VII, Verschiedenes 11, 1895–1898, Seite 14

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Diese Ansicht hängt eben auch viel mit der falschen
Dr. Witold R. v. Lewieki
die seitens
Stellung zusammen, die man immer wieder in den Begriff Theater
end die Ein= Reichsrathsabgeordneter, Schriftsteller, Vicesecretär des Landes¬
hineinzudividiren sucht. Das Theater soll Erziehungsanstalt sein,
ausschusses.
für die
selbst Kirche im gewissen Sinn, Correctionshaus, was weiß ich
„Wir haben in Galizien mit der Theatercensur ziemlich
Kasseehäuser
noch Alles, die richtige verkehrte Welt. Das Theater soll unter¬
schlechte Erfahrungen gemacht, namentlich in solchen
e seitens des
halten, nichts weiter, unterhalten in jenem weitesten Sinn, der
Fällen, wo es sich um Theaterstücke handelte, denen eine gro߬
1 der be¬
eben auch die tragische Erschütterung als Unterhaltung gelten
polnische Idee zugrunde lag. Ja, ich habe die gewis
hievon ab¬
läßt. Und dieser Unterhaltung soll man keine unnöthigen
merkwürdige Erfahrung gemacht, daß Stücke von polvischen
Schranken ziehen. Man soll nicht künstlich angebliche Gefahren
Bürgerschul= Autoren in Krakau und Lemberg unterdrückt
construiren, die in Wirklichkeit gar nicht existiren. Nehmen wir
Gemeinde= wurden, während sie in Posen anstandslos zur Aufführung
nuc ein Beispiel: den Großinquisitor in „Don Carlos“. Eine
om 30. No= gelangen durften. Ich erinnere mich da speciell an das Schauspiel
Zeitlang durfte er nicht auf der Bühne erscheinen, dann fand
Beschluß des „Kraj“, das wegen seiner polnisch patriotischen Tendenz bei uns
man wieder nichts Anstößiges baran. Ich kann mich nicht
setzungsverboten wurde. Eine Aenderung in den bestehenden
innern, daß der alte, rothe Herr bei seinem Wiedererscheinen
Volks= Theatercensurverhältnissen scheint mir dringend geboren. Ja, ich
irgendwie revolutionär oder anstößig gewirkt hätte, Sie wahr¬
Landesschul= halte es für eine Schande, daß in einem constitutionellen
scheinlich auch nicht, und doch mußte er wieder verschwinden. Schon
und ins= Staate noch mit Verordnungen regiert wird, die aus absoluter
diese Inconsequenz ist charakteristisch, bald kalt, balb warm, ganz
#r berechtigt Aera, dazu noch aus der Zeit der ärgsten Reaction
wie die Mediein, die immer schwört, nur die gerade auf der
olge des Ab¬ stammen. Gegen die Anwendung solcher Verordnungen müßte sich
Tagesordnung stebende Behandlungsweise sei allheilend, wenn sie
Pensionirung, auch die Gesellschaft mit aller Macht zur Wehre setzen.
auch noch kurz vorher als absolut tödtlich verschrien war.
ach den Be= Mit solchen Verfügungen aus dem Jahre 1854 muß endlich auf¬
Uebrigens geben wir uns keinen Illusionen hin, die Censur
und Re= geräumt werden.“
wird nicht so bald abgeschafft werden. Ziehe ich das in Betracht,
Phrstellen nur
dann möchte ich sie wieder wohl in einer Schärfe wirken sehen,
Dr. Eduard Sueß,
usmaße an¬
die wohl auch nur frommer Wunsch bleibt. Ganze Literatur¬
Reichsrathsabgeordneter, Universitätsprofessor.
prüche jener
richtungen müßten gestrichen werden, ganze Autoren und vor
„Hervorragende freisinnige Geister halten die Theatercensur
schlusses zu
Allem jeder Satz, der über vier Druckzeilen lang ist. Ja,
lit wurden, für nothwendig. Freilich müßte sie auf moderner Basis reformirt
lachen Sie nicht, für diese Periodisten müßte ein gesetzliches
ker Gemeinde werden. Selbst der liberole Berthelot scheute sich nicht,
Maximalmaß eingeführt werden. Was über
so und so viel
Hubstitutions= offen und rückhaltslos für eine Theatercensur einzutreten. Nehmen
Centimeter weg ist, schneiden und streichen. Ueberhaupt nur die
gestern im Sie einmal Max Halbe's „Jugend". Ich habe das
Perlen lassen, die überflüssige Fassung fort, das wäre so mein
schlages be= Stück nicht gelesen, aber meine Söhne, die es gelesen haben,
Ideal, vielleicht auch das des Publicums. Freilich dürften
ie Gemeindeisagten mir, es sei eines der widerwärtigsten Stücke,
die Autoren nichts dreinreden, denn die
dem ge= das ihnen bisher in der jüngsten deutschen Literatur vorgekommen
schreiben bekanntlich nur Diamanten, auch für zehn
provisorisch sei. Andererseits will ich nicht verhehlen, daß das Aufführungs¬
Pfennige die Zeile.“
t nach dem verbot von Gerhart Hauptmann's „Die Weber“ eine
ilen zu[Dummheit war. Eine Censur also ist nothwendig, aber sie
Dr. Arthur Schnitzler
müßte reformirt und gesetzlich geregelt werden.“
ohne
Schriftsteller.
gbrechtes
„Wie jeder Autor, bin auch ich selbstredend für die Ab¬
in Betracht
Emesich v. Bukovics
schaffung der Bühnencensur und zwar schon deshalb, wels die
machen; sie
Director des Deutschen Volkstheater.
Censur bei uns in die Hände von Personen
J. ab dies:
„Ich bin in meiner Eigenschaft als Theaterdirector gegen legt, ist, die für die Kunst kein Verständniß besitzen.
rmals zu die jetzige Theaterordnung, weil jedes veraltete Gesetz so um¬ Es ist ein offenes Geheimniß: der Censor läßt sich
nd Ortsschul, beändert werden sollte, daß es sich den modernen Zeitströmungen bei uns bei der Beurtheilung des ihm vorgelegten Stückee
anpaßt. Der Hauptfehler der heutigen Censur ist — die Ab= von allen anderen Rücksichten eher leiten, als von künstlerischen.
se Nr. 8 Fas¬
hängigkeit derselben von clericalen Einflüssen. Hätte Ludwig Er ist a priori gar nicht dazu befähigt, ein Siück künstlerisch
[Anzengruver seine Stücke heute geschrieben, ich bin fest
zu deurtheilen. Wer sind unsere Censoren? Da werden aufs
überzeugt, sie wären nie zur Aufführung gekommen! Und in Gerathewohl Beamte herausgegriffen, die sonst alle möglichen
dieser Hinsicht bedarf es dringend der Remedur.
guten Qualitäten besitzen mögen, nur keine literarischen. Danach
In der Statthalterei ist man ehrlich bemüht, die Schärfe wird eben nicht gefragt. In der heutigen Nummer des „Neuen
ich.
und Schroffheit des Gesetzes zu mildern. Das Entgegenkommen Wiener Journal“ erzählt der Polizeipräsident, daß er Ibsen's
der Behörden den Bühnenleitungen gegenüber ist wirklich weit= „Gespenster“ seinerzeit in Prag verboten habe. Er verhehlt
gehend. Als ich „Madame Sans-Genc“ aufführen uns auch die Gründe nicht, von denen er sich hiebei hatte leiten
des Wiener wollte, erfuhr ich plötzlich, daß von hochstehender Seite gegen die lassen. Künstle#sche waren es nicht. Herr v. Stejskal
kectoren über Aufführung Protest erhoben worden sei, weil die Träger einiger hielt die „Gespenster ür ein unsittliches Stück; nun, ich bin in
chen Lösung altadeliger Namen sich durch die Verunglimpfung derselben im diesem Punkte anderer Meinung, ich halte die „Gespenster“ nicht für
rsönlichkeiten Stück beleidigt fühlten. Zufällig war der Statthalter am selben unsittlich, aber man mag darüber nun denken, wie man will, Kunst und
gehört zu Abend im Volkstheater, er bat mich in seine Loge und machte Sittlichkeit sind verschiedene Begriffe, man darf sie nicht mitä
dene Partei=mir Mittheilung davon, daß „Undhame Sans-Gene“ noch keines= Lnander verwechseln, wie Herr v. Steiskal es in diesem
entarier, die wegs „freigegeben“ sei. Auf die Frage, ob der Statthalter das Falle gethan.
Stück selbst gelesen habe, antwortete er mir, dies sei nicht der
Freilich, der Staat hat die Neigung und auch die Macht¬
Fall, doch wolle er noch in derselben Nacht das Stück lesen.
mittel, Alles zu unterdrücken, was ihm nicht in den Kram paßt,
Und thatsächlich wurde ich bereits am nächsten Tag in die und ich muß gestehen, solange der Staat von der Voraussetzung
Statthalterei beschieden. Der Statthalter hutte die
ausgeht, daß die Einrichtungen, die er schützen will, durch das
nelubs.
[ganze Nacht hindurch gelesen und :
freie Wort auf der Bühne gefährdet sind, solange werde ich be¬
icht allzusthrimir wit, das Stück seii trotz der „Be# iken“ greifen, daß er sich des Rothstifts nicht begeben mag, der ihm Die
zu leiden.sohne einen Strich zur Aufführ:
Handhabe bietet, das seiner Meinung nach Gefährliche im Keime
n und lassengelassen. Der Statthalter ging dabei von der Ansicht aus,
zu erstiek#. Ob das, was dem Stifte des Censors zum Opfer
schmerz= daß Verunglimpfungen der Dynastie Bonaparte für den fällt, wirklick, danach angethan ist, den Staat in seiner Ruhe zu
die Preß= österreichischen Hof nicht maßgebend seien.
bedrohen, ist eine andere Frage. Kein Stück der Weltliteratur
chen Werthe
Immer und ewig also ist es nur der Clerus, der der Auf= ist dem Staate gefährlich geworden, auch Beaumarchais „Figaro's
Der Schmied führung des Stückes hemmend entgegentritt, denn nach jeder Hochzeit“ möchte ich kaum als Ausnahme gelten lassen. Der
ehandelt die
anderen Hinsicht ist die Censur nachgiebig und nur in dieser Figaro hat die französische Revolution nicht erzeugt, er war blos
Im Mittel= einen Richtung läßt sie nicht mit sich spaßen.
der zündende Funke. Und ich bin überzeugt, wenn wieder einmal
hHaus und
Meine Ansicht ist also: Regelung der bestehenben Censur.
zin Wort geschrieben werden sollte, das „trifft und zündet“ der
rle unserer Ader Censur muß sein. Ohne sie wäre der Director vogelfrei,
Censor wird es gewiß nicht herausfinden. Das
esselben un= er würde nach der Première mit den Behörden in ungezählte ist vor seinem Stifte sicher. Erst wenn es hinausgeflattert sein
Kolar, Conflicte kommen, während er heute durch die Censur doch einen wird, wird der Censor sich fragen, wo stand denn das Wort.
gegeben. gewissen Schutz genießt.“
Ich habe es ja gar nicht gelesen.“
schamberg
en daß die
Franz 0. Jauner.
Censur
Tageononigkeiten.
Director des Carl=Theaters.
igaben,
„Wer im Theaierleben Erfahrung hat, wird das einer alten,
sur ver¬
Das Avancement bei der Polfzei.
verflossenen Zeit angehörige Theaterstatut überflüssig und un¬
werden jede
zureichend finden.
[Ein Massenausfritt der Concipisten in
taltung
Aber dagegen kann der Einzelne nicht ankämpfen. Dazu
Aussicht!
Eifer fördern