VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 41

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Miscellaneous
Neues 8 Uhr Blatt.
Wien.
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de
Wien, 2. Dezember.
„Wiener Bummelbriefe.
Ist der Währiger Cottage bei den Leuten des künstlerisch
verklärten Scheins in Mißtredit gekommen? Noch vor wenigen
Jahren hausten in dem smaragdenen Gelände die Meister des
Burgtheaters, bis der Tod durch den Villenort schritt und mit
knöchernen Fingern an die Butenscheiben klopfte, hinter welchen
Koryphen der Hofbühne studierten und sinnierten. Und fragst
Du nach den Riesen, Du findest sie nicht mehr. Adolf
Sonnenthal, Ludwig und Zerline Gabillon, Josef
Kainz, Ernst und Helene Hartmann — heimgegangen.
Versunkene Glocken des Burgtheaters. Römpler und die
Schmittlein ebenfalls eingesagt. Hugo Thimig hat
seine ehemaligen Kameraden überlebt, ist Direktor des kalten
Prunkpalastes auf dem Franzensring geworden. In seinem
blätterum ponnenen Besitz in der Gymnasiumstraße hat sich
der einstige Komiker, der es mit seiner Kunst immer sehr ernst
nahm, ein behagliches Heim eingerichtet, mit seltenen Bildwerken
ausgestattet. Die Sammlung Thimig birgt viele Kostbarkeiten
von Wichtigkeit für die Geschichte des Theaters. Frau Thimig
ist der gute Geist des Quartiers. Leider haben die „Kinder“, die
inzwischen große Menschen wurden, fern von Wien ihre Lebens¬
schifflein verankert: Helene Thing, ein stolzer Besitz des König¬
lichen Schauspielhauses in Berlin, und Hermann Thimig, der
vom Vater die Statur und den Humor geerbt hat. Schade, daß
frühere Direktoren des Burgtheaters diese prächtigen Begabungen
nicht einzufangen wußten oder nicht gewinnen wollten... Ehren¬
bürger des Währinger Cottage ist Artur Schnitzler ge¬
blieben, der Besten einer in deutschen Landen.
Monopol zu werden,
Beim Buchhändler zur Weih¬
Jude tonangebend, aus
in jüdische Hände über
nachtszeit.
und Deutsche sorgten un
Die Vorweihnachtszeit ist Hochkonjunktur für die Welt des
esse für die Literatur
Buchhandels. Bücher gehören zu den beliebtesten Weihnachts¬
für die Litteratur der
gaben, zu Tausenden werden sie in den letzten Adventswochen
thal, Meyrink, Wassern
gekauft und versandt. Als die großen stillen Prediger wandern
Worte Goldsteins imme
sie durch alle Lande, in die Städte und letzten Gebirgsdörfer
auf Charakter und Ver¬
in Studierstuben, an Krankenbette, in die Schützengräben, in die
Ist der Krieg mit
Kammern des in den Fluten schwimmenden Tauchbootes. Es
nicht ein dringender Ap¬
wäre schön, wenn es lauter gute Prediger wären. Aber viel
Für Christen und Oester
häufiger ist das Gegenteil der Fall. Der Büchermarkt ist über¬
von Christentum und
reich, aber seine Durchschnittsqualität ist schlecht. Die schöne
Weihnachtsgaben auf de
Literatur der letzten Jahrzehnte ist vorwiegend Literatur Belangloses; sie sind
des Materialismus und Sensualismus, der Skepsis, der bloßen
Kulturleben. Mächtig si¬
Stimmungen und Gefühleschwärmereien, des Glaubens an mächtiger die Journale
Gold und Diesseits, an Becherklang und lachenden Nymphen¬
reden, reden diese zu Ta=
tanz. Ist Literatur des Glaubens an die Menschheit und
von Büchern die einflu¬
ihren Fortschritt jenseits des Gottesgedankens, ist Literatur der
wahren Bischöfe und Hi¬
menschlichen Selbstherrlichkeitsgefühle, des Titanentrotzes, des
legentlich in bezug auf
Sichberauschens an technischen Entdeckungen und Triumphen,
im Wettelalter, ihre ku
Ist Literatur seichten Weltbürgertums, Literatur zur Unter¬
parallel mit der literar
haltung von Nurgrüblern, Händlern, Epikuriern. Diese Lite¬
literarischen Interesse ihre
ratur ist übermächtig geworden im Zeitalter des Kapitalismus,
beruhe wesentlich auf
und die weitestgehende kapitalistische Organisation von Presse
sormatorenkreise: „Nur
und Buchhandel, nur von Gewinn, nicht von Kulturrücksichten
vollen Bewußtsein von ih
geleitet, sorgt dafür, daß diese Literatur noch überhäufig und
Mittelalters die beherrsche
übermächtig bleibt in Zeiten, wo furchtbare Kriegserlebnisse
die Literatur stand sie an
und Kriegsoffenbarungen den Stab über diese Literatur ge¬
politischen, wissenschaftlich
brochen haben.
ändert sich um das Ja
Derlei Verhältnisse wären nicht möglich geworden, wären
Ländern eine weltliche
nicht möglich, wenn nicht von vielen Bekennern des Idealismus
von der Kirche, dann sog
viel gefehlt worden wäre, viel versäumt würde. Sie sind Christen
Es ist die falsche human
und Patrioten, aber nur in der Kirche oder auf dem Schlachtfeld,
Bewegung. Es war die
nicht beim Zeitungsabonnement, nicht im Theater, nicht beim
guten kirchlichen Tradition
Buchhändler. Sie vernachlässigen auch zur Weihnachtszeit jene
paßten, daß sie die literari
Literatur, die ihrer Weltanschauung und Vaterlandsliebe entspricht
erst dann eingriffen, als die
und lassen sich von den geschäftigen Kommis problematische
Vorsprung hatte. Aber
Ware aus den Fabriken von der Art der Scherl und Ullstein
Kulturentwicklung dreier
aufdrängen. Nicht genug, daß ein Herr Moritz Goldstein von
Unter diesen Umständen so
4½ Jahren anläßlich eines Jubiläums im „Kunstwart“ ver¬
vorsichtiger gehandhabt
sichern konnte, „die Juden verwalteten heute den geistigen Besitz
Wir sind Verräter unserer
des deutschen Volkes", niemand könne die Macht der Juden in literatur vernachlässigen,
der Presse bestreiten, die Kritik sei im Begriff, geradezu jüdisches helfen. Der Weltkrieg hat