VII, Verschiedenes 11, 1913–1915, Seite 13



e-Tr
Dr. Hans Müller.
Professor August Stoll.
Dr. Karl Ritter v. Feistmantel.
Professor Josef Müllner.
Rudolf Ritter v. Weyr.
Hofrat Dr. August Fournier.
Hofrat Dr. Anton Ohorn.
Egon Zweig.
Geheimer Hofrat Max Grube.
soll Burgtheaterdirektor werden? weit über den Kreis der engeren Inter¬
Woran hat man nicht alles den Kulturzustand messen wollen!
essenten, der Liebhaber und Habitués, hinaus die Gemüter bewegt.
[Am Seisenverbrauch, sogar an der Zahl der Irrsinnsfälle, und am
Unsere Rundfrage will nicht nur zur Klärung der Anschauungen
Geburtenrückgang. Warum nicht auch an der Bühne? An ihren Theatern
ssollt Ihr sie erkennen!
beitragen, sie will vor allem auch die bestehenden Strömungen und
Tendenzen aufzeigen. Welches ist das Ergebnis? Das wird jeder wohl
Vielleicht spricht allzusehr Lokalpatriotismus aus diesem Vorschlag.
selbst bald herausfinden, wir werden uns wohl hüten, mit zahlenmäßigen
Müßte doch Wien bei Anlegung dieses Maßstabes weit, weit vorn in der
Ergebnissen aufzumarschieren. Denn wer tünstlerische Fragen statistisch
jersten Reihe stehen. Aber die Wiener Theater sind nicht nur gut, sie sind
behandeln wollte, gliche jenem Sonderling, der glaubt, er wisse, wie
auch so mit der Stadt verwachsen, aus ihr emporgewachsen, daß das
eine Blume dustet, wenn er die wohlriechende Substanz chemisch
Interesse an ihnen ein solches für die Lebensinteressen der Metropole
bedeutet. Und aus dieser Tatsache erklärt es sich, daß die Frage: Wer analysiert.

Sie haben dem Burgtheater werkvollere Dienste
rufensten Nachfolger gebeten wurde, in Verlegenheit.
Professor Heinrich v. Angeli,
geleistet, als die Prattiker. Wer berufen werden
so
sagte er
„Es gibt 40 Milionen Deutsche,“
soll, das Szepter in dieser Kunststätte zu ergreisen
dazumal einem Freunde; „darunter nicht vier, die
Maler.
und zu führen, der muß auch mit einigen Tropfen
alen Anforderungen an das Amt eines Buig¬
Der Respekt vor dem Fremdtum steckt den
Poesie gesalbt sein. Routine ist eine angenehme
theaterdirektors genügen können.“ Als würdigsten
Oesterreichern leider zu stark im Blute. Patriotismus
Sache. Bei dem Burgtheaterdirektor wünsche ich alle
Kandidaten bezeichnete Wilbrandt schon Anno 1889,
stut uns not. Glauben Sie, es könnte jemals einem
Rubriken des Befähigungsnachweises mit be¬
zwanzig Jahre zu früh, Alf,red Berger.
(Franzosen einfallen, einen Belgier zur Leitung der
sonderen Noten ausgesüllt. Wenn ich kandidieren
Mittlerweile wurde das Haus am Franzensring
Comédie française zu berufen? Ich bezweifle,
möchte? Unter den in der Oeffentlichkeit genannten
eröffnet, das zu den allen Schwierigkeiten ein
daß sobald einem Oesterreicher die Ehre wider¬
Anwärtern scheint mir Hermann Bahr der
Unmaß von neuen (mangelhafte Akustik, wachsendes
ffahren dürfte, an die Spitze des Königlichen Schau¬
geeignete Mann zu sein. Nicht der Hermann Bahr,
Defizit 2c.) hinzusügte. Jeder neue Direktor soll ein
spielhauses in Berlin oder Dresden gestellt zu
wie er vor zwanzig Jahren in die Arena trat —
Hexenmeister sein, der die Kassen füllt, die Massen
swerden. Unser Burgthealer braucht einen Führer,
der Hermann Bahr von heute, der zwar noch
und die Kenner gleichmäßig durch Muster¬
stark und aufrecht, um sich in Respekt zu
setzen
manchmal in Widersprüchen steckt, der aber ein
aufführungen der Klassiker, Entdeckung und
uund um sich Sympathien zu erobern. Respekt und
ganzer, ein echter Mann ist.
Förderung jüngerer Tichter und Darsteller anregt
Sy#apathien beim Publikum und bei den Künstlern.
und festhält, der großen Stil und Konversationston
Das Burgtheater braucht einen Leiter, der ein¬
mit derselben Ueberlegenheit zu pflegen weiß und
seine Nase besitzt, um auszuspüren, ob hinter
Dr. Karl Ritter v. Feist¬
nach dem Wunsche maßgebender Kreise — wenn¬
leinem jungen Schauspieler ein großer Kerl steckt,
möglich ein Oesterreicher sein soll. Der Wunder¬
mantel,
sob eine junge Begabung imstande ist, aus der
mann, auf den die meisten dieser Voraussetzungen
(Knospe zu springen, zur Blüte zu reisen. Wir
Präsident der niederöstereichischen
zutreffen, lebt. Seine Name lautet: Max Rein¬
[brauchen
einen österreichischen
hardt. Er macht in Berlin augenblicklich volle
Advokatenkammer.
aube! Einen Mann, der die Courage besitzt,
Häuser mit einem in Einzelheiten ansechtbaren, im
Zuerst eine Konstatierung. Ich ergreife an
mit dem Ausstattungsluzus aufzuräumen und der
Ganzen dankenswerten Shakespeate=Zyilus und
dieser Steue das Wort — nicht als Advokat. Ein
Dichtung zum Rechte zu verhelfen. Einen Mann,
vergißt darüber nicht, neue Dramaliker zu Wort
alter, treuer Besucher des Burgtheaters gibt
der für die Kultur der Rede bei dem Nachwuchs
kommen zu lassen. (Beer=Hoffmann, Hofmannsthal,
Antwort auf die ihm gestellte Frage. Ein Be¬
Sinn und Verständnis hat. Zu der modernen
Schmiot=Bonn, Schnitzler, Eulenberg 2c.) Er ver¬
sucher des Burgtbeaters, der sich seine Jugend¬
[Produktion finde ich leider kein Verhältnis. Sie ist
steht sich auf Massenwirkungen in der Rotunde und
schwärmerei für dieses Haus noch immer bewahrt
gewiß großartig — zu meinem Bedauern fehlt mir
wäre zugleich anschlägig genug, die Miniaturbühne
hat, dem köstliche Erinnerungen an vergangene schöne
die Empfänglichkeit für das sogenannte „moderne
des Konzerthauses für Kammerspiele zu nützen.
Abende im Gedächtnisse haften. Auf Grund meiner
Schaffen". Dichtkunst war mir stets Dichtkunst.
Er ist nebenbei — was bei der Besetzung eines
Erfahrungen glaube ich behaupten zu dürsen, daß
Lallen und Stammeln werde ich niemals als Poesie
von Laube, Dingelstedt, Wilbrandt, Förster, durch¬
die Praktiker dem Burgtheakter keinen Schaden
anzusehen in der Lage sein. Wer Direktor des
wegs Reichsdeutscher, rühmlich verwalteten Amtes
zugefügt haben. Es gab Prattiker — dabei denke
Burgtheaters sein soll? Artur Schnitzser. Hugo
meines Erachtens nicht ausschlaggebend sein darf
ich nicht an Handwerker, an Routiniers
Thimig... Letzterer bringtjedenfalls seine
und wird — Oesterreicher. Er wird nur seine
dem Kunstinstitute große Vorteile brachten. War
große Routine mit, kennt, das Theater, weil er sich
gegenwärtige, völlig unabhängige, materiell
Laub,e, dieses Ideal eines Theaterdirektors, nicht
mit ihm befaßt hat. Ein Dichter wird immer
glänzende Stellung, die seinen Künstlerphantasien
ein Praktiker im besten Sinne? Und Dingel¬
einen Gewissenskonflikt geraten. Der Direktor soll
freien Spielraum gewährt, nicht aufgeben wollen.
stedt! Dem waren doch alle Bedürfnisse des
das ihm anvertraute Theater zur Schatzkammer der
Angesichts dieser Sachlage scheint mir Hugo
Theaters ebenfalls kein unbelanntes Land. Die
Literatur erheben, alles Unreine, Unedle fernehalter.
Thimig, so lang er Lust und Kraft hat, das
modernen Dichter von heute, ich bitte die Herren
und dabei „Geschäfte machen“
Findet sich ein
der wünschens¬
Burgtheater zu leiten, weitaus
um Entschuldigung, flößen mir kein Vertrauen ein.
solcher Wundermann, dann heiße man ihn freudigst
Er kennt den
werteste Führer seiner Kameraden.
Ihre Werke haben mich weder erbaut, noch be¬
willkommen.
Hausbrauch wie kein Zweiter
und ist von
geistert, noch amusiert. Einem solchen „Modernen“
unversieglicher Arbeitsfreudigkeit.
die Leitung des Burgtheaters anzuvertrauen, wäre
Oberbaurat Ludwig Bau¬
Zum
sehr riskantes Unternehmen.
ein
Experimentieren ist das Burgtheater nicht ge¬
mann,
Hugo Darnant,
schaffen. Hugo Thimig erfüllte seine Aufgabe
Präsident des Ingenieur= und Architekten.
Maler, Vorstand der Genosseuschaft
mit Takt, mit Klugheit und mit künstlerischer
Ehrlichkeit. Was dem provisorischen Leiter gelungen
vereines, Chefarchitekt des Hofburg¬
bildender Künstler.
ist, wird der definitive Direktor gewiß zu voll¬
baues.
Wer in der Chronik des Burgtheaters
bringen imstande sein. Vielleicht in noch besonderem
Der Dichter ist ein Denker und ein Idealist.
Bescheid blättert, dem tritt eine Tatsache entgegen,
Maße, weil ihn sein Ehrgeiz, seine bekannte
Der Direktor ist ein Lenker und ein Realist.
die übrigens keine Besonderheit der Wiener Hof¬
Liebe für das Burgtheater anspornen werden, auch
Bei dem Dichter steht zu befürchten, daß er
bühne bildet. Ein Ringen, ein Wettbewerb zwischen
als Direktor den Lorbeer zu pflücken. Er braucht
naa, seinem künstlerischen Werdegange, nach dem
Theoretikern und Praktilern. Oder um präziser zu
vor der Größe seiner Sendung nicht zu erschrecken.
ihm vorschwebenden Ideale in einer bestimmten
sein: Zwischen den schaffenden Dichtern und den
Takt, Klugheit und Verständnis hat er schon
Richtung sich bewegt, während der Direktor über
reproduzierenden Künstlern, zwischen dem Schriftsteller¬
bewiesen. Auch das Glück begleitete ihn. Man sollte
den Parteien stehen, sich Universalität des Urteils
direktor und dem Schauspielerdirektor. So oft das
Herrn Thimig nicht ablösen.
bewahren soll.
Amt eines Burgtheaterdirektors — ich erkenne es
Aus diesen Gründen und weil ich die Wahr¬
der Besetzung harrt,
als ein hohes Ehrenamt —
Hofrat Dr. August Fournier,
nehmung gemacht habe, daß unter dem Provisorium
melden sich als Anwärter: Poeten und Darsteller.
Thimig das Burgtheater seine frühere Popularität
Auch diesmal ist das Publikum Zeuge einer solchen
k. k. Universitätsprofessor.
zurückgewonnen hat, bin ich für ein Definitivum
Konkurrenz. Ich bin sonst kein Freund der Ein¬
mit Thimig. Danken wir Gott, daß wir einen
Ich glaube, man sollte Thimig halten.
mengung in Personalfragen. Aber dem Burg¬
solchen Mann für das Burgtheater besitzen.
Jedenfalls sollte man alles daraufhin versuchen.
theater gegenüber, das uns allen als eine Kostbar¬
Er hat — obgleich er nicht die Unterstützung hatte,
keit sonderart, als ein Heiligtum bedeutet, darf
die die Regisseure von ehedem: Sonnenthal, Hart¬
man wohl, wenn auch als Außenstehender, seine
Dr. Anton Bettelheim,
mann, Lewinsky, Gabillon 2c. dem Direktor, oder,
bescheidene Stimme erheben und da kann man wohl
Schriftsteller.
zu einer anderen Zeit, die Kollegen dem Bühnen¬
nicht anders, als an der Hand der Chronik, für
leiter Sonnenthal zuteil werden ließen — das
die Berufung eines Theoretikers, das heißt, eines
Die Frage, die Sie heute aufwerfen, brachte
Schriftstellers von Namen und Rang, eintreten. Amt mit großem Geschick, Glück und Erfolg
bereits vor einem Vierteljahrhundert Wilbrandt,
Man soll die Theoretiker nicht beiseite schieben, geführt: er ist rüstig und arbeitsfroh. Kurz,
der bei seinem Rücktritt um Auskunft für den be¬