtern bedeutet mir Thomas Mann besonders viel.
Heinrich Mann, der ja jetzt bekanntlich in Paris lebt und
dessen Büchern ich gleichfalls reinsten künstlerischen Genuß
verdanbe, habe ich leider noch nicht persönlich kennen gelernt.
Mein Aufenthalt in Wien wird diesmal leider nur kurz
bemessen sein. Ich komme direkt aus Paris und kehre in ein
paar Tagen wieder dorthin zurück.
Berliner
Börsen - Zeilung
7. Jan. 1934
Die deutsche Dichtung
Oesterreichs.
¼ Zur heutigen Sondernummer
der Kritischen Gänge.
Die Deutschen in Oesterreich kämpfen einen erbitterten
Kampf um ihr Deutschtum: Gegen ein von Herrn Dollfuß
konstruiertes Oesterreichertum, gegen das Wiener Literatur¬
Judentum, gegen den Austromarxismus, gegen vielgestaltige
ausländische Einflüsse, die sich dieses Bollwerk im Südosten
für ihre Machtsphäre sichern wollen. Alles, was nicht in
diesem Entscheidungskampf auf Seiten des deutschen Frei¬
heitskampfes steht, kämpft für die Feinde des deutschen
Volkes. Es geht heute darum, ob dieses deutsche Volk in
Oestemeich sich zu seinem Deutschtum und der deutschen
Schicksalsgemeinschaft bekennen darf und sich zu bekennen
vermag, oder ob es der längst abgestorbenen französischen
Staatsidee verfallen und im Dienst der Vormachtstellung
Frankreichs in Europa stehen soll. Es liegt hier also nicht
derselbe historische Prozeß wie bei der Schweiz und bei den
Niedenlanden vor. Dort splitterten beim Zerfall des Reiches
Teile des deutschen Volkes ab, die sich kämpfend ihre Un¬
abhängigkeit von fremden Einflüssen sicherten, nun aber
schon längst zu geschichtslosen Neutralen erstarrt
und also dem Schicksalskampf des gefamtdeutschen
Volkes verloren gegangen sind. In Wien aber stehen
Deutsche, die sich Oesterreicher nennen, im Dienste fremder
Machtpolitik gegen das deutsche Volk.
Der Oesterreicher, der zur Tarnung 'dieser Politik
dienen muß, existiert gar nicht. Er wird von einigen
Legitimisten erträumt, die immer noch im Schatten des
alten Habsburgerreiches leben. Außerdem bemüht sich das
Zivilisationsliteratentum, das heute in Wien schlimmer und
rücksichtsloser um — blinder haust als es je in Berlin ge¬
haust hat, besonders kräftig darum, aus Legitimismus,
Zivilisationsliteratentum und frankreichhörigen Ge,
sinnungslumpen ein Oesterreichertum zu konstruieren,
dessen Ahnherr — Schnitzler ist. So weit reicht die Tradition
dieses Oesterreichermuns. Manche bemühen sich, die alten
deutschen Dichter Oesterreichs für dieses abstratte literarische
Oesterreichertum zu reklamieren. Aber alle diese Versuche
sind Spiegelfechtereien. Sie machen sich selbst was vor. Die
alten Dichter Oesterreichs waren deutsche Dichter und die ##
jungen sind es erst recht. Die Jungen tragen das Gesetz
von Blut und Boden, aus dem das ganze deutsche Volk mit
der Gewalt einer Naturkraft wiederersteht, schon lange in
sich. Sie haben seit Jahren aus der Kraft dieses Gesetzes
geschaffen. Wir kennen sie und lieben sie, und sie sind auch
schon seit Jahren ein Teil von uns. Und es wird sich kein
Oesterreichertum zwischen sie und uns stellen können. Wir
sind gewiß, daß der Tag nicht mehr fern ist, an dem das
deutsche Volk in Oesterreich diese sich Oesterreicher nennen¬
den, aber in und von Oestererich nur schmarotzenden Zivili¬
sationsliteraten aus den Wiener Kaffeehäusern ein für
allemal vertreiben wird. Aber wahrscheinlich werden sie
mit Hilfe der ihnen eigenen Witterung schon vorher ge¬
flohen sein. Sie stellen sich nie. Sie sitzen in allen Län¬
dern in sicheren Löchern und hetzen und wühlen, bis sie
ausgeräuchert werden. Ein eigenes Schicksal, ein eigener
Staat, ein eigenes Volkstum ist ihnen viel zu mühsam und
zu gefährlich.
Die heutige Nummer der „Kritischen Gänge“ soll für
den deutschen Charakter des österreichischen Schrifttums
zeugen und gleichzeitig die gefährliche politische Situation
dieses deutschen Schrifttums in dem Oesterreich des Herrn
Dollfuß und das Gesicht des sogenannten Oesterreichertums
aufzeigen. Es soll den Deutschen in Oesterreich bezeugen,
daß wir sie und ihren bewundernswert heroischen Kampf
nicht vergessen haben und den Deutschen im Reich aus Herz