VII, Verschiedenes 11, 1909–1911, Seite 47

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1. Miscellaneons


aufregen darf. Obgleich Bernard Shaw hinter der Oskar Wilde wären. Wir wissen zudem, daß diese
Probleme sind — dann nehmen Sie sich in achtl
Selbstironie eine kluge Deckung sucht, obgleich er in kleinen Kunstwerke von dem Meister des aphoristischen
Der Ausspruch wurde als politisches Bekenntn
seinem Stücke, das keine rechte Handlung hat, die
Ausdruckes dichterische Form, blitzende Gedanken und
Bernard Shaws sehr bemerkt, er klingt und klirrt aber
Bücher bespöttelt, die der Handlung entbehren; ob¬
satirische Kraft empfangen. ... Wie mühselig windet sich
nur wie eine hohle Schelle und läutet Unsinn aus. Soll
gleich er in seiner Komödie, die von Anspielungen
aber der verdickte und verschwommene Shaw, der ein¬
überhaupt Angst gemacht werden, so hat der Kapitalis
überfließt, nur kranken Narren zumutet, daß sie eine
mal so lebendig war, bis zur Wortspitze durch. Ganze
mus die kleinen Schreiber doch erst dann zu fürchten
Aufhäufung von Anspielungen und logischen Aerger¬
Szenen oder Buchseiten müssen die Umkehrung einer
wenn diese einmal wissen, daß sie keine Problen
nissen ertragen; obgleich die Redewut der Leute in
Wahrheit präparieren, die nicht einmal eine Wahrheit
mehr sind. Wo Bernard Shaw also in „Mesallianz“
„Mesallianz“, die auf der Bühne nur populäre
ist und die Schneide eigentlich gegen sich selbst richtet.
einen ernsten Schritt versucht, gleitet er sofort aus.
Sonntagsvorträge halten, alle Form auseinander¬
Soll man den Sprechmaschinen, die in „Mes¬
Vielleicht ist Bernard Shaw zur Erkenntnis gelangt
treibt, bin ich doch geneigt, Bernard Shaws Be¬
allianz“ zum Reden aufgezogen sind, wirklich nach¬
daß seine Logik jetzt nur noch ein Problem ist —
streben wirklich auf Kunst gerichtet zu sehen. Mich gehen und nachdenken? Die mechanischen Figuren, die
bewegt sich darum zumeist im Kreise unkontrollierbärer
bringt zwar nicht der Inhalt seines Stückes, sondern
da mit lautem Knarren funktionieren, hat Bernard
Schaukelwitze. Er hat es sogar darauf abgesehen, uns
der kostbare Apparat, der für sein Erzeugnis in
Shaw nur umgebildet, nicht geschaffen —, sie haben
mit Witzen zu betäuben, denn er teilt seine Komössfa
Bewegung gesetzt wird, zu der guten Meinung, daß
ihren Ursprung in einer andern dichterischen Welt.
„Mesallianz“ nicht in Akte ab und wünscht, daß wir
wir es hier mit einer Art Kunst zu tun haben. Man
Dem verhungerten Schreiber in „Mesallianz“ ist
uns seinen Aphorismenschatz mit allen Umkehrungen
schreibt doch nicht zweihundert Seiten mit Gesprächen
drei Stunden lang ohne Unterbrechung zu Gemüte
Ulrik Boendel Modell gewesen; die Tochter des
voll, man läßt sie doch nicht drucken, binden, ver¬
führen. Sein Witz ist also schon bedenklicher Natur¬
Wäschehändlers, die in der häuslichen Enge stets ein
spannendes Ereignis herbeisehnt, sich aber indessen mit
In seinen szenischen Anmerkungen zu „Mesallianze
Mrsinen aerschen ud dnn Aoder in cher
einem Schwächling befreundet, ist auf Hilde Wangels
fordert Bernard Shaw in der Mitte des Pavillons
andern, seltsamen Sprache drucken, verlegen, ver¬
eine Tür und einige Stufen, mit denen „die dort aus¬
erstes Erscheinen zurückzuführen, und die Kraftdame
kaufen und aufführen, man erniedrigt sich doch nicht
tretenden Heißwasserröhren“ überdeckt werden sollen!
in „Mesallianz“, die fürs Körperliche schwärmt,
dürch Einschiebung von Schwitzbädern und „Aktuali¬
Bei den Türstufen beginnt plötzlich eine feine Psychan
stammt von Frau Maja ab. Die Distanz ist freilich
täten“, zu denen der dachzerschmetternde Aeroplan
logie des Dichters — das Publikum muß ahnen, daß
ungeheuer, aus Menschen sind Verzerrungen, aus Lebe¬
wie die Aviatikerbrille gehören, man ärgert doch
wesen verkrümmte Fragezeichen geworden.
darunter Heißwasserröhren fürs Schwizbad ver
nicht die Gebildeten und schmeichelt der Unbildung,
borgen sind.
Wo in „Mesallianz“ Gedanken auftauchen, lohnt
wenn man nicht überzeugt ist, auf diesem Wege —
Da „Mesallianz“ im Deutschen Vollstheater ab¬
das Nachdenken nicht, denn sie sind längst voraus¬
Kunst zu erreichen. Aber die Kunst will nun einmal
gelehnt wurde, so wird Bernard Shaw durch seinen
gedacht worden. „Shakespeare betrank sich,“ so ver¬
die Idee. Auch die heitere von Molière bis Offenbach
Siegfried Trebitsch demnächst die geharnischte Er¬
sichert Bernard Shaw, „und Euripides lief aus der
ist von Ideen durchzogen, und um so ernster sind
klärung abgeben, daß die Wiener, die unter den Stufen
Schlacht davon. Aber groß gemacht hat sie das
die Ideen, je freier und lustiger die Form ist, in die
eines Pavillons nicht einmal Heißwasserröhren ver¬
Niveau, zu dem sie sich erheben, nicht das
sie eingekleidet werden.
muten, kein Kunstgefühl, keinen Sinn für Kultur, kein
Niveau, bis zu welchem sie sinken konnten. ...“ Das
Trotzdem — damit im Kampfe zwischen Autor
Verständnis für die Komödie des zwanzigsten Jahr¬
liest oder hört sich wirklich wie ein Gedanke. Doch
und Zuschauer nicht immer der letztere recht behalte —
hunderts besitzen.
niemand hat wohl je geglaubt, daß Shakespeare durchs
wollte man gern auf dramatische Form und klar
Dieses Jahrhundert wird von den ungeahnten
Trinken, Euripides durchs Davonlaufen groß ge¬
gefaßte Ideen verzichten und mit der Aphorismentafel
technischen Fortschritten in Atem gehalten und ist den
worden in Solcher Art sind Bernard Shaws
Bernard Shaws zufrieden sein. Wenn diese
Sentenzen! Oder das Schreiberlein in „Mesallianz“,
Künsten nicht geneigt. Die immense Steigerung des
Aphorismen nur so frisch wie in seinen ersten Stücken,
der Sozialist, ruft dem Kapitalisten zu: „Und ich sage wirtschaftlichen Verkehres treibt in der Kunst
so grimmig wie in Wedekind, so keck und graziös wie in Ihnen, wenn wir Schreiber einmal wissen daß wir Instinkte hervor, die früher nur in der Großindustrie
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