VII, Verschiedenes 11, 1913–1915, Seite 25

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— Gus.
Abaes Wiedel Jeuraal, Wier
vom
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Tagesnenigkeiten.
Artur Schnitzter über den Krieg.
Brief an einen Schulfreund in New=York.
Artur Schnitzler hat an einen in New York lebenden!
Schulfreund nachstehendes Schreiben gerichtet: „Aus Deinemsa
lieben Brief ersehe ich, daß Du Dir Sorgen machst um meinesk
und meiner Familie Sicherheit, ja es scheint als zagtest undid
fürchtetest Du für Dein altes Vaterland, für ganz Oesterreich¬
Ungarn. Darüber kann ich Dich nun enschieden beruhigen. Es
geht alles seinen gewohnten Gang und wir sehenr
der Zukunft mit der vollsten Ruye und Zuversichtse
entgegen Freilich, die Not unier den Arbeitslosen istsr¬
groß, aber es sind bereits Wohltätigkeitsorganisationen von
so großem Maßstab in Angriff genommen worden, daß auch
da bald Linderung gebracht werden dürfte Daß man bei euch
drüben den unglaublichsten Gerüchten Glauben schenkte, ist nicht
zu verwundern; denn es ist wohl noch niemals ein Lügengewebe
von so gigantischem Umsang in die Welt gesetzt worden, wie bei
Ausbruch dieses Krieges, und zwar nicht bloß von seiten unserer
Feinde was ja zu erklären wäre, sondern auch von seiten der
sogenannien Neutialen. Das Gesühl des Rechtes hat wohl sellen
in der Geschichte so schöne Blüten getrieben wie gegenwärtig
Deutschland und Oesterreich=Ungarn. Es ist überflüssig, Dir
Neuigkeiten vom Kriegsschauplatz zu schicken, da sie ja beim
Empfang dieses schon von anderen Nachrichten überholt sein
dürshn.
Als es los ging. befand ich mich mit den Meinen im
Engadin Die ganze Welt schien verrückt geworden zu ein Ver¬i
schwinden des Hartgeldes, Schließung von Banken, Einstellung!
des Eisenbahnverkehrs, wilde Gerüchte über Durchmärsche feind¬
licher Truppen usw. waren an der Tagesordnung. Nach vielen
selbstverständlichen — Mißhelligkeiten und Verzögerungen
kamen wir nach Wien zurück. Es ist selbstverständlich, daß jeder
einzelne in irgendwelcher Art etwas für sein Vaterland zu tun
bereit ist, aber all das verschwindet in dem ungeheuren Wirbel
der über Europa fegi, selbst die Taten von Helden, die wir auch
an unseren Gegnern bewundern müssen Es wird wohl erst unseren
Nachfahren überlassen bleiben, nachdem der politische Schleier.
der uns umgab, zeirissen ist. ein klares Bild zu gewinnen.
wenn nicht mehr, wie jetzt, das Stöhnen der Schlachtirlder an
unsere Ohren klingt, und wenn der größte Richter, die Zeit, die
Geschichte dieser Peroode schreibt.
Mit vielen Grüßen an Dich und die Deinen Dein Artur.“
„ „
Ausschnitt aus:
abae Klodes Jbarnal, Wien
vom: 20. HUVTHEE9 191
Ein Brief von Artur Schnitzler.
Wir haben kürzlich einen aus deutschemerikantschen Blättern
hier bekanntgewordenen Brief veröffentlicht, den Artur Schnitzler
an einen in Amerika lebenden Schulfreund richtete. Mit Bezun
auf diese Veröffentlichung sendet uns uun Herr Dr. Arlo¬
Schnitzler folgendes Schreiben:
Sehr verehrter Herr Chefredakteur!
Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß in Ihrem
geschätzten Blatt (vom 17. d.) ein Brief von mir an einen
Schulfreund in Amerika abgedruckt ist. Nun stimmt es allerdings,
daß ich an einen lieben alten Freund in New=York, den ich
seit Jahrzehnten nicht gesehen und gesprochen habe, einen
Brief richtete; der Brief aber, den ich eben im „Neuen Wiener
Journal“ lese und der offenbar aus irgenderner amerikanischen
Zeitung übernommen ist, enthält auch nicht einen Satz, der von
mir versaßt worden wäre. Das Ganze liest sich etwa so, als
wenn mein Otiginalschreiben zuerst ins Englische und dann wieder
ins Deutsche zurückübersetzt worden wäre, beide Male mit einem
solchen Mangel an Sorgfalt, daß nicht nur der ursprüngliche
Wortlaut, sondern an manchen Stellen auch der Sinn, wenn
nicht geradezu ins Gegenteil verkehrt, doch erheblich ver¬
ändert erscheint. Da ich, auch während des Welt¬
krieges, bei den zahlreichen Lesern Ihres geschätzten Blattes
nicht in den Verdacht kommen möchte, mich gegen den
und wäre es auch nur
Geist meiner deutschen Muttersprache —
in einem Privatbrief an einen Schulfreund in Amerika — ver¬
gangen zu haben, so ersuche ich Sie, sehr geehrter Herr Chef¬
bredakteur, höflichst diesen Zeilen an gleicher Stelle, wo die von
Ihnen, selbstverständlich im besten Glauben, übernommene durch¬
aus willkürliche Variation eines zur Veröffentlichung nie be¬
stimmt gewesenen Brieses erschienen ist, gütigst wortgetreue Auf¬
nahme zu gewähren.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
Artur Schnitzler.