VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 50

gangsformen des S. Fischer=Verlages dürfte
durch die Gleichschaltung keine Aenderung
eingetreten sein. Aber diese Umgangsformen
sind natürlich andere gegenüber abhängigen
und noch nicht arrivierten Autoren oder ge¬
genüber jenen Männern, die jetzt auch in den
erfahrenen und konjunkturstcheren Augen
Sami Fischers Deutschlands Erretter aus
tiefer intellektueller Schmach sind. Die Zei¬
ten jenes schandbar und weichlich literari¬
schen Deutschland haben freilich Sami
Fischers großes Vermögen erbracht und die
Massenauflagen seiner Bücher wurden von
einem Publikum gekauft und gelesen, dem
jetzt der Entdecker Schnitzlers und Alten¬
bergs selbst einen beneidenswert ungenier¬
ten Fußtritt versetzt.
Es ist nämlich in der Tat geschehen und
es muß die Herren Goering und Goebbels
ein heroisches Gelächter gekostet haben, daß
der Verlag S. Fischer seine neue Saison mit
einem Nazibuch eröffnete. Die Ueberraschung
ist eine mehrfache, denn dieses Buch stammt
aus der Feder Heinrich Hausers, eines der
jüngeren und zweifellos in farbiger und
spannender Art begabten S. Fischer=Auto¬
ren. Es heißt „Ein Mann lernt fliegen" und
ist zum Befremden aller bisherigen Heinrich
Hauser=Leser von Geschmack und Kultur mit
folgender Widmung ersehen:
„Hermann Goering, dem ersten deut¬
schen Luftfahrtminister, Sieg Heil!
Heinrich Hauser.“
Das druckt Sami Fischer und setzt es
devotest in Umlauf. Damit ist die Existenz¬
frage des S. Fischer=Verlages allerdings
wenigstens vorläufig bereinigt. Eine Sicher¬
stellung gibt es bekanntlich bei noch so
vielen Bücklingen und Entwürdigungen für
Bürger des Dritten Reiches, die den un¬
bestreitbaren Vornamen Samuel führen,
nicht. Der Verlag S. Fischer hat zu viel auf
dem Kerbholz, zu viel Geist, zu viel geistige
Gesinnung, zu viel Würde und zu viel
wahre wirklicher und jenseits jeder Art
und Entstellung von Gesinnung unabhängi¬
ger Dichter. Das hätte sich Sami Fischer
eben vor dreißig Jahren überlegen müssen,
damals, als er die historisch gewordenen
Worte sprach, er werde zehn oder fünfzehn
junge Autoren verlegen und das Risiko so
manchen vermutlichen Defizits gern auf sich
nehmen, denn unter diesen zehn oder fünf¬
zehn jungen Schriftstellern werde einer
zweifellos das große Erfolgsbuch schreiben.
Es war nicht einer, das muß man
Sami Fischer lassen, es war gleich ein
halbes Dutzend. Es war Sami Fischer, der,
als man ihm die ersten „Skizzen“ Peter
Altenbergs einschickte, sofort deren großen
persönlichen Zauber eigentlich abseits jeder
geschäftlichen Berechnung erkannte. Es war
Sami Fischer, der zäh und zielsicher an
Gerhart Hauptmann, an Hugo Hofmanns¬
thal über jede Schwankung und über jede
Schmähung hinweg festhielt. Drei Jahr¬
zehnte hindurch hat er immer wieder
Dichter entdeckt und durchgesetzt. Die Treue
zu seinen Dichtern freilich hat sich im Laufe
dieser Zeit erheblich gelockert. S. Fischer¬
Autoren, was früher undenkbar gewesen
wäre, fielen sehr oft von ihrem Verleger
ab, zogen bessere Bedingungen und offen¬
bar auch subtileres Zartgefühl vor. Man
hielt diese auffallend betonte, energisch
muntere Sachlichkeit, mit der Sami Fischer
und sein Sachwalter in der letzten Zeit ohne
lästigen Gefühls= und Freundschaftsballast
auszukommen versuchten, im Grunde nur
für eine Alters= und typische Erfolgs¬
erscheinung In Wahrheit war das längst 1
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gesperrt und dem Andenken seiner großen
Tod hat manche dieser Beziehungen und
Verpflichtungen gelöst und die meisten] Dichter wenigstens die Treue des Schwei¬
übrigen löst nun der rasche und offenbar gens gehalten. Ludwig Ullmann.