VII, Verschiedenes 11, 1909–1911, Seite 18

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für den November geplant. Kainz meinte, er
werde wohl kaum schon im Oktober in der.
Lage sein, den Berliner Proben beizu¬
wohnen, worauf Lindau ihm versprach, ei
werde eine Verschiebung des Auf¬
führungstermins für den Dezember durch¬
setzen.
Nachmittags erschien Arthur Schnitzler
bei Kainz. Er sprach mit dem Künstler über
sein jüngstes Werk „Das weite Land“,
in dem Kainz die Hauptrolle zugedacht ist.
Die Konversation zwischen dem Dichter und
dem Künstler gestaltete sich besonders lebhaft.
Dr. Glogau, der Rechtsanwalt des
Künstlers, brachte angenehme Nachrichten. Er
sagte Kainz, daß sehr viele Bühnen sich um
„Figaros Hochzeit“ in der Bearbeitung
von Kainz bewerben. Baron Berger will das
Stück bekanntlich in Wien und Reinhard
in Berlin aufführen. Kainz freute sich übe
diese Mitteilungen ganz außerordentlich.
Um 10 Uhr abends verfiel Kainz in ruhigen
Schlaf, aus dem er nur selten erwachte.
Wiederauftreten der Schmerzen.
Am heutigen Morgen erwachte Kainz in
ziemlich guter Stimmung, obwohl der Schlaf in
der zweiten Hälfte der Nacht ein unruhige
war. Er frühstückte und unterhielt sich mi¬
seiner Umgebung. Kainz aß dann zu Mittag.
Nach Tisch stellten sich wieder mit ziemliche
Heftigkeit Schmerzen ein. Nach dem Blut¬
erguß in der vorigen Woche fühlte sich Kainz
leichter, und daher rührte auch die Besserung
des Befindens während der letzten Tage. Nun
hat sich das Blut wieder angestaut, und infolge
dessen treten die Schmerzen mit großer Heftig
keit auf. Früher gab man dem Patienter
Morphiuminjektionen. Er weigert sich aber
Morphiuminjektionen machen zu lassen, weil ei
seinen ganzen Zustand für eine Morphium
vergiftung hält.
Bei dem großen Schwächezustand Kainz' liegt
in dem Wiederauftreten der Schmerzen eine
große Gefahr. Man sieht deshalb der
nächsten Zeit mit großer Besorgnis ent¬
gegen.
Anfrage der Erzherzogin Margarete.
Heute hat sich Erzherzogin Margareten
persönlich telephonisch nach dem Befinden
Kainz' erkundigt.
Bei Papa Kainz.
Gestern wurde auch die Stieftochter Kainz',
Frau Rosi Müller=Dachau, in die
Krankenstube, gelassen. Sie ist die Tochter von
Sarah Srutzler, der ersten Frau des
Künstlers. Kainz hängt mit großer Liebe an
seiner Tochter, und man traute sich deshalb nicht,
im zu sagen, daß sie da sei, weil er sonst sofort
erdacht geschöpft hätte. Man sagte ihm deshalb,
osi hatte angefragt, ob sie kommen dürfe.
ainz sagte mit Freuden ja, und gestern fand
as Wiedersehen statt. Es trug den Charakter
esonderer Herzlichkeit.
Eine Gedächtnisprobe Kainz'.
Als Direktor Baron Berger bei Kainz

dar, erzählte Kainz dem Direktor, er habe vor
15 Jahren einmal ein Stück gelesen, das
hn damals sehr interessierte. Und nun gab er
senau den Inhalt dieses Stückes wieder. Baron
Berger entgegnete darauf, die Hauptfigur
ei in Strindbergs „Erich IV.“ wieder ver¬
pendet worden. Kainz bat, dieses Stück lesen
zu dürfen. Baron Berger schickte ihm das Buch,
aber Kainz hat es noch nicht gelesen.
Kainz' Testament.
Mehrere Blätter haben heute die falsche Nach¬
richt verbreitet, Kainz habe gestern sein Testa¬
nent gemacht und verfügt, daß alles seiner
Frau gehören solle. Man würde sich wohl hüten,
dem Künstler, der von der Gefährlichkeit seines
Zustandes keine Ahnung hat, jetzt vom Testa¬
ment zu sprechen. Dies ist auch gar nicht not¬
wendig, denn Kainz hat, wie wir auf das be¬
stimmteste versichern können, schon vor län¬
gerer Zeit sein Testament errichtet. Bevor
er ins Sanatorium Löw transportiert wurde,
berief er seinen Rechtsanwalt und einen Notar
zu sich und testierte in aller Form.