VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 6


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Miscellaneons
nen Willen ebensoweit geflogen und ge¬
und entzauberten Format der Gegenwart,
flammt werden könne, wie mit dem Feuer¬
immerhin einer mit Riesenkräften, einer, der
werk, das man seit Jahrtausenden aufzufüh¬
sie nur nicht vulkanisch vergeudet, sondern
ren gewohnt sei, um sich Liebe und Freund¬
rationell, in Uebereinstimmung mit den Leh¬
schaft und ähnlichen faulen Zauber vorzu¬
ren der modernen Gottheiten: des Mecha¬
blenden. Er setzt auf den entgötterten
nismus und des Kapitalismus
Thron eine verstandeskräftige Willensmacht,
In der Erzählung „Die Liebesfalle“ (bei
die sich der modernen Wahrzeichen des
Albert Langen in München erschienen) er¬
Mechanismus und Kapitalismus bedient, um
setzt ein alter Graf, den es nach den eroti¬
ihre gälenden Visionen in Wirklichkeit um¬
schen Erfolgen der Jugend gelüstet, den
zuprägen. Nicht mehr der Mensch ist Mit¬
Zauber der Kraft, der nach natürlichen Ge¬
telpunkt der Schöpfung, sondern die Energie,
setzen das begehrte Weib anzulocken hat,
die er berief und nicht mehr los wird, das
durch einen Zauber der Elektrizität. Auf
mathematische Gesetz, die Formel, unter
geheime Knöpfe und Hebel drückend, schlägt
der er stöhnt und nach der ihr wie nach
er seinen Nebenbuhler aus dem Felde, im¬
einem Opiat gelüstet. Otto Scyka gibt
poniert gewaltig der nichtsahnenden Dame
äußerste Fälle, Möglichkeiten; Wahrschein¬
Lora Sanna und gewinnt ihre Achtung, ihre
lichkeiten, die sich dennoch als adäquat
Sympathie, ihre Zärtlichkeit. Ein technischer
dieser Gegenwart erdenken lassen, lauern
Trick täuscht sie über Mangelhaftigkeiten
im Keim, langsam wuchernd an den
hinweg, die sie anders nie verziehen hätte.
Grenzen.
Eine zweite Erzählung „Diskretion“ gibt
Otto Soyka raubt ein Feuer, das den
eine sehr in die Tiefe gehende Abrechnung
mit einer gewesenen Geliebten, während die
Menschen ohnehin entbehrlich zu werden
Kriegsnovelle „Der Weg vorbei“ edel im
droht, da sie es verstanden haben, an Sur¬
Aufbau, wie menschlich rührend im Ge¬
rogaten Gefallen zu finden. Er entgöttert
danken, den Liebeszwiespalt einer Ehe
eine Welt, die ihrer Götter nicht mehr
widerspiegelt, in der sich das Weib unbe¬
würdig ist. Ließe er die Peitsche der Dä¬
friedigt fühlt, den Gatten durch ihren hef¬
monie über unseren Köpfen sausen, wie
Strindberg oder Wedekind, seine Bücher
tigen Willen nach Befreiung in den Tod
würden unsere Herzen zerschmettern und
treibt und dann erst recht ihre Sehnsucht
betrogen sieht, da ihr die Erkenntnis leuch¬
verbrennen: ihre Wirkung ist aber cher auf
den Reiz des Exotischen und Sensationellen
tet, daß die einzige Liebe, nach der sie ver¬
langte, niemand anderer als ihr Gatte zu
beschränkt, da er das Prinzip seines Stoff¬
bieten vermochte.
lichen auch auf die Darstellung überträgt,
Es ist eigentlich nicht der wahre, gro߬
die nicht im Schmelzofen einer leidenschaft¬
zügige Soyka, der in diesen spielerischen
lichen Notwendigkeit geboren wurde, son¬
Prosastücken sich offenbarte. Aber nie ist
dern unter dem kalten Griff des Willens
der Dichter so östereichisch gewesen, wie
und des Verstandes. Dieser Prometheus
in dem schmalen Buch mit den drei Er¬
leidet nicht an seinem Feuerraub, er ist kein
zählungen von der lronie, der tieferen Be¬
gefesselter, er' ist ein ganz unbehelligter,
deutung und der Wehmut der Liebe.
unbekümmerter, selbstbewußter, selbstge¬
rechter Prometheus, einer im verkürzten
Hugo Wolf.
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und Verlag: I., Schulerstraße 1. Für die Redaktion verantwortlich: Heinrich Damisch
Druck von Carl Herrmann, Wien IX. Alserstraße 50.