VII, Verschiedenes 11, 1899–1901, Seite 37

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1. Miscellaneous
in seine Tasche zu fließen begann, über Director,
Regie und Schauspieler, die er einst beschimpft
hat, anderer Meinung wurde: ich kann auch
zeigen, wie er nachträglich, als er sie in ein
Buch aufnahm, seine früheren aggressiven Urtheile
verändert hat. Einem Kritiker, dem von dem Theater,
das seiner kritischen Controle anvertraut ist, so reiche
Vortheile zufließen wie Herrn Bahr, einem Kritiker,
dessen Durchfallsstücke von der Direction sichtlich
durchgepeitschte werden und dessen verlachte
Josephine- unter vierzehn Aufführungen sechs an
Sonn- und Feiertagen erleben durfte, habe ich nun¬
mehr zugemuthet und zugetraut, er lasse sich von dem
befreundeten Theaterunternehmer einen Villengrund
schenken. Dies ist nach all dem, was ich vorher be¬
hauptet, keine Beleidigung mehr. Die Herren Bahr
und Bukovics machen aus dem Freundschaftsbündnis,
das sie über einer stürmischen Vergangenheit ge¬
schlossen, kein Hehl. Einem Freund zuzumuthen, er
habe dem Freunde ein Geschenk gemacht, ist keine
Ehrenbeleidigung. Sie wird es erst durch den Zusatz,
dass jener ein beeinflusster Kritiker sei. Gelingt es
mir, nachzuweisen, dass Herrn Bahrs kritische Ob¬
jectivität schon im Tantièmenrausche getrübt sei, so wäre,
selbst wenn die Schenkung des Grundstückes ein Kaufist,
mein Wahrheitsbeweis für die Ehrenbeleidigung erbracht.
Die Behauptung: Müller hat dem Schulze eine Uhr ge¬
schenkt — mag wahr oder talsch sein. Eine Beleidigung ist
sie nicht. Wenn ich aber hinzufüge: Müller ist nämlich
mit Schulzes Frau sehr gut bekannt, so steckt im Worte
„nämlich die Beleidigung. Gelänge es nun, in
einem Processe nachzuweisen, dass Schulze jährlich von
Müller einige tausend Kronen für die Duldung des ihm
bekannten unsittlichen Verhältnisses Müllers zu Schulzes
Frau bezieht, so wäre die Frage, ob ich durch die
Behauptung vom Uhrgeschenk eine Ehrenbeleidigung
begangen habe, auch wenn diese Behauptung sich
als völlig falsch erweist, zu verneinen. Ich hätte


also bloß das unsittliche Verhältnis Bahr-Bukovics
nachzuweisen. Herr Bahr aber versteift sich auf den
Villengrund und legt den Kaufvertrag vor. Umso
besser. Dann war ich in diesem einen Punkte falsch
oder ungenau informiert, und der Kritiker, der sich von
der Kanzlei des Deutschen Volkstheaters jährlich
mehrere tausend Kronen schenken lässt, war so nobel
oder so kleinlich, sich nicht auch noch einen Villen¬
grund schenken zu lassen. Meine bona fides: ich hatte
von mehreren Seiten die in St. Veit als notorisch
geltende Thatsache erfahren, und da ich zwecks Ueber¬
prüfung der Nachricht mich nicht gut telephonisch an
einen der betheiligten Herren wenden konnte, habe ich
mich an das Grundbuch Hietzing gewendet. Und das
Grundbuch sollte doch in solchem Falle der zuver¬
lässigste Gewährsmann sein. Was fand ich? Besitzer
des Grundes, auf dem Herr Bahr seine bereits bezogene
Villa gebaut hat — Emerich v. Bukovics. Vielleicht, sagte
ich mir, hatirgend ein besonderer Umstand die Eintragung
des Kaufvertrages verzögert?*) Immerhin — ein Theater¬
richter muss auch den Schein vermeiden. Warum
kauft sich Herr Bahr just in Ober-St. Veit an, warum
löst er just Herrn v. Bukovics, über dessen Geschäft
er öffentlich urtheilt, einen Grundbesitz ab? Sind der¬
artige geschäftliche Transactionen zwischen einem
Publicisten und einem Theaterleiter überhaupt zu¬
lässig: Und wo sind die Garantien gegeben, dass der
Kautpreis des Grundes dem Werte entspricht? Eine
Sache kann geschenkt, sie kann aber auch swie
geschenkt-**) sein: negotium mixtum cum donatione.
Aber ich verzichte auf alle Einwände. Herr Bahr versichert,
er habe das Grundstück durch Kauf erworben. Meine
Sie geschah, wie sich gezeigt hat, erst am 8. November 1900,
also fünf Monate nach meiner Publication.
)In der Verhandlung wurde vorgebracht, dass der Kauf¬
preis des Bahr’schen Gr##des: 4·25 Gulden per m2, der Kaufpreis
des Nachbargrundes (laut Briefes des Besitzers, Oberstlieutenants
v. Sturmthal in Graz) rauf Grund des seinerzeitigen Angebotes
ines hervorragenden Wiener Architekten- 7 fl. per m2 beträgt.