VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 23


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1. Miscellaneens
Mclidt, Wepte
Hugo v. Hofmansthal, der damals als Loris plötzlich
in der Wiener Literatur erschien, Richard Beer=Hof¬
lmann, dessen erste lyrische Arbeiten eben erschienen
„Theater und Kunst.
waren, Peter Alienberg, Artur Schwützler 2c. ver¬
sammelten sich allabendlich in den maumen des Casé
Exnennung eines Generaliniendauken
Griensteidl am Michaelerplatz, wo die neue Literatur förm¬
lich gegründet wurde. Damals tauchte plötzlich der Name
der Hoftheater.
Leopold Andrians auf und hatte die Wirkung eines Kampf¬
rufes. Hermann Bahr trat mit hymnischer Begeisterung für
(Gesandter Leopold Freiherr v. Andrian=Wernburg
des jungen Andrian Erstlingswerk, den „Garten der Er¬
Generalintendant per Hoftheater.
kenntnis“, ein und prophezeite Oesterreich einen neuen
Dichter. In jenem Kreise der Wiener Literatur wurde zu
Die heutige „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Ernen¬
dieser Zeit die Zeitschrift „Liebelei“ gegründet, die
nung des Gesandten und Bevollmächtigten im Ministerium
ihren Namen von Schnitzlers eben mit Erfolg gespieltem
des Aeußern Leopold Freiherr v. Andrian=Wernburg
neuen Werk nahm. Der Herausgeber dieser Zeitschrift war
zum Generalintendanten der Hoftheater.
Leopold v. Andrian. Im Rahmen dieser Blätter erschienen
Bekanntlich hatte man seit Jahren von der Besetzung der
u. a. die ersten Arbeiten Peter Altenbergs. Die Zeitschrift
Stelle eines Generalintendanten der Hoftheater Abstand
existierte nur einige Monate.
genommen und der Obersthofmeister Fürst Montenuovo
Leopold v. Andrian übergab der Oeffentlichkeit
und späterhin Prinz Hohenlohe versahen die Agenden eines
weiterhin keinerlei literarische Arbeiten mehr. Er suchte die
Generalintendanten. Der neue Obersthofmeister Graf
diplomatische Karriere und hatte als Vertreter des Mini¬
Hunyady hat sich nun entschlossen, die Stelle eines General¬
steriums des Aeußern Gelegenheit, viele Reisen zu unter¬
intendanten der Hoftheater wieder zu besetzen. Die Wahl
nehmen. Auch in dieser Zeit seiner politischen Arbeit unter¬
der maßgebenden Kreise fiel auf Baron Andrian, der in
hielt er ständig. Verkehr mit seinen literarischen Freunden
seiner Jugend selbst zur Literatur gehörte und späterhin in
und zeigte für die Entwicklung der modernen Literatur stets
seiner Diplomatenkarriere den Kontakt mit der literarischen
Bewegung Oesterreichs und Deutschlands ständig aufrecht= Anteilnahme und großes Interesse. Dem Burgtheater ist
er von Jugend her ein treuer Freund und herzlicher Be¬
erhielt. Der neue Generalintendant war Mitte der neunziger
wunderer gewesen. Es war ihm ja vergönnt, die große Zeit
Jahre eine Zeitlang Mittelpunkt der damaligen Wiener
dieses Theaters noch mitzuerleben und er ist auch ein
literarischen Bewegung. Sein Erstlingswerk, die Novelle
großer Bewunderer der Mahlerschen Kunst gewesen.
„Der Garten der Erkenntnis“, das für die
Oeffentlichkeit fast seine einzige Arbeit blieb, weckte in den
Kreisen der jungen Wiener Literatur laute Anerkennung
und man begrüßte mit enthusiastischen Worten einen
jungen, neuen und eigenen Dichter. Andrian stand dem
Kreis jener jungen Literaten nahe, die sich um Hermann
Bahr scharten und seine literarischen Anfänge wiesen auf
eine gewisse Formverwandtheit mit den ersten Werken
Hugo v. Hoffmannsthals.
Freiherr v. Andrian zog sich später von der Literatur
in die Diplomatie zurück und war vorerst den Gesandt¬
schaften in Athen, in Rio de Janeiro und Buenos Aires
zugeteilt. Späterhin wirkte er an der Botschaft in Peters¬
burg als Legationssekretär. Nach längerer Tätigkeit in
Bukarest und Athen kam Freiherr v. Andrian als Lega¬
tionsrat in das Ministerium des Aeußern und bald darauf
wurde er mit der Leitung des österreichisch=ungarischen Ge¬
neralkonsulats in Warschau betraut. Nach Ausbruch der Feind¬
seligkeiten mit Rußland trat er neuerdings in die Dienste
des Ministeriums des Aeußern und ging dann nach dem
Fall von Warschau als Vertreter dieses Ministeriums
wieder nach Warschau zurück. Seit länger als einem Jahr
ist Baron Andrian von neuem dem Ministerium des
Aeußern in Wien zugeteilt gewesen. Freiherr v. Andrian
ist der Sohn des hervorragenden Anthropologen Ferdinand
Freiherrn v. Andrian=Wernburg, seine Mutter ist die jüngere
Tochter des Komponisten Meyerbeer. Der neue General¬
intendant steht im 43. Lebensjahre.
Die Persönlichkeit Baron Andrians.
Zurzeit, da das Café Griensteidl Sammelpunkt der
Wiener Literatur war und Hermann Bahr ihr Verkünder,
erschien eines Tages im Verlag S. Fischer, Berlin, ein
dünnes Bändchen. „Der Garten der Erkenntnis“, und als
Autor zeichnete ein neuer Name: Leopold Andrian. Die
junge Generation des damaligen Wien, Hermann Bahr,