VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 51

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Miscellanos
tsche Tagblatt

Ostdeutsche Rundschau
Wien
Kunst und Bühne.
Wien, 28. März.
Die Zukunft des Burgtheaters. Man schreibt uns:
Fürst Montenuovo hat keinen Einfluß mehr auf das
Burgtheater. Unser junger Kaiser hingegen ist ein
allem Edlen und Schönen zugänglicher Machthaber,
Also steht zu erwarten, daß der Direktionswechsel im
Hoftheater einschneidende Aenderungen mit sich brin¬
gen wird. Eingeleitet dürfte der Reinigungsprozeß
werden durch das Fallenlassen der Schulerstück
und ähnlicher Bühnenware. Nimmt der neue Direktor
seine Aufgabe ernst, so kann das Burgtheater wieder zu
jener vornehmen Höhe gelangen, die es einst (Laube!)
behauptete; mustergültig als Bildungsanstalt
für die Bühnen der Residenz und für jene der Pro¬
vinz. Auch das wäre ein bedeutender moralischer
Erfolg unserer sogenannten großen Zeit.
Fr. G.
hatte.
Rede ausgebrochen wäre, von Hr.
Opposition der Anhange.
der Ehre ausgenommen.
zeugung us, daß diese
alten Isolierungspolitik zu erwarten. Diese Partei wird
Agrarreform bilden müsse
ihre Gründe geltend machen, die dagegen sprechen, daß Bündnisse
Wilson erklärt, daß Amerika ganz uneigennützig, nur zur
men wird und die von un¬
irgendwelcher Art mit irgendwelcher europäischen Nation eingegangen
Vertretung der Menschenrechte in den Krieg eintrete.
der Oeffentlichkeit als For
Wie, mein Herr," hätte er gerufen, „wir, die kostbarsten
heimnisvollen Richterkollege
Instrumente des schaffenden Künstlers, die seinen Gedanken Ton und
Kultur und Theater.
Kirche Machtmittel erlang
Leben geben, die sie deuten und tragen, ja, die das Geschaffene selbst
falls mittelalterlicher
nicht selten umschaffen müssen, um es den Herzen der sehnsuchtsvollen
in offener Brief an Fritz Engel.
verschaffen. Bereits sollen
Menge näher zu bringen, wir, unsere Kunst, unsere Schauspielkunst.
Nachdruck verboten.)
soll mit der dramatischen Kunst nichts zu tun haben? Herunter von bandes aufmerksam gemacht
Sehr geehrter Herr Engel.
der Verband eine gewicht
Ihrem Sitz, Präsident — weil Sie ein böser Kunde sind
Sowohl ich nicht von der überalen Weisheit des „Berliner
Umständen eine aus irge
So ähnlich hat sich jener Prinz im Reiche der Schauspielkunst no¬
Tageblatt eingewickelt bin, wie sich Dr. Seelig (Mannheim) in der
liebige Erscheinung.
kurz vor seinem Tode oben auf dem Rigi gerade über den Zusammen¬
Debatte der Bühnengenossenschaft über den Kultur¬
von der Bühne abführen
hang zwischen Schauspieler und Dichter zu mir geäußert. Wahrlich, ich
verband mehr kühn als treffend ausgedrückt hat, möchte ich
Nicht darum handelt
glaube, wir alle von der kritischen Feder haben eine höhere Auf¬
offentlich zur Verteidigung Ihrer Warnungstafel den Degen ziehen,
und so die allgemeine
fassung von den Aufgaben der Schauspieler als ihr Präsident. Und
die Sie am 2. April an dieser Stelle in Ihrem von ehrlicher Liebe zur
sondern um die Gefahr der
seltsam ist es, daß bei seinen Worten in dem Parlamente kein Sturm
Kunst getragenen Artikel „Mißtrauen errichtet haben.
heim, wie Sie es so richt
losbrach, daß sie allen Mitgliedern wie etwas Selbstverständliches
zwischen hat sich die Bühnengenossenschaft leider der Ansicht ihres
Spielplan der deutschen Be¬
erschienen.
renten angeschlossen und ist dem Theaterkulturverband (dieses
Mit Recht haben Sie daher
So nun, wie die Genossenschaft den Verband zur Förderung
Wort allein ist ohne leise Seekrankheit nicht zu bewältigen) bei¬
auch Ihre Warnung von
getreten. Das hindert nicht, daß sich diejenigen zusammenscharen, deutscher Theaterkultur ihren Zwecken ganz offen dienstbar machen
schlagen worden ist, wenn
will, besteht die Gefahr, daß dieser Vorwand von Moralisten oder
denen es heiliger Censt ist um die Freiheit der Kunst, die wissen, daß
ausgesetzt wurde, so ist zu
Sittenlehrern — vielleicht in bester, erzieherischer, aber dennoch
deren hehre Standarte nur la freier Luft leuchten kann, sern vom
lichkeit nicht verfehlen wird
kunstfremder Absicht — ausgenutzt wird, um durch ihn die Kunst
aber der Parteien, von Verinflussung durch Staat und Kirche, hoch
Jn dieser Hoffnung be=
zu fesseln oder vor den kläglichen Karren einer Tendenz zu spannen.
über den Köpfen aller Phariser und Schriftgelehrten, die sie ihren
die Freiheit der Kunst
Als ob die wahre Kunst nicht das eigene Licht von Moral und Sitte
Zwecken vorantragen möchten, und fern endlich von dem bedenklichen
Dr. jur.
in sich trügel Als ob ihr selbst die höchste, vaterländische, patriotis¬
Konzel zu Hildesheim.
8. Hauptschrift
Wie recht Sie in Ihrer Warnung haben, beweist Richtlinie vorgeschrieben werden könnte, wenn sie nicht aus sie
selbst heraus eigenen Gesetzen folgend, diese Wirkung auslöst
allein die seltsame Begründung des Herrn Nickelt für
Theaterchronik.
Wie wenige gibt es die sich dieser Unantastbarkeit der Kunst die
seinen Beitritt zum Kulturverband Ganzen sprich
im Innern bewußt sind! Ja, wenn wir sicher wären, daß nur solche wirken am heutigen No
er aus, daß ihm der Kulturverband als Mittel zur Er
für die sechste Kriegsanlei¬
Wissende in den Verband mit dem schrecklichen Namen aufgenommen
reichung des Reformwerkes der Bühnengenossenschaft
und Walter Kirche
würden — Würde man aber solchem Optimismus schon mit Recht
erscheine. Da haben wir es schon. So freudig auch das Gelingen
In den heute im
mißtrauisch begegnen können, so ist Mißtrauen ein noch zu gelinde
Nationaltag der der
dieses Reformwerkes zu begrüßen wäre, es berechtigt den Genossen
Wort, wenn Urteile von leitender Stelle des Verbandes laut werden,
anleihe werden die neuer
schaftspräsidenten nicht, die Standarte der Kunst von dem einsamen
Komponisten und Herrn
wie das über Schnitzler, das Herr Bernhardy zitiert hat.
Hügel herunter zureißen, um sie für einen sozialen Zweck aufzupflanzen.
während der Pause zwische
Sie, Herr Engel, wollen ja keineswegs behaupten, daß sich inner
Wenn Nickelt den sehr begründeten Einwänden Vernhardus entgegen
gramms im Konzertsal.
halb des Verbandes nicht Persönlichkeiten befänden, die die gleiche
hält, er habe zwar als Kritiker aufgezeichnet, über als Genossen¬
Im Deutschen The
hohe Auffassung vom Wesen der Kunst betätigen wie Sie. Sie werden
schafter sehr schlecht gesprochen, so möchte ich wissen, wie ander man
„Der Geizige gegeben.
ihnen auch nicht das Recht bestreiten wollen, gemeinsam Versuche zu
von der Kunst reden könnte, denn als Kritiker, das ist als Wahre
ferner sind in
rolle;
unternehmen, um Mißstände auf dem Theatergebiet zu bekämpfen
ihrer Interessen. Nur mit äußersten Befremden kann man aus
Thimig, Joseph Dan
Ich selbst habe vor zwei Jahren im „Berliner Tageblatt" gegen Aus
Christians, Paul
dem Munde des Präsidenten des Schauspielerparlamente
wüchse im Theaterleben Front gemacht und dabei den Gedanken eines
führt Max Reinhard
vernehmen, daß die dramatische Literatur die Schauspieler
Bundes zur Verhütung von Geschmacklosigkeiten aufleben lassen
Im Kleinen Thea¬
richts angebe, daß die Schauspielkunst mit der
Zwischen hier und Hildesheim jedoch gähnt eine Kluft. Während hier
heutigen Vorstellung von
dramatischen Kunst nicht zu tun habe. Ich hätte
eine Vereinigung von Männern angestrebt wurde, bereit, mit Wort und
Kriegsanleihe von
das Gesicht des seligen Kainz bei solchen Worten sehen mögen! 20
der Komische
Schrift für die Hebung des Geschmacks zu streiten, nicht im purpurnen
ein Florett, das man zerbrechen will, wäre er von seinem Sitze auf¬
Machtmantel des Nichters, sondern im wien Meinungs=Austausch vor Majestät zugunsten der
schnellt.

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