VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 16

Miscellaneous
1.
uenenange¬
ches Tagblatt
Ausschnitt aus: Ostdeutsche Rundschau

vom
Wien

.
K. v. Z. Jawohl, Direktor Weisse räumt das Feld.
und nun wird dem Deutschen Volkstheater hoffentlich eine
schöne Zukunft beschieden sein. Wir brauchen in Wien
eine wirklich künstlerisch geleitete, wahrhaft deutsche
Volksbühne, auf der nicht die Salten und Schnitzler,
sondern die deut¬
en Dichter zu Worte kommen. —


schnitt audienes Wiener Tagblatt, Wien
12011915

(Leichenbegängnisse.) Gestern nachmittag nahm
der Schottenpfarrer Pater Bertold Bayer die
Einsegnung der Leiche des vormaligen Direktors
der Oesterreichischen Zentralbodenkreditbank Doktor
Hugo v. Hofmannsthal vor. Anwesend waren:
der Sohn, der Dichter Hugo v. Hofmannsthal, seine
Gemahlin und die Kinder mit den andern Familien¬
mitgliedern, dann G. d. J. v. Gangl, Geheimer Rat
Franz Graf Hardegg, Ministerialrat Dr. Munk,
Ministerialrat v. Luxardo, Herrenhausmitglied Frei¬
herr v. Berger, Regierungsrat Dr. Baumfeld, Vize¬
präsident der Advokatenkammer Dr. Pfeiffer, Dozent
Dr. Hochsinger, Direktor Gericke, Fräulein Irma
v. Wittek, die Schriftsteller Dr. Kozmian, Vize¬
präsident des Journalisten= und Schriftsteller¬
vereins „Concordia“ Dr. Raoul Auerheimer, Doktor
ur Schnitzler, Regierungsrat Dr. Glossy, Eisner
Advokaten Dr. Perez und Doktor
Sternlicht, kaiserlicher Rat Max Duschnitz, viele
Oberbeamte der Oesterreichischen Zentralbodenkredit¬
bank und Freunde der Familie. Die Beisetzung er¬
folgte im Familiengrabe am Zentralfriedhof. — In
der Karlskirche nahm gestern nachmittag Pfarrer
Pfob die Einsegnung der Leiche des Senats¬
präsidenten a. D. Karl Stransky v. Heilkron
vor, der am 9. d. im Alter von 85 Jahren gestorben
ist. Außer der Witwe, der Tochter und den übrigen
Familienmitgliedern waren zugegen: Präsident des
Verwaltungsgerichtshofes Marquis Bacquehem mit
mehreren Senatspräsidenten und Räten des Ver¬
waltungsgerichtshofes, Sektionschef Ritter v. Hardt
und viele Freunde des Verblichenen. Die Leiche
wurde im Zentralfriedhof beigesetzt.
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Hanns Martin Elster.
Ein Theaterroman.
Ernst Decsey, der Biograph Hugo Wolfs, hat auch schon
mit einem Wiener Roman Glück gehabt. Jetzt legt er einen
Grazer Roman vor, der zugleich ein Theaterroman ist: „Die
Theaterfritz!“ (Berlin, Schuster u. Loeffler). Es ist nicht
unbedingt notwendig, daß sich diese Kulissen=, Logen- und Al¬
kovenvorgänge gerade in Graz zutragen; der Verfasser wird selbst
seinem Komödiantenvolk und dessen Nachläufern nicht das
Typische dadurch nehmen, daß er behaupten möchte, so etwas
sei nur in Graz möglich. Aber er lebt und wirkt in Graz und
ist mit Recht in das Antlitz dieser Stadt verliebt.
Ueberdies gibt sie ihm den scharfen Gegensatz, den er für
seinen romanhaften Vorwurf braucht. Die Theaterfritzl, keine
Theaterspielerin, sondern bloß eine Theaternärrin, ist mit einem
Naturmenschen verheiratet Für sie ist der Bühnenbrodem, für
ihn der Alpenwind Lebensluft. Er betet zu den Bergriesen, sie
zur Primadonna und leider noch mehr zum Operettentenor.
Das kann nicht gut enden, zumal da Fritzl von ihrem Gatten
geliebt wird und dem Operettentenor sehr, sehr nahe kommt.
Aber Ernst Decsey bringt das Kunststück zuwege, daß es doch
gut endet. Zuletzt läßt die Fritzl ihre Theaternarretei und kraxelt
mit hinauf in die Alpen. Es geschieht also eine Seelenumwand¬
lung, eine Bekehrung, ein Erziehungsresultat, ein Klugwerden
durch Erfahrung oder wie man es nennen will. So
etwas ist immer sehr schwer, glaubhaft zu machen. Ob Zu¬
reden hilft, ob ausgestandene Aengste halfen, ob gebrannte
Fritzls das Spiel mit dem Feuer wirklich scheuen, ob
eine so ausgerichte Theaterferin noch kraxeln kann, und wenn, auf
wie lange — um das zu wissen, müßte man diesen Menschen bis in
die tiefsten Eingeweide ihrer Seele sehen.
Doch den Anblick verschafft uns Ernst Decsey nicht. Von der
Kunst Hugo Wolfs liegt die seinige weit ab. Er ist ein allerliebster
Erzähler, um nicht zu sagen: Plauderer. Er schildert sein alters¬
holdes Graz mit dem alpinen Schloßberg mittendrin sehr nett, er
macht artige Verbeugungen vor dem Grazer Altmeister Rosegger.
Andererseits kennt er auch die Komödiantenwelt, Primadonnen¬
streit, Geschäftsspekulation, zigeunerische Umgangsformen, Pre߬
buhlerei, Habituéunfug, Abonnentenarroganz, Schwanken der
„Sterne zwischen Hochmut und Demut, frivoles Spielen mit der
eigenen und anderen Existenzen, aber auch unbedingteste Hingegeben¬
heit an den Lebensberuf. Er erzählt darüber nichts Neues,
kann es auch nicht, denn es ist immer und überall das Alte, das¬
selbe. Aber er erzählt munter, elegant und sorgt durch die seltsame
Geschichte von einem gestohlenen Schmuck auch für „Spannung,
Die Oberfläche der Dinge überzeugt, das Tiefere muß man auf
Treu und Glauben hinnehmen Sollte der feine Mann nicht mehr als
das können? Wenigstens in der von ihm eingeschlagenen Richtung
auf Spielhagen sollte er noch weiterkommen. Vielleicht könnte
er ein durch Schnitzler gemilderter Spielhagen werden. Solange
ein Mensch wertvoller ist als sein Werk, ist das Werk nicht vollendet.
P. S.
Literarische Chronik.