VII, Verschiedenes 11, 1909–1911, Seite 37


box 41/3
1. Miscellangens
#ster¬
warteten die Armen draußen, gleichsan. ...
swach¬
der täglichen Klostersuppe....
an¬
[Der Dichter als Arzt.] Generalprobe eines neuen
ilberne
Stückes. Auf der Bühne und hinter den Coulissen die aufs
fbuig¬
höchste gesteigerte Aufregung und Nervosität. Wene einmal die
dem
Schlacht im Gange ist, dann gebietet eiserne Disziplin Ruhe
üllung
und Mäßigung; aber jetzt am Tage vor dem Entscheidungs¬
g des
abend gärt und wirbelt es von verhaltener ##raft und müh¬
rar¬
sam eingedämmten Energien. Der Zuschauerraum liegt im un¬
Unter¬
bestimmten Zwielicht da, die Logen, in denen am Abend
kehrer¬
Frauenaugen und Frauenschultern aufleuchten werden, sind
gions¬
mit mißfärbigen oder trostlosgrauen Tüchern verkleidet, und
unten im Parkett nimmt man nur hier und dort, vereinzelt
ares
und verstreut die Umrisse einer menschlichen Gestalt wahr. Ein
Nach
merkwürdiger Kontrast zwischen der aufs äußerste empor¬
nach
getriebenen Anspannung aller Lebenskräfte auf der Bühne
lautet,
und der Kirchhofstille im Zuschauerraum. Da tönt von oben
Kron¬
ein Aufschrei, ein Schmerzensruf. Man hört förmlich das
Ibhut
Knirschen der aufeinandergepreßten Zähne. Das ist Wirk¬
Korsu
lichkeit im Spiel, ist nicht etwa vom Autor vorgeschi¬
des
durch den Gang der Handlung bedingt. Ein Zwischenfall in
issicht
der Generalprobe, wie er übrigens nicht gerade zu den Selten¬
heilen gehört. Ein anderesmal, es ist noch nicht lange het,
In
hat bei solcher Gelegenheit einer der Hauptdarsteller es mit
N8 39
den Nerven bekommen, ist ohnmächtig zu Boden gestürzt,
Otto
diesmal hat ein Künstler im Affekt sich selbst Schaden zuge¬
feld.
sügt. Eine Krone, die auf dem Boden liegt, soll er zer¬
Von
stampfen. Zu wuchtig holt
er mit dem Fuße aus. Der
eder¬
Perserkönig wankt, er hat sich den Fuß übertreten, die
ische
Muskein gezerrt. Stöhnend gleitet er in die Arme der Nächst¬
stehenden. Jäh öricht das Spiel ab, und nach einem Arzt
Wie
wird gerufen. Kein Heilkünstler ist zur Stelle. Da erhebt sich
einer der wenigen Herren, die in dem verödeten Zuschauer¬
ersten
raum Blatz genommen haben und bietet sich zur Hilfeleistung
George
an. Wenige Minuten später ist der Schauspieler kunstgerecht
nach
verbunden. Als Herr Reimers, unser frohgemuter Buratheater¬
Staats¬
held, bei der Generalprobe von „Herr und Diener“ so un¬
Urlaub
rühmlich verunglückte, hat ihm Artur Schnitzler ärztlichen Bei¬
ge¬
stand geleistet. Man hörte und las davon mit einiger Ueber¬
raschung und gelindem Staunen. Nicht daß man daran ver¬
des
gessen hätte, daß die beiden bedeutendsten Dramatiker Jung¬
österreichs, Schnitzler und Schönherr, aus dem medizinischen
phien¬
t, die
Beruf hervorgegangen sind und sich mit dem rite erworbenen
ver¬
Doktordiplom der gesamten Heilkunde ausweisen können. Wohl
hiff“
aber vermag diese theoretische, sozusagen literarhistorische
ingabe Wissenschaft nicht zu verhindern, daß man ein wenig nachdenk¬
ann.
lich die Umkehrung gewahr wird, in welcher der Schauspieler
ung.
dem Dichter die Rolle vorschreibt, nämlich die des behandelnden
d von
Arztes. Im „Jungen Medardus“ hat Reimers den General Rapp
verkörpert, Napoleons Adjutanien, der dem Wiener Bürger¬
ander
sohn in der Kerkerzelle die Entscheidung überbringt, ihn der
) von
Militärpatrouille ausliefert, die das Todesurteil zu Pulver
cher¬
und Blei vollstrecken soll. Mehr noch als bei dem Besucher
kolaus
einer einzelnen Theateraufführung maa sich in der Vor¬
stellungswelt des Dichters die Gestalt des Schauspielers um¬
formen, in Eins zusammenwachsen mit der Rolle, die er
1
selbst für ihn geschaffen hat. Jetzt wird der Dichter des
„Medardus“ zu General Rapp, nein, Dr. Artur Schnitzler zu
1
Georg Reimers gerufen, um ihm den Fuß zu strecken und
10
7
einzubandagieren, ärztliche Vorschrift zu erteilen und ein Rezept
„Vom
zu schreiben. Der Dichter hat eben noch einen Beruf, wenn er
Wiener
ihn auch nicht ausübt. Im Wesen des ärztlichen Berufes aber
von
liegt es gerade, daß man sich ihn nicht als Nebenbeschäftigung
Josef
vorstellen kann, und es ist gewiß kein Zufall, daß sowohl
I be¬
Schnitzler wie Schönherr für gewöhnlich nicht ordinieren. Des¬
1 Uhr
wegen hat Schnitzler freilich nie den Arzt vergessen, und wenn
Alfred v. Berger einmal sehr sein bemerkte, daß im Grunde
igen
genommen Artur Schnitzlers Theaterstücke und Novellen samt
er in
und sonders nur von drei Dingen, vom Lieben, vom Sterben
reitag
und vom Komödiespielen, handeln, so mag jedenfalls die tiefe,
er im
vertraute Erfahrung, die jeder Seite anhaftet, welche Schnitzler
zu
über Tod und Sterben geschrieben hat, mit seiner medizinischen
1 von
Vergangenheit zusammenhängen. Man kann auch die Sonde
idiges,
und sogar das Seziermesser desgleichen sozusagen liebevoll
errain
handhaben, und wenn man die Werke Schnitzlers darauf¬
äume,
hin durchblättert, kommt man bald darauf, wie oft und wie
usteil¬
gerne er sich in das Seelenleben von Aerzten vertieft und ihr
mit
Empfinden anatomisch zerfasert hat. Diesmal freilich hat er sich
sogar zur ärztlichen Pruxis zurückfinden müssen. Erfreulicher¬
ittags
weise ein leichter, ein einfacher, durchaus nicht komplizierter
nserer
Fall. Hossentlich finden sich aber Dichter und Künstler recht
der
bald wieder bei anderer Gelegenheit, Schnitzler als Autor und
ihm
Reimers in einer Rolle, die ihm besser gelegen ist als die
sonen
St—g.
so undankbare des Patienten.
Zahl
1#e Preis von Wien“.] Die Absicht,
——