VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 44

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0. Antisenitien
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Oesterreichischer Beobachter,
Wien, 25.1.1934.
vom:
„O du mein Oesterreich“
Unter diesem Titel wendet sich Richard von Schau¬
kal in der Monatszeitschrift „Vaterland“ gegen die noch
immer zunehmende Verjudung des Wiener Künstlerlebens.
Seit Monaten beobachten wir das widerliche Schauspiel, daß
jene Presse und jene Kreaturen, denen noch vor einem Jahr
Österreich und seine Geschichte Gegenstände des Spottes
waren, unser Vaterland auf ihre Weise in ihren schmutzigen
Himmel erheben. Sie glauben, nachdem ihresgleichen im
Reich abgewirtschaftet haben, die alle Österreicher so schmerz¬
lich bedrückende Spannung zwischen Österreich und dem
Deutschen Reich zu einer schemlosen Hetze gegen das neue
Reich benützen zu dürfen, um die Kluft zwischen hüben und
drüben unüberbrückbar zu machen.
Richard von Schaukal nimmt nun in der oben erwähnten
Zeitschrift nicht so sehr gegen diese staatsfeindliche Tätigkeit
des Judentums in Österreich und besonders in Wien Stel¬
lung, als gegen seine kulturelle Zersetzungsarbeit. „Ein
Österreich des jüdischen Ersatz= und Regisseurbetriebes“
schreibt Schaukal, „von Beer Hofmann als den Verkünder
des österreichischen Goethejahres, das unterm Hochdruck der
„Neuen Freien Presse' und mit gastlicher Nachhilfe eines
Thomas Mann sich zum Arthur Schnitzler=Jahr verkehrte,
bis hinab auf die Farkas und Grün, hat nichts, durchaus
nichts, weniger als nichts zu tun mit dem aus Schmutz und
Schutt der Parteienmißwirtschaft zu einem freien Land
eigenen Wuchses, eigener Kraft wiederzuerhebenden Öster¬
reich.“
Richard von Schaukal stellt weiter fest, daß sich im Spiel¬
plan 1934 des Akademietheaters unter zehn neuen Stücken
fünf von Juden befinden (Hirschfeld, Fulda, Auernheimer,
Dawis, Felix Braun) und daß bei einem Abend der öster¬
reichischen Gesandtschaft in London Feuermann, Ehlers und
Tauber mitwirkten. Im Zusammenhang damit stellt Schaukal
die Frage: „Es sind gewiß große Künstler, die London nicht
zum erstenmal vernehmen wird: aber hat Österreich
immer wieder nur Juden auszuführen?“
R. B.

0.42
Der dag Wes
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27. MFT. 1934
Randbemerkungen
Bücherverbrennungen, wie sie in Hitler¬
Deutschland in großem Stil durchgeführt
worden sind, darf es in Österreich niemals
geben. Darin sind sich alle verständigen
Leute in diesem Land einig, denn mit dem
Kampf gegen „Schund und Schmutz“ hat die
Vernichtung von Druckwerken bloß um des
Religionsbekenntnisses oder der privaten
politischen Gesinnung ihres Autors willen
selbstverständlich nicht das geringste zu tun.
Leider scheint jedoch auch auf diesem Gebiete
hier und dort eine bedauerliche Begriffs¬
verwirrung zu herrschen, wie das Februar¬
Heft der in Krems an der Donau erschei¬
nenden „Volksbildungsblätter“ des All¬
Volks¬
gemeinen Niederösterreichischen
bildungsvereines beweisen. Ein Kremser
Mittelschulprofessor hält es nämlich für
angezeigt, in dieser Zeitschrift die national¬
sozialistische Bücherverbrennungsliste des
Berliner Reichspropagandaministeriums
vom 16. Mai 1933 wörtlich abzudrucken,
um hinzuzufügen, daß sich Österreich oder
zumindest der Niederösterreichische Volks¬
bildungsverein daran ein Beispiel nehmen
sollten. Der Aufsatz führt den Titel „Schund¬
literatur ausmerzen!“, und unter solcher
Literatur versteht der Herr Professor unter
anderem die Werke folgender Autoren:
Artur Schnitzler, Jakob Wassermann, Franz
Werfel, Stefan Zweig, Jaroslav Hasek,
Maxim Gorki, Erich Kästner, Gina Kaus,
Alfred Döblin, Waldemar Bonsels, Lion
Feuchtwanger, Ernst Gläser, Max Brod,
John Dos Passos, Oskar Maria Graf,
Walter Hemingway, Alexandee Lernen
Holenia, Joseph Roth, Fritz Unruh. Man
sieht: Viel bleibt von der Literatur nicht
übrig, aber wer braucht denn Bücher? Der
Herr Professor aus Krems gesteht: „Wenn
auch sicher angenommen werden darf, daß
unseren Lesern der allergrößte Teil der oben
angeführten Namen einmal bekannt ist...
Nun, Österreich will sich doch wohl von
Männern, die selbst andeuten, daß sie das
gar nicht kennen, was sie „Schund“ nennen,
die Scheiterhaufenliste des Berliner Propa¬
gandadienstes zur Danachachtung nicht
empfehlen lassen!