VII, Verschiedenes 11, 1912–1913, Seite 30

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ventitterten Räumen des alten, unbequemen Hauses so viel zu bato an die R ühr, sein Stück wird vatig fuhri
friedenheit und Behaglichkeit erwarben. Sie begreifen den Rappel der Premiere löste ihn los aus dem alten Kreise, er stieg hinab
nicht, der die Leute erfaßte, als es an den Umzug ging, und un= ins Parkett, und die Galerie soh mit neidischen Blicken nach ihm.
begreiflich ist es ihnen, daß neben einer modernen Schauspielkunst Aber das dauerte nicht lange. Der Erfolg hielt nicht stand. Nur ein
auch eine alte, wohlakkretierte bestehen durfte. Das ist der paar Jahre verflossen, und nun hat er wieder seinen alten Platz oben
Kampf der Geschlechter, in dem immer die Jugend Recht behält. in der Nähe des blitzenden Lusters. Ihn umwogt ein neues
Die Melancholiker auf der Galerie und in den Logen, die Geschlecht von Hoffenden, er hört ihr kindisches Lallen, er schaut
immer noch den Ton der Wolter im Ohre haben und das in ihre Blütenträume und hat für ihre tönenden Worte ein
Profil Roberts im Auge, bleiben in der Minorität, schüchtern schweigendes Lächeln. Er weiß es besser, wie es mit den
noch zeigen sich die Schwärmer, die der Abschiedsvorstellung im Triumphen ist. Auch die Stammgesellschaft aus dem alten Hause
alten Haus gedenken und des Epilogs, da Sonnenthal die Zeit soll erwähnt werden. Früher einmal, als Studenten, standen sie
pries, in der die Burgtheaterkunst in einem Haus mit Oesterreichs zusammen, jetzt sind sie Advokaten und Richter und sitzen
beieinander.
Kaiserk one durfte wohnen.
In den Pausen tratscht die Galerie und sieht von den
Der Rest geht mit der neuen Aera durch Dick und Dünn und
hohen künstlerischen Bestrebungen ab. Wie sie einstmals um Robert
wendet sich erbittert gegen die Menschenfeinde, die im „Husaren¬
und Krastel Legenden spann, so erzählt sie jetzt von Erz¬
fieber“ eine Schädigung des Burgtheaterorganismus erblicken
herzoginnen, die Stücke verbieten, von Obersthofmeistern, die
wollen.
Der Kaiser ist bis in die letzte Zeit ein treuer Besucher Schauspieler protegieren, von Kainzens Gage und von Frau
des Burgtheaters geblieben, er liebt die heiteren Stücke, lacht Hohenfels, die seit ihrer Verehelichung mit Baron Berger
gern und bleibt auch in den Pausen in seiner Loge. Vom kaiser= bei jedem Auftreten einen Rosenstrauß erhält.
Sie drängen sich in den Queues vor Beginn der Vor¬
lichen Hause sind es sonderlich der Thronfolger Franz Ferdinand,
stellung. Der Dienstmann, der dann seine Karte dem Besteller
Erzherzog Karl Franz Josef und die Töchter des Erzherzogs
übergibt, der galante Student, der für eine Konservatoristin in
Friedrich, die das Burgtheater häufig besuchen. Von fremden
die Schranken tritt, sie sind alle aufs neue erstanden. Und der
Souveränen läßt Fürst Ferdinand von Bulgarien keinen Wiener
„Wasser=Franz“ erzählt ihnen oben, wenn er gut gelaunt ist,
Besuchstag verstreichen, ohne einer Burgtheatervorstellung beizu¬
aus dem Schatz seiner reichen Erfahrungen. Markante Figuren
wohnen.
finden sich unter ihnen, Leute, die einst in Logen saßen und so
Schlenther ist allabendlich in seinem Hause. Er taucht da
tief sanken, daß sie nun höher steigen mußten, und alte, ver¬
und dort auf, kommt auf einen Akt und verschwindet wieder,
witterte Komödianten, die ohne das Theater nicht leben können.
wenn das grelle Licht eine Pause kündet.
Aus den Logen sind die kleinen Komtessen, die einst dem Tönt die Klingel, dann schweigen die Flüsterstimmen, etwas von
Theater den Namen gaben, längst verbannt, es scheint, daß sie der Heiligkeit der alten Burgtheaterstimmung zieht durch den
ins Volkstheater oder zu Jarno übersiedelt sind oder daß sie Raum.
Und nach der Vorstellung harren sie genau so wie ihre Väter
an der Operette Geschmack gefunden haben, im Burgtheater sind
sie heute nicht öfter zu sehen, als man notgedrungen vor dem an den Bühnenausgängen, wissen um die Schleichwege, deren sich die
Eintritt in die aristokratische Assemblee an Schiller, Shakespeare Künstler bedienen, und versuchen es, Sonnenthal und Baumeister“
und Goethe zu sich genommen haben muß. — Die Politik hat die Pferde auszuspannen.
Der Enthusiasmus ist der gleiche, die großen Namen, sind
erst seit kurzem wieder ihr Herz für die Kunst in unserem obersten
serhalten geblieben, es wird ihnen immer unklarer, warum man noch
Schauspielhaus entdeckt. Der Ministerpräsident läßt keine halbwegs
immer von einem glücklichen „alten Burgtheater“ faselt.
wichtige Vorstellung im Burgtheater vorübergehen. Es ist übrigens
A. D.-G.
wahrscheinlich, daß er diese Neigung auch schon früher hatte, nur
stand er als Privatier nicht so sehr unter Kontrolle.
Unter den Titel „Gesellschaftliche Ereignisse“ fällt auch die
Burg=Premiere. Sie ist nun freilich längst keine Sensation mehr,
sondern ein ganz normales Geschehnis. Irgend ein Turf¬
evenement oder das Nikolofest einer wohltätigen Vereinigung ab¬
sorbieren das gleiche Interesse.
Die Premiere von ehemals stellte das ganze literarische
Wien auf den Kopf. Und der Telegraph hatte am Abend nach
der Vorstellung kein dringlicheres Geschäft, als den Erfolg oder
Mißerfolg in die Welt zu posaunin. Die Wiener Aristokcaten in
den Logen, die Wiener Börse, die Wiener Literatur und vor
allem die verständnislosen Beaus, die in den Sa'ons
unmöglich waren, wenn sie nicht von der Burgtheater¬
Neuigkeit plappern konnten, im Parkett. Sie bildeten mit den
Strakosch=Schülern und mit den Konservatoristen auf der Gilerie
ein festgefügtes Ensemble, das allen Premieren den eisernen
Bestand des Hauses sicherte. Die Frage des Tages
lautete zu jener Zeit: „Was sagen Sie zu dem neuen
Burgtheater=Stück?“ Und die Frage von heute ist: „Sie
waren bei der Premiere im Burgtheater?“ Die Selbst¬
verständlichkeit wird zur Rarität. — Das hat wahrscheinlih mitt
dem Rang der Burg nichts zu tun und die Abschwächung des
Interesses ist nur durch die erhöhte Produktion und durch
das Auftauchen neuer großer Bühnen zu motivieren. Aber der
Premierenwert ist nun einmal gesunken und der Triumph des
Burgtheaterdichters, der einstmals in den, dem alten Haus be¬
nachbarten Kaffeehäusern mit mächtigem Schall verkündet wurde,
findet heute nur mehr in jenen Restaurauts und Cafés Wider¬
hall, in denen die Kritiker ihre Referate schreiben. Ein Sitz zur
Burgtheater=Premiere war einstmals ein nicht teuer genug zu
schätzendes Gut, heute ereignet es sich bei Premieren vielfach, daß
Plätze unbesetzt bleiben, die Agiotage hat das Burgtheater längst
ad acta gelegt.
Im Wasserglase stürmt es natürlich noch immer. Die kleine
Schar derer, „die dazugehören“ findet sich tapfer ein. Denn ein
beträchtlicher Teil der großen Gesellschaft läßt sich's natürlich nicht
nehmen, bei der Premiere gesehen zu werden. Die Logen füllen
die normalen Stammgäste, in deren Kreisen es der gute Ton
gebietet, im Burgtheater abonniert zu sein, und auf den Galerien
harrt ein hoffnungsfreudiges, dichterisch und schauspielerisch ver¬