VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 20

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1. Miscellaneous
daß die Höhe der Künstlerschaft nichts mit der hitzigen Verblendung
Kultur —
zu tun hat, zu der sich einzelne Künstler fremder Zunge im Kriege
fortreißen ließen, braucht doch wohl nicht noch einmal bewiesen zu
P. B. Ein Anonymus beschäftigt sich im Feuilleton der
werden.
„Deutschen Tageszeitung“ mit einem Protest Arthur Schnitz¬
Das ist das eine. Was hat Arthur Schnitzler noch mehr getan? Er hat
ters, der sich (im „Journal de Genève) „gegen ihm fälschlich in
seinen Einspruch von dem „sattsam bekannten Herrn Romain Rolland
den Mund gelegte abfällige Aeußerungen über Meister der englischen,
bevorworten lassen“. So sattsam bekannt scheint dieser Romain
französischen, russischen und belgischen Literatur verwahrt hat.
Rolland dem Ankläger doch nicht zu sein. Sonst müßte er wissen,
„Der Einspruch des Herrn Schnitzler" (so sagt die „Deutsche
daß Romain Rolland seinen ersten hitzigen Angriff, der die Antwort
Tageszeitung") „ist von dem sattsam bekannten Romain Rolland, der
Gerhart Hauptmanns herausforderte, längst erheblich eingeschränkt
selbst Gerhart Hauptmanns ruhiges Blut zum Sieden gebracht
hat, so erheblich, daß er nun schon von französischen Zeitungen
hat, bevorwortet worden. Welche Rolle Herr Romain Rollant
wegen seiner deutschfreundlichen Gesinnung beschimpft wird. Wenn
in dem europäischen Geisterzwist spielt, weiß Herr Arthur
er Schnitzlers Einspruch „bevorwortet (ist das wirklich deutsch?)
Schnitzler natürlich ganz genau; daß er sich trotzdem
so tut er wohl nichts anderes, als was jeder an¬
unter eine Führung und Leitung begibt, ist eine Hand¬
ständige Mensch tun wird, der einem anderen öffentlich
lungsweise, für die es eine sehr bündige, allerdings
Unrecht getan hat: er gesteht seinen Irrtum ein und gibt dem fälsch¬
fremdländische Bezeichnung gibt. Welche Wirkungen
lich Beschuldigten das Wort.
solche Schnitzler=Erklärungen in dem uns feindlich gesinnten Ausland
Wir vermögen hierin nichts Schlimmes zu sehen. Wir
machen müssen, liegt auf der Hand. Selbstverständlich werden sie
beklagen und verachten die Schmähungen, zu denen sich an¬
als Beweise für die innere Uneinigkeit der deutschen
gesehene Schriftsteller des Auslandes gegen Deutschland hin¬
Geister ausgeschrien werden. Von diesen Schnitzler u. Co., die sich
reißen ließen, weil sie entweder den Lügenberichten ihres eigenen
selbst bescheiden stets „die besten Geister" nennen, verschweigt die
Landes zu sehr vertrauten oder in greisenhafter Schwäche ihre
freundschaftlich dienende Presse ja immer, daß
Ueberzeugungen dem Rausch der Stunde zum Opfer brachten -
sie nur im geographisch=politischen Sinne deutsch
aber wir sind nicht der Meinung, daß es von besonderer Kultur
sind.
zeugt, diese Schmähungen mit Schimpfworten zu erwidern. Deutsche
Dies ist also der Ton, in dem zur Zeit des Burgfriedens in einer
Künstler, Dichter und Gelehrte haben sich (mit ganz wenigen Aus¬
deutschen Zeitung von einem angesehenen österreichischen Dichter ge¬
gesprochen wird, weil er ein Stammesgenosse jener dem großen Un¬ nahmen) von solcher Schimpferei ferngehalten; das darf uns mit
Stolz erfüllen, denn sie haben dadurch gezeigt, daß ihr vaterlän¬
bekannten so verhaßten Männer ist, die „nur im geographisch=politi¬
disches Gefühl keiner chauvinistischen Erhitzung bedarf, und daß
schen Sinne deutsch sind — Daß viele Tausende dieser Männer
sie jene Kultur im innersten Herzen besitzen, die andere so gern im
zurzeit für Deutschland im Felde stehen, daß viele von ihnen für das
Munde führen.
Land, dem sie nur im geographisch=politischen Sinne angehören
Deshalb scheint uns auch die Auffassung, die sich in dem Angriff
gestorben sind, macht dem Anonymus nichts aus. Er ist sogar so
der „Deutschen Tageszeitung" gegen Schnitzler zu erkennen gibt,
naiv, die Besorgnis auszusprechen, daß Schnitzlers Erklärung in
ein Beispiel von besonderer Kulturhöhe nicht zu sein. Sie ist
dem uns feindlich gesinnten Ausland als Beweis für die „innere
ungerecht in der Begründung, verletzend im Ausdruck. Sie ist aber
Uneinigkeit der deutschen Geister ausgeschrien" werden könne, und
übersieht dabei ganz, daß er selbst gerade durch seinen Angriff einen aus diesem Grunde auch interessant genug, um notiert zu wer¬
den: schon als eine Hindeutung auf die Stelle, von der aus allein
Beweis für diese innere Uneinigkeit herbeiträgt.
in diesen ernsten Tagen immer wieder der Versuch gemacht wird,
Und wie sieht das Verbrechen aus, das einen so überheblichen Ton
gegen Arthur Schnitzler, einen Mann von literarischer Geltung und den inneren Frieden zu stören, den sonst alle Parteien taktvoll auf¬
rechterhalten, und den auch der politische Teil der „Deutschen
untadeligem Charakter, rechtfertigen soll? Schnitzler hat nichts
Tageszeitung" bisher respektiert hat.
weiter getan, als daß er gegen die Verfälschung seiner Worte
Protest erhebt an der Stelle, wo diese Verfälschung ausgesprochen
Wissenschaftliche Nachrichten. Geheimrat Professor Dr.
wurde. Er hat nicht einmal gesagt, daß er die Meister, die er ab¬
fällig beurteilt haben soll, wirklich für Meister halte — obwohl in Eduard Meyer, der berühmte Geschichtsschreiber des Altertums
dieser Ansicht wahrlich nichts Unpatriotisches zu finden wäre! Denn und Professor an der Berliner Universität, vollendet am