VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 9

Miscellaneous
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Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: one
Wien
vor: MAI 195
Der Kücktritt des Burgtheatersekretärs
Dr. Rosenbaum.
Wien, 15. Mai.
Der literarisch=artistische Sekretär der Hofbühne
Dr. Richard Rosenbaum ist nach langjähriger Tätig¬
keit von seiner Stelle zurückgetreten. Die freundlichen
Erinnerungen, die Dr. Rosenbaum in den Kreisen der
Dramatiker hinterläßt, zeigten sich in den Briefen, die wir
auf Wunsch der Autoren nachfolgend veröffentlichen:
Gerhart Hauptmann.
Wiesenstein, Agnetendorf i. R., den 20. April 1915.
Lieber und verehrter Dr. Rosenbaum!
Sie verlassen das Burgtheater. Ihre Freunde haben
den Wunsch, Ihnen bei diesem Anlasse ein Wort zu sagen.
Ich weiß, wie schwer Ihnen dieser Abschied werden muß,
denn ich weiß, wie hingebend Sie das Burgtheater ge¬
liebt haben, ja, daß leben und für das Burgtheater
wirken, für Sie beinahe das Gleiche bedeutet. Danach ist
es schwer, Sie in einem andern, noch so lockenden
Wirkungskreis, auch nur vorzustellen. Aber die Welt ist
immer noch weit und Gott ist überall, lieber Herr Rosen¬
baum. Mir ist nicht bange um den Tüchtigen.
Ihr Gerhart Hauptmann.
Arthur Schnitzler.
Lieber und vere Rosenbaum
Das Amt eines literarisch artistischen Sekretärs, das
Sie 17 Jahre lang am Burgtheater verwaltet haben, war
reicher an Arbeit und Verantwortung als an äußeren
Ehren und sonstigem Gewinn; — trotzdem, denke ich,
werden Sie aus einer Stellung, die so lange Zeit hin¬
durch mehr als Ihre Aufgabe — die beinahe Ihren
Lebensinhalt bedeutet hat, nicht ohne innerste Bewegung
scheiden. Innerhalb dieser Zeit gab es gewisse Uebergangs¬
epochen, in denen Ihnen zu einem höheren Rang als
dem eines literarisch=artistischen Sekretärs kaum etwas
anders gefehlt hat, als ein Titel, der diese Tatsache aus¬
gedrückt hätte; aber auch sonst haben Sie sich stets als
der ordnende, also als ein guter Geist des Burg¬
theaters bewähren dürfen, und wie Sie es getan haben,
kann Ihrem Ehrgeiz vollkommen genügen. Denn Ord¬
nung halten in Ihrem Sinn geht weit über die amtliche
Betätigung hinaus, mit dem der Kreis Ihrer Pflichten
umschrieben gewesen wäre; ohne die Fähigkeit des Ueber¬
blicks und ohne ein lebendig persönliches Verhältnis zu
dem ihm anvertrauten Werk bliebe auch der tüchtigste
Beamte eine Art von P. ant. Das aber, mein verehrter Herr
Doktor, sind Sie niemals gewesen, und so werden Sie für
einen neuen Wirkungskreis, der sich Ihnen ja bald er¬
öffnen dürfte, nicht nur Ihre reichen Gaben und Kennt¬
nisse auf literarischem, theatralischem und administrativem
Gebiet (über die Sie mir weitere Abschiedskomplimente
gern erlassen werden), sondern auch das unverbrauchte
Herz und den offenen und gerechten Sinn mitbringen,
mit denen Sie vor 17 Jahren die Räume betraten, wo
Ihnen bestimmt war, Ihre guten Jugend= und Mannes¬
jahre (die besten kommen noch) in treuen Diensten des
von uns beiden mehr oder minder glücklich, aber be¬
ständig geliebten Burgtheaters hinzubringen.
Sie wissen, daß die Wünsche und Hoffnungen zahl¬
reicher Freunde, unter die ich mich gerne zähle, auf jedem
neuen Weg Ihnen folgen werden; und ich für meinen
Teil bin sicher, wo immer ich Ihnen amtlich und außer¬
amtlich begegnen werde, den liebenswürdigen, wahrhaften
Menschen wiederzufinden, als der Sie sich im Laufe aller
dieser Jahre mir gegenüber immer erwiesen haben, inner¬
halb und außerhalb des Theaters, aus dessen Chronik
r Name als eines in Stille und mit Ernst tätigen Mit¬
arbeiters dreier Direktoren niemals wird schwinden können.
Ihr aufrichtig ergebener
Arthur Schnitzler /
Wien, 5. Mai 1915.