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sprach aber ein wenig ängstlich gepresst. Viel resoluter entledigte sich Frl. Wrada
ihrer anspruchsvollen Aufgabe. Ihre Stimme, die im Anfang etwas müde und ver¬
schüchtert klang, wuchs mit ihren höheren Zwecken, und das Spiel der Dame war keck
und lebendig. Ihr Partner, Herr Bauberger, gab ihr darin nichts nach: wenn wir
etwas an seinem Spiele monieren sollen, so ist es nur das, dass er im ersten Akte zu
sehr Tambour war. Der Marquis d’Aubigné darf auch als Tambour nie vergessen,
dass er Marquis ist. Sehr schön aber, dass der Marquis im zweiten und dritten Akte
immer noch so hübsch sang wie der Tambour im ersten! Von dem heiteren Paare
Searle und Franck kam letzterer der Forderung der Mässigung viel mehr entgegen
als jener. Er schuf einen Hektor, der sich in seiner blöden, sanften Liebenswürdigkeit
im Publikum aufrichtige Sympathien erwarb und mit seinem trockenen Humor mehr
erreichte als Marsillac mit seinen echten Operettenmätzchen, Ja, es muss gesagt werden:
trotz des Beifalls, den auch er gebinden hat, hat sich Herr Searle diesmal mit der Aus¬
gestaltung seiner Rolle entschieden vergriffen. Es ist ein Theaterintendant, ein Mann
der feinen Gesellschaft, um den es sich handelt, ein Mann, der bei einer Ninon und
einer Maintenon Zutritt hat, es ist kein Possenreisser, sondern ein feiner, aristokratischer
Lüstling, gross geworden unter dem roi soleil! Und von diesem Standpunkte aus hätte
die Rolle angefasst werden müssen!
Zum Schlusse wollen wir der Operette noch wünschen, dass das Publikum sage:
„Nanon, zu Dir ist mein liebster Gang!“ und die folgenden Aufführungen recht zahl¬
H. Z.
reich besuche.
Dritter Gesellschaftsabend der Litterarischen Gesellschaft in Leipzig am
20. November 1806. Wieder ein schön verlaufener Abend, der uns eine Reihe trefflicher
Recitationen brachte, — aber doch etwas total anderes, als das letztemal. Dort eine
Wilbrandt-Baudius als eine durch lange Ubung des schauspielerischen Berufs geschulte,
alle Mittel ihrer Kunst in gleich vollendeter Weise beherrschende Meisterin des künst¬
lerischen Vortrags, hier ein junger feuriger Wiener, namens Marcell Salzer, von dem
wir nur mit Staunen gehört hatten, welch mächtigen Enthusiasmus er bei seinen Lands¬
leuten erregt habe. Wer die Bedächtigkeit, wir wollen nicht wie manche böse Zungen
sagen, das Phlegma des Leipziger Kunstpublikums kennt, dem mochte für den Erfolg des
Wiener Apostels in Leipzig etwas bange sein. Umsomehr freuten wir uns über die
durchaus günstige Aufnahme, die dem Vortragenden, der sich zur Zeit auf einer grösseren
Kunstreise auren Deutschlund belindet, auch bei uns zu teil geworden ist. Dieser Erfolg
galt uns nicht allein als ein Beweis der eminenten Fähigkeiten Marcell Salzers, sondern
auch als erfreulichstes Zeugnis dafür, dass die im übrigen Deutschland leider immer noch
viel zu wenig bekannte Wiener Kunst bei uns lauter offene und freudig entgegenschlagende
Herzen findet, wenn sie nur zu uns kommt. So hat sich der junge Wiener in den Dienst
einer Mission von allerwichtigster Bedeutung gestellt. Als ein Mann von feinstem litte¬
rarischen Verständnis, fern von aller schauspielerischen Effekthascherei, verfolgt er in
seinen Vorträgen eine ausgesprochen litterarische Tendenz, er will das schriftstellerische
Jung-Wien, mit dessen Vertretern er meist persönlich bekannt und befreundet ist, popu¬
larisieren. Um die einzelnen Dichter, mit denen er uns bekannt machen wollte (Schnitzler,
David, Loris, Lindner, Altenberg, Bahr, Torresani), näher zu charakterisieren, schickte er
seinen Recitationen eine treffliche, selbstverfasste Einleitung voran, deren hauptsächlichsten
Inhalt wir im nächsten Hefte unserer Zeitschrift wiedergeben wollen. Hier nur noch ein
kurzes Wort über Salzers eigenartiges Talent. Er ist, wie schon gesagt, kein routinierter
Schauspieler, der, wie es bei Frau Wilbrandt-Baudius der Fall war, eine ganz neue,
eigene Kunst neben die des Dichters hinstellt und auch minderwertigen poetischen Er¬
zeugnissen durch diese fremden Mittel zu starkem Erfolg verhelfen kann — ihm ist viel¬
mehr das Dichterwerk für sich die Hauptsache, hinter das er sich keusch zurückzicht, er
will nichts als dem Dichter mit fühlendem Herzen nachempfinden und durch seinen Vortrag
dieselbe Wirkung dem Hörer übermitteln. Er wird darum auch immer nur solche Werke
vortragen, für die er sich selbst wirklich begeistern kann. Und der Hörer seinerseits
wird stets die Echtheit dieser Begeisterung fühlen, und was vom Herzen kommt, wird
auch bei ihm den Weg zum Herzen nicht verfehlen. Der reiche Umfang und die seltene
Modulationsfähigkeit machen Salzers Organ für den Ausdruck der gesamten Skala unserer
Empfindungen geeignet. In pathetischen Scenen hielt er sich in der glücklichsten Weise
von dem landläutigen Recitationspathos frei. Doch scheint uns seine klangschöne Stimme
noch geeigneter für intimere Wirkungen und seine Wiedergabe der zartesten Stimmungen
und feinsten Gefühlsnüancen besonders in Schnitzlers und Altenbergs Poesien hat ihm
S.
auch den reichsten Beifall eingetragen.
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sprach aber ein wenig ängstlich gepresst. Viel resoluter entledigte sich Frl. Wrada
ihrer anspruchsvollen Aufgabe. Ihre Stimme, die im Anfang etwas müde und ver¬
schüchtert klang, wuchs mit ihren höheren Zwecken, und das Spiel der Dame war keck
und lebendig. Ihr Partner, Herr Bauberger, gab ihr darin nichts nach: wenn wir
etwas an seinem Spiele monieren sollen, so ist es nur das, dass er im ersten Akte zu
sehr Tambour war. Der Marquis d’Aubigné darf auch als Tambour nie vergessen,
dass er Marquis ist. Sehr schön aber, dass der Marquis im zweiten und dritten Akte
immer noch so hübsch sang wie der Tambour im ersten! Von dem heiteren Paare
Searle und Franck kam letzterer der Forderung der Mässigung viel mehr entgegen
als jener. Er schuf einen Hektor, der sich in seiner blöden, sanften Liebenswürdigkeit
im Publikum aufrichtige Sympathien erwarb und mit seinem trockenen Humor mehr
erreichte als Marsillac mit seinen echten Operettenmätzchen, Ja, es muss gesagt werden:
trotz des Beifalls, den auch er gebinden hat, hat sich Herr Searle diesmal mit der Aus¬
gestaltung seiner Rolle entschieden vergriffen. Es ist ein Theaterintendant, ein Mann
der feinen Gesellschaft, um den es sich handelt, ein Mann, der bei einer Ninon und
einer Maintenon Zutritt hat, es ist kein Possenreisser, sondern ein feiner, aristokratischer
Lüstling, gross geworden unter dem roi soleil! Und von diesem Standpunkte aus hätte
die Rolle angefasst werden müssen!
Zum Schlusse wollen wir der Operette noch wünschen, dass das Publikum sage:
„Nanon, zu Dir ist mein liebster Gang!“ und die folgenden Aufführungen recht zahl¬
H. Z.
reich besuche.
Dritter Gesellschaftsabend der Litterarischen Gesellschaft in Leipzig am
20. November 1806. Wieder ein schön verlaufener Abend, der uns eine Reihe trefflicher
Recitationen brachte, — aber doch etwas total anderes, als das letztemal. Dort eine
Wilbrandt-Baudius als eine durch lange Ubung des schauspielerischen Berufs geschulte,
alle Mittel ihrer Kunst in gleich vollendeter Weise beherrschende Meisterin des künst¬
lerischen Vortrags, hier ein junger feuriger Wiener, namens Marcell Salzer, von dem
wir nur mit Staunen gehört hatten, welch mächtigen Enthusiasmus er bei seinen Lands¬
leuten erregt habe. Wer die Bedächtigkeit, wir wollen nicht wie manche böse Zungen
sagen, das Phlegma des Leipziger Kunstpublikums kennt, dem mochte für den Erfolg des
Wiener Apostels in Leipzig etwas bange sein. Umsomehr freuten wir uns über die
durchaus günstige Aufnahme, die dem Vortragenden, der sich zur Zeit auf einer grösseren
Kunstreise auren Deutschlund belindet, auch bei uns zu teil geworden ist. Dieser Erfolg
galt uns nicht allein als ein Beweis der eminenten Fähigkeiten Marcell Salzers, sondern
auch als erfreulichstes Zeugnis dafür, dass die im übrigen Deutschland leider immer noch
viel zu wenig bekannte Wiener Kunst bei uns lauter offene und freudig entgegenschlagende
Herzen findet, wenn sie nur zu uns kommt. So hat sich der junge Wiener in den Dienst
einer Mission von allerwichtigster Bedeutung gestellt. Als ein Mann von feinstem litte¬
rarischen Verständnis, fern von aller schauspielerischen Effekthascherei, verfolgt er in
seinen Vorträgen eine ausgesprochen litterarische Tendenz, er will das schriftstellerische
Jung-Wien, mit dessen Vertretern er meist persönlich bekannt und befreundet ist, popu¬
larisieren. Um die einzelnen Dichter, mit denen er uns bekannt machen wollte (Schnitzler,
David, Loris, Lindner, Altenberg, Bahr, Torresani), näher zu charakterisieren, schickte er
seinen Recitationen eine treffliche, selbstverfasste Einleitung voran, deren hauptsächlichsten
Inhalt wir im nächsten Hefte unserer Zeitschrift wiedergeben wollen. Hier nur noch ein
kurzes Wort über Salzers eigenartiges Talent. Er ist, wie schon gesagt, kein routinierter
Schauspieler, der, wie es bei Frau Wilbrandt-Baudius der Fall war, eine ganz neue,
eigene Kunst neben die des Dichters hinstellt und auch minderwertigen poetischen Er¬
zeugnissen durch diese fremden Mittel zu starkem Erfolg verhelfen kann — ihm ist viel¬
mehr das Dichterwerk für sich die Hauptsache, hinter das er sich keusch zurückzicht, er
will nichts als dem Dichter mit fühlendem Herzen nachempfinden und durch seinen Vortrag
dieselbe Wirkung dem Hörer übermitteln. Er wird darum auch immer nur solche Werke
vortragen, für die er sich selbst wirklich begeistern kann. Und der Hörer seinerseits
wird stets die Echtheit dieser Begeisterung fühlen, und was vom Herzen kommt, wird
auch bei ihm den Weg zum Herzen nicht verfehlen. Der reiche Umfang und die seltene
Modulationsfähigkeit machen Salzers Organ für den Ausdruck der gesamten Skala unserer
Empfindungen geeignet. In pathetischen Scenen hielt er sich in der glücklichsten Weise
von dem landläutigen Recitationspathos frei. Doch scheint uns seine klangschöne Stimme
noch geeigneter für intimere Wirkungen und seine Wiedergabe der zartesten Stimmungen
und feinsten Gefühlsnüancen besonders in Schnitzlers und Altenbergs Poesien hat ihm
S.
auch den reichsten Beifall eingetragen.