VII, Verschiedenes 11, 1909–1911, Seite 43

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1. Miscellaneons
Bitte Rückseite beachten!
Telephon 12.801.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I, Konkordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minncapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt mauss he Landeszeitung, Karlsruhé
vom 0—
Folgt daraus die Lehre für alle angehenden Schriftsteller: Wenn
Ihr was von München schreibt, dann vergeßt nicht darin zu erwähnen,
oder wenn möglich als Schauplatz zu wählen: 1. das Hofbräuhaus,
2. Schwabing, 3. die Redouten und so weiter. Lokalstudien braucht Ihr
nicht zu machen. Lest dafür ein paar Jugendprobebände à 50 g. Oder
im Cafe den Simplizissimus.
Aber wir reden ja die ganze Zeit von München, statt von Wien?
Je nun, für Wien gilt genau dasselbe. Wir haben nur statt der
Jugend etwa Schnitzler einzusetzen, statt des Simplizissimus Hermann
Bahr — wenn wir so „gebildet“ sind, daß wir das können, heißt das —
das Resultat bleibt dasselbe.
Nur daß es nicht ganz so leicht ist. Denn was wissen wir Leute
von heute eigentlich von Wien? Wir kennen ein paar feine, zarte
Aquarelle und Radierungen von Alt=Wien. Wir wissen, daß es eine
Wiener Mode, einen Wiener Chi? und eine Wiener Küche einmal gab,
und vielleicht noch gibt. Wir erinnern uns an Wiener Walzer, an
die Schauspieler, die Wien einmal der Welt geschenkt hat, und denken
an die Wiener Soubretten und Wiener Schanspieler wie Alexander
Girardi, die uns heute fast allein noch einen Begriff vom Weanerischen
zu geben versuchen. Und wenn wir etwas mehr von Wien kennen, dann
kennen wir (siehe oben) Scmitzler und Bahr. Pötze, Raoul, Auern¬
meistens sehr wenig, nur dem
heimer, Hoffmannsthal
Namen nach, dafür aber Roda Roda ....
Ja, Roda Roda. Der ist nämlich Wiener, trotzdem er in Deutsch¬
land vielleicht bekannter ist, als in seiner Vaterstadt. Trotzdem er, das
heißt seine Schnurren und Geschichten eigentlich für uns zu dem Bilde
gehören, das Deutschland sich von München macht. Und so wie mit
Roda Roda gehts uns mit manchem anderen, mit manchem auch, der gestern
nicht zu Wort gekommen ist. Wenn wir grob sein wollen, dann sagen
wir: Wien ist eine schöne, feine, graziöse Vorstadt zu München. Harm¬
losen Gemütern sei es aber gesagt: nur literarisch und nur für uns
Reichsdeutsche, oder wir müßten sogar sagen: für uns Westdeutsche.
Und für die Norddeutschen vielleicht auch. Für uns alle tritt eben
Wien, das feine, zarte Wien, vor dem derben, kraftstrotzenden München
zurück.
Was für den „Wiener Abend“ von dem oben gesagten gilt, ergibt
sich demnach von selbst. Bleibt nur noch, daß wir noch einmal wieder¬
holen: er war sehr lustig. Die Auswahl war gut, und der Vortrag
noch besser, nein: meisterhaft. Das Publikum, das den Künstler gleich
bei seinem Auftreten mit herzlichem Beifall empfing, fand sich über¬
raschend schnell in die rechte Stimmung hinein, und ging in alle Schat¬
tierungen des Lustigen vom Gedämpft=Sarkastischen bis zum Gedämpft¬
Grotesken mit, am besten allerdings lag ihm das harmlos Fröhliche,
das „Weanerische“. Es dankte auch am Schluß mit sehr starkem und
sehr herzlichem Beifall, der zeigte, daß sich Fritz Herz auf der Bühne
viele Freunde und — vielleicht dürfen wir auch sagen: Verehrer er¬
worben hat.