VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 33



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1. Miscellangels
recht der Völter. Welch
Der deutsche Boischafter Graf Wedel hat sich über bestimmung machen will
vayin der Friedens¬
mehrere Fragen, die an ihn vom Herausgeber der „Politischen aber müssen dagegen Be
vertrag bekannt sein wir d.
auf, der Schrecken ihrer Schauspieler zu sein. Gefährlicher für soignierteste Menschenke
die Darsteller sind Autoren, die ihr Werk mit allen Finessen des gibt er sich auch aufd
Feuilleton.
gewiegtesten Regisseurs in Szene zu setzen vermögen und als
Auch Anton Wi
Routiniers der „Wirkung“ nicht ruhen, bis sie dem Darsteller Gelegenheit gehabt,
Der Autor auf der Probe.
sozusagen den letzten Blutstropfen des von ihm Erreichbaren
dichterischen Auffassun
Aus Gesprächen mit Schauspielern.
herausgepreßt haben.
Regisseur vielleicht im
ausgezeichneter Vorlese
Von
Ein solcher idealer, aber allerdings nichts weniger als be¬
quemer Regisseur seiner Stücke ist Karl Schönherr. Proben mit in einer derart überze
Karl Marilaun.
ihm können den Beteiligten zur Marter werden, aber wenn seine gansspezialisten, wie e
Der Autor auf der Probe, seines Stückes selbstverständlich,
Arbeit beendigt ist, müssen sich die oft bis zur totalen Er=fassung der des Dich
ist immer ein Theaterereignis, das die etwas graue Werkstatt¬
schöpfing geplagten Schauspieler allerdings sagen, daß es kein zender Schauspieler,
atmosphäre eines Probenvormittags mehr oder weniger, meistens
anderer als eben Schönherr erreicht hätte, jeden einzelnen bis theater schon gerade
mehr, zu elektrisieren pflegt. Die zunächst Beteiligten, Direktor,
zum kleinsten Statisten hinunter mit dem Herzblut seiner Dichtung sich Hans Müller vor
Schauspieler, der Regisseur vom Tag, sehen dem „Auftreten“ des
Dichters mit einem zwischen Zehn und Eins in der Regel förmlich zu durchtränken. Er spielt jede Rolle bis ins Detail daß er seine bestrickend
ungewohnten Lampensieber entgegen, insbesondere, wenn das vor, und mit einer rücksichtslosen, oft sehr holzgeschnitzten Uner= Bonmots ins Theater
er darauf, daß auch das geringste dingt amüsant— auf
Stück eigentlich schon aus dem Gröbsten herausgebracht bittlichkeit achtet
bis
Punkt großer Burgtheaterdur
zum
ist, und der Autor, der zunächst nur kommt, um „ein seiner Detais vom Darsteller
eigenen Genick brach, hat ihm
paar Retuschen“ vorzunehmen, nach der ersten Viertelstunde Stück auf dem i gebracht werde. Mit einer
und Darstellung, Regisseur und Schauspieler, Direktor, Inspizient, Rollenauffassung auf eine Probe zu kommen, die Schönherr selbst munterer, unveränder
Beleuchtungstechniker und Vorhangzieher auf den Kopf stellt leitet, ist vollständig aussichtslos. Der holzschnittartigen Manier Haargudels am Bach
Dergleichen pflegt vorzukommen, während es sehr viel seltener ist, seiner Bühnenwerke entspricht auch die Regisseurtechnik Schön- gantiarum des deutse
daß der Dichter — wie etwa der junge Walter Eidlitz bei den herrs, der von seinen Schauspielern weniger subtile Seelen= guter, sondern auch
Proben seines „Hölderlin“ — die Hände in den Schoß legt, malerei als vor allem Wirkung verlangt. Jede einzelne Szene der nichts so sehr ver¬
wird von ihm auf diese Theaterwirkung hin gestellt, auf schärfste Hemdärmeln.
entzückt ist und auf die Frage, wie es ihm gefallen hat, höchstens
Uebrigens gibt
Kontraste und das oft brutale Herausarbeiten jeder Kraftstelle.
errötend bekennt, daß er „ungeheuer viel gelernt“ hat.
Sind die Proben eines von ihm in Szene ges en Stückes ab-soweit der Schneider
Der Dichter Eidlitz ist eben noch ein Jüngling, der sich
Müllers kaum zurückst
nach den ersten Erfolgen diese von Schauspielern und Regisseuren geschlossen, so hat jeder einzelne Schauspieler die Empfindung,
Theater, und wäre
hochgeschätzte Bescheidenheit wahrscheinlich schnell abgewöhnen wird, dem Regisseür Schönherr dankbar sein zu müssen, vor allem aber
leuchtet, genau so soig
Die älteren Kollegen gehen resoluter ins Zeug, und einigen von atmet wohl jeder erleichtert auf, dem Schraubstock dieser Proben
spielern ihre Rollen v
entronpen zu sein.
ihnen ist die Arbeit des Regisseurs gerade wert, daß sie zu¬
*Auch Artur Schnitzler erscheint natürlich bei den Proben seiner unbestreitbaren,
grunde geht, wenn sie auf eigene Faust darangehen, ihre
Schreibtisch= und Poetenträume an gewitterschwangeren Probe=seiner Stücke und liebt es, gelegentlich aufklärend und verbessernd angezogene sranzösisch
vormittagen zu realisieren. Es gibt sehr sanfte Dichter, Verzfin die Arbeit von Regisseur und Schauspieler einzugreifen. Er ist zugute kommt.Ein
künder zartester Lyrismen und apartester Seelenmysterien, die nicht nur ein weltmännisch gepflegter Autor, sondern auch — was schmäht er natürlich
zu blasiert, nicht meh
auf der Probe die Allüren eines gereizten Tierbändigers an= unter Umständen schwerer fallen kann — ein durchaus soignierter,
folger französischer No
geradezu außerordentlich liebenswürdiger Weltmann auf der Probe.
nehmen können, wenn der Held auf der Bühne vom Helden ihrer
Dabei mit einem sicheren Blick für das, was bei jeder Bühnen= wie noch einige ander
Träume auch nur um die Farbennuance eines Haares der Theater¬
dichtung „Theater“ sein muß, begabt. Er verschmäht es, in die zwar ungemein wichtig
perücke verschieden ist.
Diese so ungeheuer — nicht im Umgang mit Schauspielern eigentliche schauspielerische Arbeit einzugreifen und gibt höchstens privaten Dégout. Auc
nad Regisseuren! — zartbesaiteten Dichterregisseure sind allerdings Winke, wie dieser oder jener Figur beizukommen wäre; und er aber es ist sein Glas.
meistens blutige Dilettanten des eigentlichen Theaterhandwerkes eischöpft oft in sehr wenigen Worten das Wesentliche einer Rolle, krug, aus dem die viel
und sie geben es nach deu ersten Probengewittern in der Regel nicht ihre Gesten, sondern ihre Seele. Er ist heute wohl der dem großen Rausch ko
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