VII, Verschiedenes 11, 1895–1898, Seite 18

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1. Miscellansens
Lessing=Theater.
„Die Lumpen“, Komödie in drei Akten von Leo Hirschfeld.
F. M. Wenn der Berliner Hirschseld, der Georg, sich für freund¬
lichen Beifall bedankt, so werden wir durch seine äußere Erscheinung.
an Gerhart Hauptmann erinnert; als der Wiener Hirschfeld, der Leo,
sich gestern Abend fesch verbeugte — und er konnte es nach jedem Akte
thun — glaubte man eine Kopie Arthur Schnitzlers zu sehen. Inner¬
lich ist der Berliner Hirschfeld seinem Original nicht so ähnlich wie
der Wiener dem seinigen.
* Es gab besonders nach dem zweiten Akte einen sehr starken Erfolg;
der Verfasser und Herr Jarno konnten sich in die Ehren theilen.
Beide erzwangen den Beifall durch kleine Uebertreibungen ohne
welche das Stück und die Rolle vornehmer, vielleicht auch
wirkungsloser gewesen wären. Wir sind das so sehr gewöhnt,
daß es kaum noch einer Bemerkung werth wäre, wenn nicht
gerade Autörstolz vor Publikumsthronen den Inhalt der neuen
Komödie bildete. Leo Hirschfeld wirft die Frage auf: Darf ein
Dichter der Bühnenwirkung zu Liebe seine künstlerischen Ueberzen¬
gungen opfern? Und er verneint diese Frage sehr tapfer in einem
bühnenwirksamen Lustspiele, dessen beste Schlager dem künstlerischen
Bau des Ganzen nur angeflickt sind.
Zu den Lumpen, den literarischen Zigennern, welche in einem
Kaffeehause Wiens ihr Wesen treiben und lustig vom Pumpen
leben, gehört auch der begabte junge Herr Heinrich Ritter. Sein
Drama soll nur unter der Bedingung aufgejuhrt werden,
daß er der Kassirerweisheit der Bühnenkenker den kühnen
Schluß opfert, den Grundgedanken, um dessen willen er das
Für
z Werk geschaffen hat. Lange sträubt sich Heinrich gegen diese Zu¬
g muthung. Da aber auch seine Geliebte, eine Schauspielerin,
g welche die Hauptrolle kreiren will, sich seiner Armuth und seinerg
10 Unberühmtheit schämt, da sie ihm einredet, er werde nach einem ersten
großen Triumphe ganz und frei an seinen Idealen schaffen können,
Abon giebt er endlich nach, und sein Drama wird wirklich fünfzigmal
Abon aufgeführt. Als einen gemachten Mann finden wir ihn im letzten
Akte wieder. Die Lumpen stellen sich ein und pumpen ihn an:
chur einer seiner ehemaligen Genossen bleibt sich selber treu
und spricht als das strafende Gewissen kluge Worte gegen die Hausirer
der Literatur, stolze Worte, vor deren Ernst die Lumpen doch wohl
licht bestehen können. Heinrich verliert den alten Freund nur un¬
zern; aber er ist inzt ischen ein praktischer Mensch geworden.
bei seinem zweiten Drama denkt er nur noch an die Kulissenwelt
ind die Tantiemen. Und um mii der Bohême vollends zu brechen,
iebt er seiner Geliebten den Laufpaß und heirathet seine reiche hübsche
kusine, deren Werbungen er sich früher brutal entzogen hatte. Eine
atirische Komödie also, wenngleich die grobe literarische Satire der
itzten Szeue bei der Aufführung fortgeblieben ist, der besseren Bühnen¬
irkung wegen.
Man macht solchen Literaturdramen, deren Held ein berühmter
kann sein soll, sonst gern den Vorwurf, daß der berühmte Mann
icht genannt sei. „Namen nennen!“ heißt es dann wie
Parlamente. Schlimm genug, daß wir uns keinen

inzelnen als Modell des Heinrich Ritter vorzustellen brauchen, daß
e Charakteristik Hirschfelds auf allzu viele erfolgreiche Theater¬
Fchriftsteller der Gegenwart antrifft. auf diejenigen wenigstens, die
mit Kunstverbesserungsplänen angefangen haben, um als Bühnen¬
handwerker zu enden. Wenn nur die Charakteristik Hirschfelds ebenso
sorgsam wäre, wie sie boshaft ist. Da bleibt aber viel zu wünschen
übrig; wir erfahren nur selten, was in der Seele der handelnden
Personen vorgeht. Die Wirkung ist nicht tief, weil die Psychologie
oberflächlich bleibt. So wurde die fröhliche Lanne der Zuhörer fast
immer nur durch die gut beobachieten Auftritte der schriftstellernden
Zigenner und durch ihre vortrefflichen Bummelwitze geweckt.
Das Lessing=Theater hat die Komödie, die den Geschäftsbühnen so
bittere Wahrheiten sagt, vorzüglich heransgebracht. Den stärksten
Beifall hatte Herr Jarno, der den amüsantesten unter den Lumpen
spielte. Entzückend war Fräulein Jäger; sie gab die Schauspielerin
und blieb natürlich. Herr Vonn GHeinrich) war mehr Schauspieler.
In kleineren Rollen müssen die Herren Nissel, Halm, Pagay und Frau
Pgay genannt werden.
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Die „Arbeiter-Zeitung“ und die meisten anderen
Judenblätter moquiren sich über die Hallenser Studenten,
die dagegen protestiren, daß Frauenspersonen zu medicini¬
schen Studien und klinischen Versuchen zugelassen werden.
Wie sollte auch dieses Volk das Schamgefühl gebild.
junger Männer begreifen, das nach dem Ausspri
Schopenhauer's aus Individuen besteht, die „sich nich
schämen und nicht grämen“.
Der geistreichelnde Jude Mar Nordau — recte Simon
schrieb in der „Neuen Freien Presse“ vom

22. März: „Othello“ ist ein gemeinplötzliches Melodram.“
Dieses Urtheil kann zwar dem William Shakespeare
nicht mehr viel schaden, aber es liefert neuerdings den
Beweis, daß die Juden dem großen Dichter seinen
„Shylock“ nie verzeihen werden.
Der Tuekarzt der Londoner Centrak-Irrenanstalt hat
eine eigene Abtheilung für Künstler und Dichter einge¬
richtet, deren künstlexische und poetische Ueberspanntheiten
sich zu einem methodischen Wahnsinn entwickelt haben. Es¬
scheintalso auch in England Wirbelköpfe #la Bahr und
Schnitzler zu gebest.
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