VII, Verschiedenes 11, 1909–1911, Seite 57

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box 41/3
1. Miscellaneens
Telephen 12.991.
„UDSERTER
1. Jeterr. bekördl. konz. Unternehmen für Zeitunge-Aussehaltte
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petere¬
burg, Toronto.
(Obellenangabe ohne Dewübl.
Ausschnitt aus:
7705 Der Neue wen, Dolin
vom:
Sanen Machen, ahzworteten uns die Direr—

0
Frank Wedekind und die Zensur
dramatischen Arbeiten ein tieferer sittlicher Gehalt
Auf Veranlassung des Verlages Georg Müller
zu finden ist, als es bei oberflächlicher Lektüre oder
in München haben eine Reihe von bekannten Per¬
bei Wiedergabe der tragenden Rollen durch be¬
sönlichkeiten einen Aufruf erlassen, um einen Zu¬
liebige Berufsschauspieler den Anschein hat. Diesen
sammenschluß aller derer herbeizuführen, denen
Beweis zu erbringen, sei dem Dichter, soweit es
„das Schaffen Frank Wedekinds wert erscheint, vor
seine von der Polizei verbotenen Dramen betreffe,
einer systematischen Verdrängung aus der Oeffent¬
ein für allemal unmöglich gemacht. Da er nicht
lichkeit bewahrt zu werden“. Ein Drittel der ge¬
mehr der Jüngste sei, könne es der Polizeibehörde
samten dramatischen Produktion Wedekinds werde,
ein Leichtes sein, eine Interpretation dieser Werke
so heißt es in dem Aufruf, infolge von Polizeiver¬
durch den Autor vollkommen zu verhindern. In
boten an keiner deutschen Bühne zur Aufführung
dem Aufruf wird zum Schluß die Ueberzeugung
zugelassen. Bei der Polizei scheine der Entschluß
ausgesprochen, daß das dramatische Lebenswerk
festzustehen, Wedekind mit seinen Ueberzeugungen,
Wedekinds aus Wahrheitsliebe und Schönheits¬
die er in den zwanzig Jahren nach der Niederschrift
verehrung hervorgegangen sei. Dem bald Fünfzig¬
der Kindertragödie „Frühlings Erwachen“ gewon¬
jährigen wolle man den Weg ebnen, den er gehen
nen habe, auf der Bühne nicht mehr zu Worte kom¬
müsse, um sein Werk vor der ihm drohenden Er¬
men zu lassen. Durch sein Auftreten auf der Bühne
hahe W.K-RI-C.
drosselung durch Polizeigewalt zu bewahren und
daß in manchen seiner
zur vollen Geltung zu bringen. Von den Unter¬
mehrere Werke des betreffenden Schriftstellers
zeichnern des Aufrufs seien u. a. genannt: Her¬
früher einmal von derselben oder einer andern
mann Bahr, Michael Georg Conrad, Louis Co¬
Zensurbehörde beanstandet worden sind. Es kann
rinth, Ludwig Ganghofer, Max Halbe, Karl
daher auch nicht die Rede davon sein, daß das
Henckell, Georg Hirth, Alfred Kerr, Max Lieber¬
Schaffen Wedekinds systematisch aus der Oeffent¬
mann, Heinrich und Thomas Mann, Hans Pfitzner,
lichkeit verdrängt werden solle; ebenso unhaltbar ist
auch der Vorwurf, daß bei der Polizei der Ent¬
Max Reinhardt, Arthur SchnißterMax Sievogt,
Richard Strauß, Feux Weingartner.
schluß feststehe, den Dichter von „Frühlings Er¬
wachen“ auf der Bühne nicht mehr zu Worte kom¬
Von autoritativer Seite wird uns hierzu sol¬
men zu lassen. Wie außerordentlich weit man bei
gendes mitgeteilt: „Von einer prinzipiellen Vor¬
den meisten Zensurbehörden, so z. B. bei der Ver¬
liner Zensur, Frank Wedekind entgegengekommen
eingenommenheit einer Zensurbehörde gegen Frank
Wedekind selbst oder gegen eines seiner Werke
ist, das beweist die Konzession zur Aufführung von
dürfte ernsthaft nicht die Rede sein. Die Werke
„Frühlings Erwachen“ bei dem wahrlich sehr er¬
jedes Autors werden sofort nach ihrer Einreichung
hebliche Bedenken in ästhetischer und moralischer
sachgemäß und mit vollster Objektivität geprüft;
Hinsicht geltend gemacht werden konnten.
vollkommen gleichgültig ist es dabei, ob eines oder
(B. L.=A. Nr. 287.)