VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 43

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Miscellaneous

Deutschland und wir wissen nichts davon. Je mehr unsere
speare, Vondel nicht das Christentum; und verdanken nicht
Literatur von den Modernen, den Modemächten boykottier
auch Goethe und Schiller, die beiden Schlegel und sämtliche
wird, um so mehr muß sie von uns ins Licht gestellt und ver¬
Romantiker „den größten Teil ihres Poesievorrates christlichen
breitet werden. Im Interesse unserer ganzen kulturellen Position
Quellen und Anregungen? Damit kam es ja zum Niedergang
die von der allmächtigen Literatur, wie schon hervorgehoben
der modernen Literatur, wie der Kultur überhaupt, daß sie sich
wesentlich bestimmt wird. Im Interesse auch der Entwicklung
von der Logik und Ethik, von den großen Ueberzeugungen und
unseres Schrifttums, die um so reicher sein wird, je größer das vor¬
Willensantrieben der alten Religion löste, und, einmal dem
stehende Publikum und das fördernde Mägententum. Genies singen
Subjektivismus verfallend, auch aller Enge und Ver¬
ihr Lied unbekümmert um Beifall oder Boykott, singen noch
Vor sieben Jahren hat ein
äußerlichung verfiel.
moderner Kritiker selbst, der bekannte Literat Kar
auf dem Mithauen, wie Joh. Der Entwicklungsgang der
Scheffler, diesbezüglich ein interessantes Geständnis abgelegt
Talente aber läuft nicht unabhängig von äußeren Erfahrungen
ein Geständnis, das gewissen Modeschwätzern und ihren Nach¬
So manche la ente, noch ringend und suchend, noch nicht fertig
betern in den Ohren gellen mag: „Wer geht nicht, bei größtem
in der Ueberzeugung, geraten ins Gegnerlager, wachsen in
Wohlwollen für die neue architektonische Kunst, schließlich
fremde Welten und Glaubensbekenntnisse hinein, Talente, die
immer wieder zur Baukunst der Alten, die nicht nur gute
sich positiv in unserm Sinn hätten entwickeln können, wenn
Grundsätze und Tendenzen darbietet, sondern lebendig amende
ihnen nur auf Seite der Position nicht bloße Verständnis und
Schönheit! Wer liebt die an uralten Traditionen erzogene
Interesselosigkeit entgegengegähnt hätten. Es ließe sich da
Malerei des alten Holland und Italien nicht mit temperament¬
manch Interessantes über Typen wie Rosegger und Bartsch er¬
vollerer Zärtlichkeit als die des eigenen Landes! Wem impo¬
zählen Die Gegner schnappen nach jedem Talent, suchen
niert nicht eine rechte, männliche Gottgläubigkeit mehr als der
das Werden seiner Weltanschauung in ihrem Sinn zu
monistisch=darwinistische Mischmasch ganz moderner Philosophie
im Fall des Gelingen
füttern es
beeinflussen,
Und wem macht nicht die von hundert Vorurteilen durchsetzte
— ist auf unserer
reichlich mit Gold und Ruhm
einfache Moral des Bauern mehr Freude als die mora infreie
Seite nicht dasselbe werktätige Interesse für werdendes Lite¬
Aufgeklärtheit der Literarischen! Der Ewigkeitssinn
ratentum nötig? Müssen unsere Literaten prinzipiell Märtyrer
ist einer ganzen Generation getrübt und
sein, Märtyrer, wie Eichert, Pfenner, Gangl Wie weiter
darum auch der lebendige Zeitsinn. Die vom
könnten wir am Ende in unserem gesellschaftlichen, staatlichen
Vorurteil Befreiten sehen Chaos außer sich, weil es
auch wirtschaftlichen Sein fortgeschritten, wie gesünder könnten
in ihnen ist. Sie gelangen nicht zur höheren Freiheit,
wir sein, wenn wir ebenso ein Schrifttum zu unseren Gunsten
weil der Stolz auf ihr bißchen Freidenkerei, die Furcht vor der
gefördert hätten wie die Geldbourgeoisie, die Kapitalistenwelt
Unfreiheit sie daran hindert. Daher diese epidemisch grassierenden
eines in ihrem Sinne? Wäre Oesterreichs Kraft heute nicht noch
Vorurteilslosigkeitsideen in denen doch ebensoviel Vorurteil
viel stärker, wenn in seiner Presse und Literatur immer minde¬
enthalten ist wie im trübten Philistermeinen. Darum ist aus
stens ebenso stark der Heldengedanke und Heimatglaube als das
dem Willen zur Freiheit nur eine Geheimkultur hervorgegangen,
seichte Weltbürger- und „Fremdium sich durchgesetzt hätten
die nicht ins Volk, nicht in die Tiefe und nicht zur Höhe des
Wäre es z. B. nicht auch wirtschaftlich besser un
nationalen Lebens zu dringen vermag.
uns bestellt, wenn wir Dichter des sozialen Ge¬
dankens, der sozialen Gerechtigkeit gefördert hätten? Wären
Eine reiche Literatur besteht auf christlicher Seite, man
gewisse Ausschreitungen der Plutokratie der letzten Jahrzehnte
muß sie nur finden wollen. Sie wird zwar von der in der
möglich, wenn in der Literatur und im Theater die
Hand Fremder monopolisierten Kritik fast ganz totgeschwiegen
Plutokraten ebenso aufs Korn genommen worden wären, wie
und der Buchhandel schließt sich praktisch weithin ganz bewußt
von ihren Literaten die Junker und Pfaffen; wenn die Pluto¬
dem Boykott der offiziellen Literaturreferenten an — aber
kraten die Ueberzeugung hätten, daß die Sonne der Literatur
müssen wir eins von diesen Tatsachen knechten lassen
ihre Schandaten beleuchtet, daß Literaten bereit stehen, nicht
Für die Modernen ist das Catholica non leguntur,
minder gegen sie ihr in Tyrannos in glühenden Bildern vor
non laudantur, non propagantur (Katholika werden nicht gelesen
den Massen zu predigen, als es seinerzeit Schiller gegen die
gelobt, verbreitet selbstverständlich. Maximilian Harden kon¬
statiert gelegentlich: „Eine große katholische Literatur lebt in Tyrannen auf den Thronen predigte
Tausende und Tausende Be¬
als Weihnachtsgaben gekauft un
des Christentums bei der Auswa
sein, jenen Stolz und Freiheits
von Modemächten an den Tag
Wir sind nicht nur in Hinsicht
wir sind auch reich an besser Ge¬
nur wahrhafte Literatur will, d.
lich den Wortrunk suchenden
Feuilletonismus und Nervensch¬
Geist, Charakter und Ideen. (Se
thal schöner singen können soll
doch ein einziges Bändchen von
sämtlichen Werke von zehn
weil Kralik überreich an
etwas sagt, während
Bänden nichts sagt.) Leider
menschen allzusehr vom bloßen
die Ideen zu werten. Schon Hel
Ausdrucks findet weit mehr Be¬
Idee. Und doch ist sie nichts.
Literatur und sollten mit ihrer
warten, bis das Lob der Ander¬
Jahren schrieb, anläßlich eines
Liberale Max Lorenz im Berline
und katholischen Literatur= und
dieser in der Tiefe von Jahrtau
geheuren Schicksalen erprobt
nicht gelingen, das bißchen me
verschlingen? Man nehme ein
modernsten Lyrikern, einem
schwelgenden Stimmungskünstler
wessen Stimmungsgehalt und we
katholischen Kirche wetteifern an=
derten angehäuft und wie es in
von Jahrhunderten herübergekom¬
naturalistisch-romantische Geist
schen Spielereien in seiner Kleinlich
sich die Christen, die in diesen T.
bewußt sein, daß eine große chrif¬
Literatur besteht und daß es im
heimsuchung zwiefach, Verrat
Verrat an der besseren Kultur
lagen bedeutet — wenn diese Lit¬
Modeware vernachlässigt wird.