1.
box 41/3
Miscellaneons
K
wären. Wir wissen zudem, daß diese Probleme sind — dann nehmen Sie sich in acht!“
kerke von dem Meister des aphoristischen! Der Ausspruch wurde als politisches Bekenntnis
hterische Form, blitzende Gedanken und Bernard Shaws sehr bemerkt, er klingt und klirrt aber
mpfangen.... Wie mühselig windet sich nur wie eine hohle Schelle und läutet Unsinn aus. Soll
kte und verschwommene Shaw, der ein=überhaupt Angst gemacht werden, so hat der Kapitalis¬
war, bis zur Wortspitze durch. Ganze
mus die kleinen Schreiber doch erst dann zu fürchten,
Buchseiten müssen die Umkehrung einer
wenn diese einmal wissen, daß sie keine Probleme
*
irieren, die nicht einmal eine Wahrheit
mehr sind. Wo Bernard Shaw also in „Mesallianz“
neide eigentlich gegen sich selbst richtet.
einen ernsten Schritt versucht, gleitet er sofort aus.
den Sprechmaschinen, die in „Mes¬
Vielleicht ist Bernard Shaw zur Erkenntnis gelangt,
daß seine Logik jetzt nur noch ein Problem ist — er
steden aufgezogen sind, wirklich nach¬
denken? Die mechanischen Figuren, die
bewegt sich darum zumeist im Kreise unkontrollierbarer
Schaukelwitze. Er hat es sogar darauf abgesehen, uns
Knarren funktionieren, hat Bernard
mit Witzen zu betäuben, denn er teilt seine Komöd#
gebildet, nicht geschaffen
—, sie haben
„Mesallianz“ nicht in Akte ab und wünscht, daß wir
in einer andern dichterischen Welt.
uns seinen Aphorismenschatz mit allen Umkehrungen
rten Schreiber in „Mesallianz“ ist
drei Stunden lang ohne Unterbrechung zu Gemüte
Modell gewesen; die Tochter des
führen. Sein Witz ist also schon bedenklicher Natur.
die in der häuslichen Enge stets ein
In seinen szenischen Anmerkungen zu „Mesallianz“
ignis herbeisehnt, sich aber indessen mit
fordert Bernard Shaw in der Mitte des Pavillons
sing befreundet, ist auf Hilde Wangels
n
eine Tür und einige Stufen, mit denen „die dort aus¬
zurückzuführen, und die Kraftdame
tretenden Heißwasserröhren“ überdeckt werden sollen!
die fürs Körperliche schwärmt,
Bei den Türstufen beginnt plötzlich eine feine Psycho¬
au Maja ab. Die Distanz ist freilich
logie des Dichters — das Publikum muß ahnen, daß
Menschen sind Verzerrungen, aus Lebe¬
darunter Heißwasserröhren fürs Schwitzbad ver¬
ite Fragezeichen geworden.
borgen sind.
Nesallianz“ Gedanken auftauchen, lohnt
Da „Mesallianz“ im Deutschen Volkstheater ab¬
nicht, denn sie sind längst voraus¬
gelehnt wurde, so wird Bexnard Shaw durch seinen
„Shakespeare betrank sich,“ so ver¬
Siegfried Trebitsch demnächst die geharnischte Er¬
Shaw, „und Euripides lief aus der
klärung abgeben, daß die Wiener, die unter den Stufen
Aber groß gemacht hat sie das
eines Pavillons nicht einmal Heißwasserröhren ver¬
dem sie sich erheben, nicht das
muten, kein Kunstgefühl, keinen Sinn für Kultur, kein
welchem sie sinken konnten. ...“ Das
Verständnis für die Komödie des zwanzigsten Jahr¬
sich wirklich wie ein Gedanke. Doch
hunderts besitzen.
hl je geglaubt, daß Shakespeare durchs
Dieses Jahrhundert wird von den ungeahnten
pides durchs Davonlaufen groß ge¬
technischen Fortschritten in Atem gehalten und ist den
Solcher Art sind Bernard Shaws
Künsten nicht geneigt. Die immense Steigerung des
er das Schreiberlein in „Mesallianz“,
ft dem Kapitalisten zu: „Und ich sagewirtschaftlichen Verkehres treibt in der Kunst
ir Schreiber einmal wissen daß wir 1Instinkte hervor, die früher nur in der Großindustrie
oder in der Minenspekulation wohnten. Unsre Dichter|1.
gönnen sich in unseligem Hasten nicht die Zeit, ihre
Werke zur Reife zu bringen — sie werfen Skizzen,
das Material für Dramen, die erst vollendet werden
müßten, die Rohstoffe auf den Markt. In diesem
Betrieb ist eine stetige Entwicklung, der Drang zum
Höheren, der Zug nach oben unmöglich geworden.
König Oedipus bewirbt sich um die Rotunde, die
früher dem wilden Westen und den Aschantis zum
Tummelplatze diente. Die Aesthetik des Barnum ist
klar. Man will mit einem einzigen Griff die Ein¬
nahmen erzielen, die sich sonst auf zehn Abende ver¬
teilen. So wurde der Sprung von den aller¬
intimsten Kammerspielen zum Zirkus des Oedipus
gewagt. Auf den Ort allein kommt es an. Die
Hühneraugenringe haben, wie König Oedipus, die
längste Zeit keine Sensation gemacht und ihre Kunst
erst dann bewährt, als man den Menschen die Idee
eingab, sie „in der Uhr“ zu tragen. Oedipus zeigt
den Weg. Wohin ist Hugo v. Hofmannsthal getaten?
Zirkus und Libretto. Wo stehen nach starkem Anlauf
Gerhart Hauptmann, Wedekind, Sudermann? Axtur
Schnitzler ist der einzige unter den Führenden, der
Ruhe und Haltung bewahrt, innerhalb der Grenzen
seiner Natur unveirrt der sorglichsten Arbeit
hingibt und der Oeffentlichkeit keinen Satz über
antwortet, der nicht ehrlich geformt und durchgebilden
wäre. Sonst allerwegen ein Abstieg, ein sorgloses#
Niedergleiten. Wo hält d'Annunzio? Wo bämmern
die begabtesten der Franzosen? Wo wirhelt Shaws
Man hält mir Schönherr vor. Er war früher mehr
stiller Dichter und ist jetzt mehr packender, los¬
schlagender Szenenmacher. Er war früher tiefer und
reiner — jetzt ist er Eroberer und geht in deutschen
Landen mit der vermeintlichen Tragödie seines
Volkes auf Reisen; er war so klug, sich die Gegen¬
reformation zum Kompagnon zu nehmen.
Dr. Robert Hirschfeld. 10.
box 41/3
Miscellaneons
K
wären. Wir wissen zudem, daß diese Probleme sind — dann nehmen Sie sich in acht!“
kerke von dem Meister des aphoristischen! Der Ausspruch wurde als politisches Bekenntnis
hterische Form, blitzende Gedanken und Bernard Shaws sehr bemerkt, er klingt und klirrt aber
mpfangen.... Wie mühselig windet sich nur wie eine hohle Schelle und läutet Unsinn aus. Soll
kte und verschwommene Shaw, der ein=überhaupt Angst gemacht werden, so hat der Kapitalis¬
war, bis zur Wortspitze durch. Ganze
mus die kleinen Schreiber doch erst dann zu fürchten,
Buchseiten müssen die Umkehrung einer
wenn diese einmal wissen, daß sie keine Probleme
*
irieren, die nicht einmal eine Wahrheit
mehr sind. Wo Bernard Shaw also in „Mesallianz“
neide eigentlich gegen sich selbst richtet.
einen ernsten Schritt versucht, gleitet er sofort aus.
den Sprechmaschinen, die in „Mes¬
Vielleicht ist Bernard Shaw zur Erkenntnis gelangt,
daß seine Logik jetzt nur noch ein Problem ist — er
steden aufgezogen sind, wirklich nach¬
denken? Die mechanischen Figuren, die
bewegt sich darum zumeist im Kreise unkontrollierbarer
Schaukelwitze. Er hat es sogar darauf abgesehen, uns
Knarren funktionieren, hat Bernard
mit Witzen zu betäuben, denn er teilt seine Komöd#
gebildet, nicht geschaffen
—, sie haben
„Mesallianz“ nicht in Akte ab und wünscht, daß wir
in einer andern dichterischen Welt.
uns seinen Aphorismenschatz mit allen Umkehrungen
rten Schreiber in „Mesallianz“ ist
drei Stunden lang ohne Unterbrechung zu Gemüte
Modell gewesen; die Tochter des
führen. Sein Witz ist also schon bedenklicher Natur.
die in der häuslichen Enge stets ein
In seinen szenischen Anmerkungen zu „Mesallianz“
ignis herbeisehnt, sich aber indessen mit
fordert Bernard Shaw in der Mitte des Pavillons
sing befreundet, ist auf Hilde Wangels
n
eine Tür und einige Stufen, mit denen „die dort aus¬
zurückzuführen, und die Kraftdame
tretenden Heißwasserröhren“ überdeckt werden sollen!
die fürs Körperliche schwärmt,
Bei den Türstufen beginnt plötzlich eine feine Psycho¬
au Maja ab. Die Distanz ist freilich
logie des Dichters — das Publikum muß ahnen, daß
Menschen sind Verzerrungen, aus Lebe¬
darunter Heißwasserröhren fürs Schwitzbad ver¬
ite Fragezeichen geworden.
borgen sind.
Nesallianz“ Gedanken auftauchen, lohnt
Da „Mesallianz“ im Deutschen Volkstheater ab¬
nicht, denn sie sind längst voraus¬
gelehnt wurde, so wird Bexnard Shaw durch seinen
„Shakespeare betrank sich,“ so ver¬
Siegfried Trebitsch demnächst die geharnischte Er¬
Shaw, „und Euripides lief aus der
klärung abgeben, daß die Wiener, die unter den Stufen
Aber groß gemacht hat sie das
eines Pavillons nicht einmal Heißwasserröhren ver¬
dem sie sich erheben, nicht das
muten, kein Kunstgefühl, keinen Sinn für Kultur, kein
welchem sie sinken konnten. ...“ Das
Verständnis für die Komödie des zwanzigsten Jahr¬
sich wirklich wie ein Gedanke. Doch
hunderts besitzen.
hl je geglaubt, daß Shakespeare durchs
Dieses Jahrhundert wird von den ungeahnten
pides durchs Davonlaufen groß ge¬
technischen Fortschritten in Atem gehalten und ist den
Solcher Art sind Bernard Shaws
Künsten nicht geneigt. Die immense Steigerung des
er das Schreiberlein in „Mesallianz“,
ft dem Kapitalisten zu: „Und ich sagewirtschaftlichen Verkehres treibt in der Kunst
ir Schreiber einmal wissen daß wir 1Instinkte hervor, die früher nur in der Großindustrie
oder in der Minenspekulation wohnten. Unsre Dichter|1.
gönnen sich in unseligem Hasten nicht die Zeit, ihre
Werke zur Reife zu bringen — sie werfen Skizzen,
das Material für Dramen, die erst vollendet werden
müßten, die Rohstoffe auf den Markt. In diesem
Betrieb ist eine stetige Entwicklung, der Drang zum
Höheren, der Zug nach oben unmöglich geworden.
König Oedipus bewirbt sich um die Rotunde, die
früher dem wilden Westen und den Aschantis zum
Tummelplatze diente. Die Aesthetik des Barnum ist
klar. Man will mit einem einzigen Griff die Ein¬
nahmen erzielen, die sich sonst auf zehn Abende ver¬
teilen. So wurde der Sprung von den aller¬
intimsten Kammerspielen zum Zirkus des Oedipus
gewagt. Auf den Ort allein kommt es an. Die
Hühneraugenringe haben, wie König Oedipus, die
längste Zeit keine Sensation gemacht und ihre Kunst
erst dann bewährt, als man den Menschen die Idee
eingab, sie „in der Uhr“ zu tragen. Oedipus zeigt
den Weg. Wohin ist Hugo v. Hofmannsthal getaten?
Zirkus und Libretto. Wo stehen nach starkem Anlauf
Gerhart Hauptmann, Wedekind, Sudermann? Axtur
Schnitzler ist der einzige unter den Führenden, der
Ruhe und Haltung bewahrt, innerhalb der Grenzen
seiner Natur unveirrt der sorglichsten Arbeit
hingibt und der Oeffentlichkeit keinen Satz über
antwortet, der nicht ehrlich geformt und durchgebilden
wäre. Sonst allerwegen ein Abstieg, ein sorgloses#
Niedergleiten. Wo hält d'Annunzio? Wo bämmern
die begabtesten der Franzosen? Wo wirhelt Shaws
Man hält mir Schönherr vor. Er war früher mehr
stiller Dichter und ist jetzt mehr packender, los¬
schlagender Szenenmacher. Er war früher tiefer und
reiner — jetzt ist er Eroberer und geht in deutschen
Landen mit der vermeintlichen Tragödie seines
Volkes auf Reisen; er war so klug, sich die Gegen¬
reformation zum Kompagnon zu nehmen.
Dr. Robert Hirschfeld. 10.