VII, Verschiedenes 11, 1912–1913, Seite 58

är
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1. Miscellaneon—
pert ihn berechtige, jedes Inserat zu verbieten und die Aufnahme
Der Professor setzte seine kühlste Amtsmiene auf. Die Juristen
lich
blätterten verzweifelt in den Akten.
Der Schriftsteller Conan Doyle aber begründete sein Urteil: Der
Rittmeister war ein guter. tapferer Soldat. Er ging nach Afrika,
um eine Liebe zu vergessen, die seine Eltern verwarfen. Er hat Jahre
daran gekrankt. Immer tiefer wurzelte sich das Uebel ein. Er be¬
täubte sich durch Arbeit. Es half nicht. Da nahm er zu Weihnachten
Urlaub. Die Liebste war längst verheiratet, weggezogen aus London.
Er offenbarte sich niemandem. Nur seinem Bruder machte er hier
und da Andeutungen über sich und seinen Gemütszustand. Er
suchte die Frau, trotzdem er wußte, daß selbst, wenn er sie fände, sein
ers
Hoffen aussichtslos wäre. Er begann zu trinken ...
Da wurde der Professor rabiat:
„Liebesgram ist doch keine Todesursache — wenigstens nicht im
physiologischen, rein medizinischen Sinne.“
Conan Doyle antwortete ruhig:
„Medizin verstehe ich nicht — Physiologie auch nicht — aber ich
glaube, ein bißchen versteh' ich mich auf Seelen. Es könnte weder
der Jüristerei noch der Medizin schaden, wenn sie die Geheimnisse der
Seelen mit in ihr Studium hineinbeziehen würden.
Sprachs, verbeugte sich — und ging.
IV.
Diese Geschichte hat einen längstgehegten Gedanken in mir wach¬
gerufen.
Sollten Dichter nicht gute Dienste als Richter tun?
Die Nutzanwendung dieser Idee läßt sich am besten durch Beispiele
beleuchten. Nehmen wir krasse Fälle: Ein Mann hat seine Frau
erschossen. — Die Richter gehen den Tatsachen nach. Sie suchen die
Motive dieser Tatsachen. Sie durchleuchten die Verhältnisse. Weder
große Liebe noch kleiner Haß ist zu finden. Das Motiv kann also nur
im Affekt zu suchen sein. Der Psychiater wird zugezogen. Er soll
die Motive des Motivs finden. Soll erkennen, wo die Ursachen des
plötzlich aufgehetzten Affekts liegen. Manchmal gelingt's. Oft aber
wird der Psychiater nur physische Normalität oder Krankhaftigkeit
konstatieren können. Ist damit irgend etwas erreicht? Der Seelen¬
analytiker, der Dichter kann Hand in Hand mit dem Psychtater ar¬
beiten., Ist keine körperliche Hemmung da und kein physischer An¬
trieb — dann — dann liegt's eben in der Seele. Und diese Seele hht
der Dichter in ihre feinsten Verästelungen verfolgt. Wie wäre es,
wenn Arthur Schnitzler als Sachverständiger der Verhandlung
beiwohnen würde?


M
Oder: ein armes Mädel hat das Schicksal von „Rose Bernd“ erlebt.
Würde Gerhart Hauptmann bei ihrer Verurteilung nicht kostbare
seelische Aufschlüsse geben? Oder ein Mann hat einen Falscheid ge¬
leistet, um die Ehre einer Frau zu schonen. Wären Männer wie
Hermann Bahr oder Rudolf Hans Bartsch nicht kompetent, solche
Fälle zu klären?
Ich habe Beispiele gewählt, die alltäglich sind. In manchem Prozeß.
wo menschliche Leidenschaften Hinter= und Vrdergründe abgeben,
könnten Dichter Gutes wirken. Aber freilich, die Gefahr ist auch nicht
zu vermeiden, daß die dichterische Phantasie aus einer nüchternen An¬
gelegenheit zu viel macht, sie aufbauscht und damit fälscht.
Theaterchronik. In der Krolloper verabschiedet sich
heute, Mittwoch, Emmy Destinn in ihrer Glanzrolle als
Carmen vom Berliner Publikum. Den José wird Adolf Jäger,
den Escamillo Jean Stern und die Mi. Kla Marcella Roeseler singen.
Dirigent ist Hofkapellmeister Rud. Groß.
X Die dritte internationale Krebskonferenz wurde nach
einem Telegramm unseres Brüsseler Korrespondenten gestern in
Brüssel geschlossen. In der Schlußsitzung sprach der Berliner Krebs¬
forscher Georg Meyer über die Organisation der Heilmethoden. Er
sprach sich für die Einrichtung besonderer Krebskrankenhäuser aus,
empfahl aber, einen neutralen Namen für diese Anstalten zu wählen,
damit die Kranken nicht durch das Wort Krebskrankenhaus zu früh
seelisch niedergedrückt würden.
5% Vor dem internationalen Aerztekongreß in London.
Wie uns ein Telegramm unseres Korrespondenten mitteilt, haben sich
für den heute in London beginnenden Internationalen!
Aerztekongreß siebentausend Aerzte angemeldet. Die
Mehrzahl von ihnen ist bereits im Laufe des gestrigen Tages in Lon¬
don eingetroffen. Alle Kongreßteilnehmer tragen kleine Flaggen, um
zu zeigen, zu welcher Nationalität sie gehören und welche Sprache sie
sprechen. Fünfzehn nationale Ausschüsse sorgen für die Interessen der##
einzelnen nationalen Gruppen. Eine Gruppe von zweihundert
deutschen Aerzten und Professoren kam mit einem
besonders gemieteten Dampfer von Hamburg die Themse aufwärts
bis Tilbury gefahren. Von dort fuhren unsere Landsleute in Krem¬
sern und Omnibussen nach ihrem Hotel am Embankment. In der
riesigen Alberthalle war schon gestern ein überaus geschäftiges Trei¬
ben. Alle Logen, die rings um die kolossale Rotunde lausen, sind be¬
reits in Bureaus verwandelt. Vorwiegend wird deutsch ge¬
sprochen, und es war auffällig, wie viele Engländer fähig waren,
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sich auf deutsch zu verständigen. a dehach- seier se.