VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 31

1.
Miscella
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Heft 1:
Das Neue Österreich.
Seite 62.
„Dies denn, o Christe, war dein erster Tag,
was die innere Allgewalt der Heilandsgestalt
da du sagtest: Nur dem Menschen gib dich gänzlich.
zeichnet.
Und sieh deinen zweiten Tag: Ein Volk zwischen
Christus ist ihm nicht tot, da er nur sechs
Wald und Quell und Blumen, das brauchte dich
Stunden am Kreuze hing (der Lanzenstich wird aus¬
nicht und wollte dich nicht.
geschaltet, die Jünger öffnen das Grab und tragen
ihn in den österlich stillen Garten, wo er zu neuem
Leben erwacht. Auch Pilatus und Procula er¬
Aber, du Verkünder aus Osten! Nun werden
fahren von seinem Wiedererwachen und flüchten
sie alle kommen, die Deinen aus Juda, und
ihn, um ihn vor der Wut des Volkes zu schützen,
werden jene Menschenliebe lehren! Ach, nur ein
zu dem Freunde Tullius nach Rom, in dessen
Zipfel der Liebe, die Gottes Kleid ist.
Blumenvilla an der appischen Gräberstraße Jesus
nun weiterlebt. „Jetzt endlich weilte er zwischen
Mich aber fröstelt und alt werde ich; der
Rosen, und die Rosen blühten hochauf vor lauter
Pan, den die Heiden den Großen nennen.
Liebe und herrlicher Lebenskraft. Er jedoch stand
Denn mich, o Christe, mich hast du damit getötet
still und hager und blaß unter ihnen in dem
wohl für die zweitausend Jahre.“
strahlend weißen Kleide, das ihm Tullius gegeben
And sprach es und wollte, wie in sich selber
hatte, und rührte sich kaum, so daß sie sagten: „Er
verkriechend, ärmlich und demütig und traurig von
ist wie eine Grabsäule mit schmerzlicher Inschrift.“
hinnen. And große Tränen entrollten seinen Augen.
Alles an ihm schien milde Schwermut und
Aber da erstürmte sein Jammer den Traumstillen
nur seine goldbraunen Locken waren reich und
mit unermeßlichen Mitleid und er umschlang den
dufteten jung. Aber in den strahlenden Augen
welkenden Gott und stützte ihn, daß er nicht versänke,
war ein tiefer Traum.
und bat ihn: „Bleibe, bleibe, ich will dich am
„Warum bin ich hierher gestellt und was ist
Herzen halten!
mir für ein Kelch beschieden?" (S. 54.)
And lagen sich beide in den Armen und
Es scheint zunächst, als ob der ganze Aufenthalt
weinten zusammen bitterlich.
in Rom nur um dieses Bildes willen geschaffen sei.
„Aber der schwindende Gott, Dämon zugleich
Aber Jesus ist auch bei Tullius, um dessen
und Sterbender und Kind, zerrann Christo in den
„geheiligt schöner Tochter Julia die Schwermut
Armen" (S. 161).
über die Vergänglichkeit zu erklären. Und als sie
Und Christus vollbringt das Tagewerk seines
seinen Rat, alle Güter hinzuschenken, nicht zu
zweiten Lebenstages, die Erlösung des Tieres.
befolgen vermag, da entweicht er aus der
Dem Cajus, dem künftigen Caesar, wird auf einem
Blumenvilla. Eine neue Wanderzeit beginnt für ihn
hohen Berge ein Sommerschloß gebaut. Esel und
Zunächst kommt er zu dem Töpfer im Gebirge
Pferde müssen den Karren, schwer beladen mit
dem Genügsamen, Zufriedenen. In dieser be¬
köstlichem Marmor, hinaufziehen.
gierdelosen Zufriedenheit, inmitten der viel¬
„An der Wegwende stand der weiße Christus
gestaligen Natur, lernt Jesus eine neue Art der
mit gegeißelter Seele; denn jeder Hieb der
Gotteskindschaft kennen, die ihm später im alten
Peitschen traf ihn selber.
Heiligtum des Pan zur erweiterten Offenbarung
Und er erbarmt sich des unermeßlichen
des Pan, der Allnatur, wird. Der Töpfer braucht
Leides und schilt die Treiber. Da schirren sie ihn
ihn nicht, darum geht er weiter zu den Armen
neben ein zusammengebrochenes Pferd und
Roms, um ihnen den Frieden zu bringen.
zwingen beide, die Last zu ziehen. Und dreimal
Die Armen und Kranken aber fassen in ihrer
sinken beide nieder. Oben auf der Höhe aber bricht
Begierlichkeit seine Lehre nicht. Da verläßt er
Christus zusammen, ein Blutstrom springt aus
auch sie.
seinem Munde. Er wird ins Gebüsch gezerrt und
dort liegen gelassen.
Und in den Frostschauern des Herbstes sucht
„Er aber hatte nur den zweiten seiner Tage
er im Gebirge einen geschützten Winkel und den
erfüllt, und diese Tage sind Legionen an Zahl, den
findet er im Tempel des Pan. Und die gefallenen
auch heute ist er irgend unter uns und sucht der
sterbenden Blätter bergen den Sterbensmüden.
Liebe nach" (S. 169).
Er bettet sich in ihre trockene Wärme und ent¬
Sein Leichnam aber wird von einem deutschen
schlummert. Da erscheint ihm Pan und offenbart
Fürsten dem Meere übergeben, „heimgesandt
ihm, daß der Vater nicht nur im Menschen
in das Land der Entsagung", in das ihm die
sondern in jeglichem Naturgeschaffenen sei (S. 159 ff.):