VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 54

Miscellaneous
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)


a

Husschnitt aus:
Pester Lloyd, Budapest
vom


Theater, Kunst und Literatur.
Das Schönheitsideal des neuen Burgtheater¬
direktors.
in Unterredung
Von Max Epstein (Berlin).
Max v. Millenkovich, der neue Direktor des Burg¬
theaters, hatte die Güte, mir eine längere Unterredung zu
gewähren. Ich hatte mich einige Zeit in Wien aufgehalten.
um die dortigen Theaterverhältnisse, wie sie sich im Kriege
und durch den Krieg gestaltet haben, kennen zu lernen. Es
schien mir nichts wichtiger, als den Mann selbst zu sprechen.
der berufen ist, die Bühne, welche man noch immer die
erste deutsche nennt, zu leiten. Die Audienz kam leicht zu¬
stande. Ich sandte meine Karte, und ein ungemein liebens¬
würdiger und einfacher Mann führte mich vom Warte¬
zimmer, ist in sein Sprechzimmer. Für einen Deutschen
wirkte diese Formlosigkeit fast verblüffend. Das Aeußere
des neuen Direktors entspricht nicht dem Bilde, das wir
uns unwillkürlich vom Leiter einer großen Bühne machen.
Er hat ger nichts Theatralisches, keine große Geste oder
Pose an sich. Sein Wesen entspricht mehr dem Beamten
im Unterrichtsministerium, den er früher beruflich dar¬
gestellt hat. Er faßte mich sehr geschickt an der schwächsten
männlichen Seite, der Eitelkeit, indem er mir freundlich
mitteilte, daß mein Buch „Das Theater als Geschäft auf
seinem Schreibtische liege. Ich kann nur wünschen, daß
er es auch gelesen und nicht auf dem üblichen Wege, wie
in Deutschland Bücher verbreitet werden, nämlich durch
Ausleihen erworben hat. Jedenfalls war mir der Mann,
der mein Buch gekauft hat, von vornherein sympathisch,
und ich beschloß, nichts Böses über ihn zu sagen. Da ich
aber aus meiner preußischen Haut nicht herauskann und
daher unbedingt etwas Unhöfliches sagen mußte, so er¬
klärte ich ihm, daß ich es keineswegs auf ein Interview
abgesehen hätte. Ich bin ein Feind solcher Fünfminuten¬
unterhaltungen. Menschen werden dadurch gewöhnlich ver¬
kehrt gezeigt. Man könnte sagen, daß jedes Interview ein
Hinterview ist. Herr v. Millenkovich schien auch vor
solchen kurzen Unterredungen eine heillose Angst zu haben.
Auf der anderen Seite ist er aber durch seine langjährige
Vortragstätigkeit so aus Dozieren gewöhnt — oder ich
erschien ihm von vornherein so „ausfragwürdig, daß
er selbst unsere Unterhaltung in eine retorische Leistung
umzuwandeln suchte. Mit vielleicht etwas unwienerischer
Offenheit bat ich sofort, mir zu sagen, was es eigentlich
mit dem christlich germanischen Schönheits¬
ideal auf sich habe, von dem wir zu Beginn seiner Tätig¬
keit öffentlich gesprochen und mit dem er so viel Aufsehen
erregt habe. Der neue Direktor des Burgtheaters machte
mir darauf folgende Ausführungen, von denen ich nach
seinem Willen Gebrauch machen darf, weil ich ihm die
Zusicherung gab, daß ich künstlerische Urteile nicht durch
die parteipolitische Brille sehe und meinen Eindruck un¬
bedingt objektiv wiedergeben würde.
Christlich-germanisches Schönheitsideal im Sinne
des Herrn v. Millenkovich gedeutet ist nichts weiter, als
eine retorisch gesteigerte Ausdrucksform für den Begriff
des mitteleuropäischen Schönheitsideals, also desjenigen
schetischen Ideals, das unsere engere Kulturgemeinschaft
augenblicklich in der Seele trägt. Christlich soll kein
Gegensatz zur Antike und germanisch kein Gegensatz zu
romanisch sein. Die Antike ist durch die Renaissance ein
Teil unserer Bildung und unseres Geisteslebens gewor¬
den. Und die großen Dichter anglosächsischer und romani¬
scher Herkunft, wie besonders Shakespeare und Calderon
mit den Ideen, die unsere künstlerische Anschauungs
weise erfüllen, auf das innigste verbunden. Darum werden
durch ein christlich germanisches Schönheitsideal die