VII, Verschiedenes 11, 1899–1901, Seite 45

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1. Miscellangens
Telefon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERVER“ Nr. 100
MICE
I. österr. behördl. cone. Burean für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyeló“ -
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockhol
Ausschnitt aus:
Wi
30 M0
vom
Bruchstück aus einem Gespräche zwischen unseren
modernen Dichtern.
Hermann Bahr: Na, Feiix, hab' ich. Dich ge¬
legentlich der Aufführung der „Krannerbuben“ wieder
einmal auf's Piedestal gestellt wasr
Felix Dörmann (etwas fatiquirt): Na ja —
aber was die Tantièmen anbelangt, so.
Elschen Pleßner (eifersüchtig): Seh Der an da,
was er klagt, der Felix! Ueber meine „Ehrlosen“ hat
gebracht Bahr nur Stellen aus dem Dialog und fast nix
eine Kritik. Genirt hat er sich, für mich einzusiehen! Reden
Sie mir nix er hat sich ja genirt — und abgesetzt inelus
F
bin ich worden vom Repertoire. Sie zupft an einem Porte
Zahll
Der Burckhard=Maxl (cifrig): Recht hat's, deskim Vor¬
Mir scheint tie is
Madl! J hob's protegirt und er
aboj allwal, er möcht' allani der Hahn im Korb sein. (Er heht s#
rn.
Abo wirft einen schiesen Blick auf Bahr.
Hermann Bahr (beschwichtigend): Aber Leut'lu —
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Gans v Ludassy(einfallend): Larijari ich habse er Zei
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Hermann Bahr (einfallend): Ich hab' ja nocht#tliche
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wol
gar nichts g'sagt.
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Gans v. Ludassy: Ich auch noch nicht! Ich wollte
wert
nur sagen, daß ich mir für meinen „Letzten Knopf“ noch
keine Villa in St. Veit kaufen konnte. — Und er ist
doch nur ein Nachahmer von mir.
Hermann Bahr: Wie, was?
Gans v. Ludassy: Ich bin zu einem Knopfdrechsler
in die Lehre gegangen, um das Dichten zu lernen und
er geht jetzt in gleicher Absicht zu einem Schneider in die Lehre.
Elschen Pleßner (naiv): Gott über die Welt, man muß
doch irgendwo in die Lehre gehen, um das Dichten

Burckhard=Maxl (ruft ihr zu): Pscht!
Elschen Pleßner (schweigt und richtet ihr Veilchen=se
„bouquet zurecht
Ebermann: Ich komme seit meiner „Alhenerin“ auch nicht
mehr d'rau. Ich weiß nicht, was ichmirda von dem= Bahr deuten soll.
Schnitzler: Und ich muß mich jetzt mit meinen Werken
ger in die Josefstadt stüchten. Es geht nimmer schön.
Hermann Bahr fuchtig): J, zum Satan, was kann ich
ich habe:
da zmachen! Sucht Euch halt Jeder einen Bukovics
Sden meinen. (Allgemeines Murren.) Was? Murren auch noch?!
J, hol' Euch Alle der „Fackel=Kraus“! Ab zu Drecoll,
um dort eine neue Lektion im Dichten zu nehmen

Telefon 12801.
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Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 10
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106 „OBSERVER
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
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Die „naturalistischen Studien“ der Schriftsteller ne gefähr¬
liche und beschwerliche Sache, sofern sie ernst genommen den. Man
erzählt von einem sehr bekannten Berliner Schrifsteller, der ein Faible.
für die Criminalistik pflegt, daß er vor Jahren mit Eifer Studien in
den Verbrecherkellern Berlins oblag, der siete Begleiter bekannter Crimi¬
nal=Commissare und ein Habitué der anrüchigsten Vereinigungs¬
punkte „lichtscheuen Gesindels“ war. In einer Revue ließ der Autor
sodann eine Schilderung seiner Erfahrungen und Erlebnisse erscheinen,
aber wie es scheint, lesen auch Spit uben periodische Zeitschriften besse¬
rer Art und da ereignete es sich, daß ein hervorragender Einbrecher über
die Enthüllungen des Artikelschreibers ungehalten wurde und diesem
einen ebenso unliebenswürdigen als beunruhigenden Brief schrieb.
Die Folge war, daß der Autor sofort seine Wohnungsthür mit dop¬
peltem Sicherheitsverschluß, Lärmapparat usw. versah und während der
nächsten Monate seines Lebens nicht froh wurde, denn er sah Tag für
Tag und Nacht für Nacht dem in Aussicht gestellten Besuch des Freund geive
Einbrechers bangend entgegen. Und dann das „Studium“ des liebens= rto.
würdigsten Räthsels der Schöpfung, des Weibes! Was für Compli= sbar
scationen sind daraus schon entstanden! Ich kenne einen Autor, der sich graus.
jauf die novellistische Schilderung des Wiener Grisettenthums verlegt
that und nicht müde wird, das sogenannte „süße Mädel“, das ist die st das
ALadenmamsell, die Telephondame, die Tyeaterschülerin, die Confectio= es den
Ameuse — und Alles, was gelegentlich so am Rand des Abgrundes dahin¬
stänzelt — zu glorificiren. Natürlich muß oder müßte man dazu Mo¬
Delle haben, möglichst interessante und — mannigfaltige Typen. Die nd die
I=Freunde des Autors versichern, daß dem modernen Schilderer dieser egen¬
b Mädchenart seine Studien mehr, viel mehr gekostet haben, als ihm seine itung")
w aus diesen Betrachtungen hervorgegangenen Bücher eingetragen haben. Leben
de Nun, in jedem Dichter steckt ja etwas vom Märtyrer, man muß Opfer lungen
bringen in jeder Form und von allen dichterischen Studien stelle ich
Vmir die des „süßen Mädels“ eigentlich verhältnißmäßig am vergnüg¬
flichsten vor — süß? Na, das ist Geschmackssache.
Paul von Schönthan.
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