VII, Verschiedenes 11, 1899–1901, Seite 9

1. Miscellaneons
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fast ausschließlich Bevorzugten gehören, Max Dreyer, deren
Schauspiel „Hans“ gestern zur Aufführung gelangte, ist sogar
ein eliterarischer Gegner der „moderen“ Sippe, dessen
Protection sich der Leiter unserer Bühne so ange¬
legen sein läßt und er ist vor Allem ein wirk¬
licher Deutscher, wodurch er sich fast von sämmtlichen
Autoren vortheilhaft unterscheidet, deren Werke in den letzten
Jahren am Franzensring den Spielplan beinahe vollständig
beherrschten. Trugen dermaßen schon die äußeren Umstände
dazu bei, uns den gestrigen Abend in einem sympathischeren
Lichte erscheinen zu lassen, der günstige Eindruck wurde durch
den inneren Werth des Dreyer'schen Dramas vollends ent¬
schieden. Endlich wieder einmal ein Stück, das alle jene
crassen Effecte verschmäht, mit welchen ein Theil unserer
dramatischen Schriftsteller zu wirken bestrebt ist, das sich aber
auch in gleicher Weise von jener Richtung ferne
hält, die darin besteht, auf alle erprobten Mittel
der Bühne zu verzichten und ihre Aufgabe nur in
einer möglichst realistischen Darstellung zumeist völlig
undramatischer Vorgänge erblickt. Das
Schauspiel
„Hans“ ist ein psychologisches Gemälde von seltener Feinheit;
die poetische Filigranarbeit, die der Dichter an seine Schöpfung
gewendet hat, fällt umso angenehmer auf, als man daran
gewöhnt ist, von unseren modernen Autoren zumeist nur
Zimmermannsarbeit verrichten zu sehen. Dreyer verfügt ferner
über eine nicht sehr häufig anzutreffende Fähigkeit, zu
charakterisiren und zu motiviren, und wenn man außerdem
noch erwähnt, daß er es wie kein Anderer versteht, Stimmungs¬
milieus zu schaffen, die trefflich zu den einzelnen Phasen der
psychologischen Entwicklung passen, so glauben wir schon durch
die Anführung dieser Hauptvorzüge, die uns an dem Dreyer¬
schen Werke aufgefallen sind, gezeigt zu haben, daß
wir es in „Hans“ mit einem Producte nicht
gewöhnlicher dramatischer Begabung zu thun haben. Doch
nun zur Handlung des Stückes. „Hans“ ist die Tochter des
Professors Hartog, dem von der Regierung die Leitung einer
biologischen Anstalt anvertraut wurde, die ihren Sitz auf einer
Nordseeinsel hat. Hartog ist schon ziemlich früh Witwer ge¬
worden und die Tochter, auf der in Jahren, wo andere junge
Mädchen nur dem Veranügen zu leben pflegen, schon die Last
der ganzen Hauswirthschaft ruhte, ist infolge dessen in ge¬
wisser Beziehung hart und männlich geworden, der nur seiner
Wissenschaft lebende Vater dagegen ist unpraktisch, unselbst¬
ständig. Um diese zwei Personen herum gruppiren sich noch der
Großvater, die Mitarbeiter des Professors und ein
ehemaliger Schulkamerad Hansens,
der gewesene
Marinelieutenant und jetzige Maler Heinrich Jensen. In diesen
Kreis weniger Menschen, die an einander gewöhnt sind und
gleichsam eine Familie bilden, tritt plötzlich eine neue Er¬
scheinung, Anna Berndt, die in der Pension die Freundin
Johanna Hartog's gewesen war. Das Weltkind, das sich
draußen im Leben die Flügel verbrannt hat, flüchtet sich nun
in die Einsamkeit des Nordseeeilandes. Sie hat den Betheue¬
rungen eines gewissenlosen Verführers Glauben geschentt, der
sie und ihr Kind verließ, als er der Verführten überdrüssig
geworden war. Das Kind ist dann gestorben, und doppelt ver¬
lassen sucht Anna bei der Kameradin Trost und Schutz, ohne
aber vorerst das Geheimnis ihres Lebens preiszugeben. Auf
den Professor, der zwar bei seiner energischen Tochter in den
besten Händen ist, dessen allzu kurzes Eheglück ihn aber
doch nach einem Nachfrühling Sehnsucht empfinden läßt,
bleibt die eigenthümliche, anziehende Erscheinung des Gastes
nicht ohne Eindruck. Hans, die bisher ihrem Vater Alles ge¬
wesen ist, sowie auch er ihr Alles war, sieht mit schwer ver¬
hehlter Vitterkeit, was sich neben ihr vorbereitet. Da erfährt
sie von der Freundin Alles, auch den Schatten, der auf
deren Vergangenheit ruht. Ihr jungfräulicher Stolz empört
sich gegen das, was sie hört, da sie es nicht zu verstehen
vermag. Eine Verbindung Annas mit ihrem Vater, in die sie
auch sonst nur schwer eingewilligt hätte, erscheint ihr nun
ganz und gar unmöglich und um eine Entscheidung herbei¬
zuführen, erzählt sie dem Professor, was geschehen ist. Dieser
aber faßt die Sache ganz anders auf, zu der Liebe, die er für
Anna bisher empfand, gesellt sich nun auch noch ein
unendliches Mitleid mit dem betrogenen Mädchen. Als dieses
sieht, daß ihr weiteres Bleiben den Frieden des Hauses
unfehlbar zerstören würde, beschließt es, zu entsagen und
sofort abzureisen; um aber zu verhindern, daß die Neigung
des Professors ihr auch in die Ferne folge, sagt sie ihm
die Unwahrheit, indem sie erklärt, ihr Herz gehöre noch
immer dem, der der Vater ihres Kindes gewesen ist. Aber es
kommt nicht zum auseinandergehen. Der Maler Heinrich
Jensen, der längst schon zu „Haus“ in heißer Liebe ent¬
brannt ist, findet endlich Gelegenheit, seine Gefühle zu ent¬
decken, und in dem Glück, mit dem dieses Geständnis
plötzlich das herbe und unnahbare Mädchen umgibt, gehen
ähre Bedenken gegen die neuerliche Verheiratung
des Vaters unter und sie selbst legt die letzte
Hand an, den ihr früher so verhaßt erscheinenden Bund
zzu schließen. Auch die Lösung des Dramas, die auf den ersten
Blick hin unvermittelt und sprunghaft, ja unlogisch zu sein