VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 44

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Miscellanos
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Deutschland und wir wissen nichts davon." Je mehr unsere
istentum; und verdanken nicht
Literatur von den Modernen, den Modemächten boykottiert
sie beiden Schlegel und sämtliche
wird, um so mehr muß sie von uns ins Licht gestellt und ver¬
ihres Poesievorrates christlichen
breitet werden. Im Interesse unserer ganzen kulturellen Position¬
damit kam es ja zum Niedergang
die von der allmächtigen Literatur, wie schon hervorgehoben
der Kultur überhaupt, daß sie sich
wesentlich bestimmt wird. Im Interesse auch der Entwicklung
den großen Ueberzeugungen und
unseres Schrifttums, die um so reicher sein wird, je größer das vor¬
Religion löste, und, einmal dem
stehende Publikum und das fördernde Mäenatentum. Genies singen
auch aller Enge und Ver¬
ihr Lied unbekümmert um Beifall oder Boykott, singen noch
sieben Jahren hat ein
auf dem Mithauen, wie Job. Der Entwicklungsgang der
der bekannte Literal Karl
Talente aber läuft nicht unabhängig von äußeren Erfahrungen
interessantes Geständnis abgelegt,
So manche la ente, noch ringend und suchend, noch nicht fertig
Modeschwätzern und ihren Nach¬
in der Ueberzeugung, geraten ins Gegnerlager, wachsen in
tag: „Wer geht nicht, bei größtem
fremde Welten und Glaubensbekenntnisse hinein, Talente, die
architektonische Kunst, schließlich
sich positiv in unserm Sinn hätten entwickeln können, wenn
der Alten, die nicht nur gute
ihnen nur auf Seite der Position nicht bloße Verständnis und
bietet, sondern lebendig amende
Interesselosigkeit entgegengegähnt hätten. Es ließe sich da
in uralten Traditionen erzogene
manch Interessantes über Typen wie Rosegger und Bartsch er¬
Italien nicht mit temperamen¬
zählen Die Gegner schnappen nach jedem Talent, suchen
eigenen Landes! Wem impo¬
das Werden seiner Weltanschauung in ihrem Sinn zu
sche Gottgläubigkeit mehr als der
füttern es im Fall des Gelingen
nasch ganz moderner Philosophie
beeinflussen,
ist auf unserer
reichlich mit Gold und Ruhm
hundert Vorurteilen durchsetzte
Seite nicht dasselbe werktätige Interesse für werdendes Lite¬
nehr Freude als die moralinfreie
ratentum nötig? Müssen unsere Literaten prinzipiell Märtyrer
! Der Ewigkeitssinn
sein, Märtyrer, wie Eichert, Pfenner, Gangl Wie weiter
meration getrübt und
könnten wir am Ende in unserem gesellschaftlichen, staatlichen,
ndige Zeitsinn. Die vom
auch wirtschaftlichen Sein fortgeschritten, wie gesünder könnten
Chaos außer sich, weil es
wir sein, wenn wir ebenso ein Schrifttum zu unseren Gunsten
en nicht zur höheren Freiheit,
gefördert hätten wie die Geldbourgeoisie, die Kapitalistenwelt
in Freidenkerei, die Furcht vor der
eines in ihrem Sinne? Wäre Oesterreichs Kraft heute nicht noch
daher diese epidemisch grassierenden
viel stärker, wenn in seiner Presse und Literatur immer minde¬
denen doch ebensoviel Vorurteil
stens ebenso stark der Heldengedanke und Heimatglaube als das
Philistermeinen. Darum ist aus
seichte Weltbürger- und „Fremdtum" sich durchgesetzt hätten?
seine Geheimkultur hervorgegangen,
Wäre es z. B. nicht auch wirtschaftlich besser um
die Tiefe und nicht zur Höhe des
uns bestellt, wenn wir Dichter des sozialen Ge¬
vermag."
dankens, der sozialen Gerechtigkeit gefördert hätten? Wären
steht auf christlicher Seite, man
gewisse Ausschreitungen der Plutokratie der letzten Jahrzehnte
Sie wird zwar von der in der
möglich, wenn in der Literatur und im Theater die
en Kritik fast ganz totgeschwiegen
Plutokraten ebenso aufs Korn genommen worden wären, wie
ich praktisch weithin ganz bewußt
von ihren Literaten die Junker und Pfaffen; wenn die Pluto¬
Literaturreferenten an — aber
kraten die Ueberzeugung hätten, daß die Sonne der Literatur
en Tatsachen knechten lassen?
ihre Schandaten beleuchtet, daß Literaten bereit stehen, nicht
das Catholica non leguntur,
minder gegen sie ihr in Tyrannos in glühenden Bildern vor
(Katholika werden nicht gelesen,
den Massen zu predigen, als es seinerzeit Schiller gegen die
dich. Maximilian Harden kon¬
roße katholische Literatur lebt in Tyrannen auf den Thronen predigte
Tausende und Tausende Bücher werden in diesen Tagen
als Weihnachtsgaben gekauft und versandt. Mögen die Bekenner
des Christentums bei der Auswahl derselben jenes Selbstbewußt¬
sein, jenen Stolz und Freiheitssinn, jene vornehme Verachtung
von Modemächten an den Tag legen, wie sie Christen geziemen.
Wir sind nicht nur in Hinsicht auf die Vergangenheit überreich,
wir sind auch reich an bester Gegenwartsliteratur. Wenn man
nur wahrhafte Literatur will, d. h. nicht bloßen seichten, ledig¬
lich den Wortprunk suchenden und die Stimmung pflegenden
Feuilletonismus und Nervenästhetizismus, sondern Literatur voll
Geist, Charakter und Ideen. (Selbst wenn Hugo von Hoffmanns¬
thal schöner singen können sollte als Richard v. Kralik, so ist
doch ein einziges Bändchen von letzterem mehr wert als die
sämtlichen Werke von zehn Hoffmannsthal zusammen,
weil Kralik überreich an Ideen ist, in jeder Zeile
etwas sagt, während Hoffmannsthal in ganzen
Bänden nichts sagt.) Leider lassen sich die Durchschnitts¬
menschen allzusehr vom bloßen Stil packen, anstatt die Inhalte,
die Ideen zu werten. Schon Hebbel llagte: „Die Poesie des
Ausdrucks findet weit mehr Bewunderer als die Poesie der
Idee. Und doch ist sie nichts." Wir sind überreich an eigener
Literatur und sollten mit ihrer Förderung nicht immer erst
warten, bis das Lob der Andersdenkenden kommt. Vor zehn
Jahren schrieb, anläßlich eines deutschen Katholikentages, der
Liberale Max Lorenz im Berliner „Tag“ also über modernen
und katholischen Literatur= und Kunstgeist: „Wie, es sollte
dieser in der Tiefe von Jahrtausenden wurzelnden und in un¬
geheuren Schicksalen erprobten katholischen Weltmacht
nicht gelingen, das bißchen modernen Geist unserer Tage zu
verschlingen? Man nehme einmal einen von den hyper¬
modernsten Lyrikern, einem dieser in Mystizismus
schwelgenden Stimmungskünstler, und man vergleiche einmal,
wessen Stimmungsgehalt und wessen Kunstkönnen mit dem der
katholischen Kirche wetteifern kann, wie es sich in Jahrhun¬
derten angehäuft und wie es in unsere Zeit aus dem Abgrund
von Jahrhunderten herübergekommen ist! Erscheint dann der
naturalistisch-romantische Geist unserer Tage mit seinen mysti¬
schen Spielereien in seiner Kleinlichkeit nicht lächerlich?“ Mögen
sich die Christen, die in diesen Tagen Weihnachtsbücher kaufen,
bewußt sein, daß eine große christliche und wahrhaft patriotische
Literatur besteht und daß es immer, nach der blutigen Kriegs¬
heimsuchung zwiefach, Verrat am Credo und am Vaterland,
Verrat an der besseren Kultur von morgen und ihren Grund¬
lagen bedeutet — wenn diese Literatur zugunsten zweifelhafter
Dr. Eberle,
Modeware vernachlässigt wird.