VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 9


1. Miscellaneous box 41//6
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##alanzeiger für Düsseldort
K

S
dem Gesichtspunkt der Heimatstadt seines Ideals
über, Sanfte Höhen buntgesprenkelte Wiesen,
sich einen
Das süße Mädel.
angesehen, erschien es ihm voller Reiz, aber
geb imnisvoll geschlossene Wälder erzählten von
tur seine
nun, da er es resultatlos durchforscht hatte, fand
der Lieblichkeit der Landschaft. Aber die Sprache
weiter:
Von Josefa Metz.
er es leer, tot, ablehnend. Wollte er ehedem
der Natur drang nicht zu ihm, der soeben ein
„So sa
Wenn er zwischen den Backfischen der Tauen¬
einen Essai über das noch vorhandene „Süße
Konversationsprogramm entwarf, das sehr viele
Ihr halte
zienstraße dahinschlenderte, wenn er im Café
Mädel“ schreiben, so beschloß er nun, einen über
Ihr kettet
„Schau'n S', wie herzig!“ aufwies. Schließlich
des Westens inmitten jener unwahrscheinlichen
das „leider ausgestorbene“ zu verfassen.
war die betreffende Station erreicht, was ihm
Dann a
Damen saß oder im Konfektionsviertel hinter
Denn er war ein Mensch, der romantischen
dadurch zum Bewustsein kam, daß die Erhoffte
durch —, d
kleinen Mädchen herstieg — immer wieder kam
Sinn mit praktischer Verwertung zu verbinden
Café des
sich erhob, um auszusteigen. Er folgte ihr in ein
es ihm zum Bewußtsein, daß er das „süße
wußte und die jeweiligen vernichteten und
ländliches Wirtshaus, das einen guten Rahmen
fesselt ihr.
Mädel“ in Berlin nicht und niemals finden
nicht vernichteten Ziele seines Lebens in Drucker¬
für sie abgab. Sie schien hier zu wohnen, gewiß
auch das
würde. Wenn er von sanftem Außern angelockt
schwärze umzuwerten verstand. Schon hatte er
aber er ko
im Kreise von Vaterl und Schwesterl, die sich
eine entsprechende Anrede wagte, konnte er ge¬
sich vorgenommen, mit der negativen Ausbeute
reiter sein
eine billige Sommererholung gönnten. Die
wärtigen, ein: „Sie sind wohl 'n bisken Manoli,
seines Wiener Aufenthaltes nach Berlin zurück¬
wald-Insp
Mutter hatte er ein= für allemal getötet, das
aber links 'rum?!“, oder: „Sie, det machen Sie
zukehren, als er in der Mariahilferstraße ein
aus ihm,
paßte besser zu „ihr“, gab ihr eine sentimentalen
sich man ab“ als Antwort zu erzielen. Er aber
junges Mädchen sah, das äußerlich so vollkommen
Hintergrund.
„Ja
hatte sich in das „süße Mädel“ verliebt, wie es
seinen Anforderungen entsprach, daß er beschloß,
Aber d
Das abendliche Wirtszimmer sah ein wenig
Artur Schnitzler der Natur abgelauscht und wie
einen letzten Versuch zu wagen.
beendetee
trüb aus im Schein der einzigen Gasflamme,
es Dete anvere-Artur Schnitzler abgeschrieben
Durch die Kühle seiner norddeutschen Sprech¬
wartung
und es war von dumpfem Gasthausdunst erfüllt.
haben. Endlich kam er zu der Einsicht, daß er
weise hatte er sich bisher des öftern den Weg zum
dort. Er fi
Die Ersehnte erschien wieder, diesmal ohne Hut,
e nur an der Quelle Wien finden könne.
Herzen, ja zum Verständnis der Wienerin ver¬
nochmals.
und sah noch lieber und mädchenhafter aus als
Da er ein gründlicher Mensch war, der es
legt, denn wenn nicht schon der harte Klang
„Natür
vordem. Aber sie blieb allein, kein Vaterl und
trotz seiner fessellosen Lyrik mit der Kunst ernst
seines Idioms sie abschreckte, so doch ganz gewiß
sich.
kein Schwesterl, nicht einmal eine „Tant“. „Es
meinte, so wollte er nicht nur privaten Gelüsten
der korrekte Satzbau, die Tadellosigkeit seiner
Er dur
geht auch so,“ dachte er und versuchte ihren Tisch
Perioden.
nachgehen bei der Suche nach dem süßen Mädel,
zu erreichen, aber schon hatte sie sich wieder er¬
rund um
er wollte es auch literarhistorisch festlegen. So
Sobald er begann: „Mein gnädiges Fräulein
hoben.
kam, saß
gestatten Sie..
saß er nun seit sechs Wochen im Hotel und
fingen sie an zu lachen.
„Bringen S' mir 's Essen aufs Zimmer, ich
te eb
klopft
wartete. Aber es kam nicht. Er ging die Kärnt¬
So hatte er versucht, sich den Wiener Dialekt
B
bin zu müd'!“ rief sie dem Wirt zu und ging da¬
nerstraße entlang, den Graben den Ring. Er
anzueignen, ohne daß es ihm bisher gelungen
von.
ckig
stieg auf die Galerien der Theater, ließ alle
wäre. Aber als strebsamer und auf das Ziel be¬
Es wäre nun ein leichtes gewesen zu e
Detektivfilms der Woche über sich ergehen, er
dachter Mensch setzte er seine Studien fort, indem
fahren, wer sie sei, aber darauf verfiel er nicht
holte sich im Volksprater Schießauszeichnungen
er Übungen mit dem Wort „Knäulerl“ machte,
Im Gegenteil, er umging die Leichtigkeit und
und aß sich durch die Speisekarten des Ersten,
das ihm für seine Zwecke ganz besonders em¬
wählte das Schwerere. Er aß einen zähen Palat¬
Zweiten und Dritten Kaffeehauses hindurch. Er
pfohlen war. So schritt er auch jetzt Knäulerl
schinken mit zweifelhafter Füllung, trank einen
besuchte die Heurigenschenken und kleineren
übend hinter dem hübschen Mädchen her, dessen
setzt,
saueren Wein und träumte von künftiger, besse¬
Beisel der Vorstädte — es schien, als ob der
liebes. sanstes Gesicht so recht den Wiener Ur¬
blick.
rer Zeit Dann ließ er sich ein Zimmer an¬
Typus ausgestorben sei.
typus aufwies. So vertieft war er in ihren An¬
„Ich le
weisen. Er verbrachte eine ungewöhnlich schlechte
blick und seine Studien, daß er erst merkte, wo¬
Wohl traf er hübsche, sanftblickende Mädchen
sie freundl
Nacht im beständigen Kampf mit einer verbeul¬
hin ihn der Weg führte, als er eingekeilt zwischen
genug, umweht vom Hauch reizvoller Naivetät,
die ihn be
ten Seegrasmatratze und einigen wandernden
drei Rucksäcken und zwei Handtaschen an einem
aber am Schluß besuchten sie doch die Handels¬
Hautreizen, die es ihm nicht gelang. zur Strecke
Würde
Schalter der Westbahn stand.
schule oder das Konservatorium, und es um¬
zu bringen. Die Hoffnung erhielt ihn am Leben, haben?! U
witterte sie zugleich die herbe Morgenluft der
Vollends erwachte er beim Klang einer sanf¬
und er sollte für seine Tapferkeit zunächst durch
also war
Emanzipation. Er aber suchte das schlicht Kind
ten Stimme, die eine Fahrkarte nach einer
sich selbst belohnt werden. Als er nämlich das
zeigte sich
des Volkes, das im Hauswesen ausging un
Station des Wienerwaldes verlangte. Schnell
Fenster aufschlug und die sanften, sonnbeleuchte=1Zeitung w
der Pflege des alten Vaters, das am liebe
löste er die gleiche Karte, und es gelang ihm
ten Höhen des Wienerwaldes vor sich liegen sah
fach an ihr
Notenkopist oder ähnlichen Standes sein sollte.
auch das gleiche Abteil mit der Ersehnten zu er¬
und zugleich des süßen Mädels gedachte, dessen
war „das“
Er dachte schon daran, sich um einen Tip an
wischen, leider durch die drei Rucksäcke und zwei
Existenz festzuhalten er im Begriff war. über¬
Artur Sch
Artur Schnitzler zu wenden, aber dann erschien
Handtaschen nebst Zubehör von ihr getrennt. —
kam ihn die Lyrik. Er zog das Notizbuch und
es nachem
es ihm doch zu gösonderlich.
Einer nach dem andern jener reizoollen Orte,
schrieb: „Du schöner Rahmen um ein schöneres
drei Eier
Seine Stimmung sank. Wien an sich konnte
die so lebhaft koloriert sind durch allzusesche Bild ...“ Da trat eine Stockung ein. Er leckte am
Milien.
ihm nichts mehr bieten. Solange er es unter Dirndl und allzu abgenützte Bnam, glitt vor= Bleistift. Dann trat er vor den Spiegel und zog ##