VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 34


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1. Miscellangels

recht bei Vöster. Welchen Gebrauch Deutschöuerreich von der Selbst¬
riedens¬
Der deutsche Boischafter Graf Wedel hat sich über bestimmung machen will, muß lediglich seine eigene Sache sein. Wir
in wir d. mehrere Fragen, die an ihn vom Herausgeber der „Politischen aber müssen dagegen Verwahrung einlegen, daß deutsche Volksgenossen
der Schrän ister Gesthrliche fursehgnlenigte Nenschentener des denischen Theurs, und ais seichr
gibt er sich auch auf der Probe.
die Darsteller sind Autoren, die ihr Werk mit allen Finessen des
gewiegtesten Regisseurs in Szene zu setzen vermögen und als
Auch Anton Wildgans hat in den letzten Jahren öfter
Routiniers der „Wirkung“ nicht ruhen, bis sie dem Darsteller
Gelegenheit gehabt, die Schauspieler seiner Stücke mit seinen
obe.
sozusagen den letzten Blutstropfen des von ihm Erreichbaren
dichterischen Auffassungen vertrauter zu machen, als es ein
spielern.
herausgepreßt haben.
Regisseur vielleicht imstande wäre. Wildgans, der übrigens ein
ausgezeichneter Vorleser ist, vermag seinen Darstellern ihre Rollen
Ein solcher idealer, aber allerdings nichts weniger als be¬
in einer derart überzeugenden Weise vorzuspielen, daß selbst Wild¬
quemer Regisseur seiner Stücke ist Karl Schönherr. Proben mit
gansspezialisten, wie etwa Ferdinand Onno, ihre persönliche Auf¬
s selbstverständlich, ihm können den Beteiligten zur Marter werden, aber wenn seine
is graue Werkstatt= Arbeit beendigt ist, müssen sich die oft bis zur totalen Er=fassung der des Dichters ohneweiters unterordnen. Als glän¬
schöpfung geplagten Schauspieler allerdings sagen, daß es kein zender Schauspieler, der an Probevormitlagen im Burg¬
weniger, meistens
feiligten, Direktor, anderer als eben Schönherr erreicht hütte, jeden einzelnen bis theater schon geradezu virtnos theatergespielt hat, entpuppte
m „Auftreten“ des zum kleinsten Statisten hinunter mit dem Herzblut seiner Dichtung sich Hans Müller, von dem es übrigens auch selbstverständlich ist,
ins in der Regel förmlich zu durchtränken. Er spielt jede Rolle bis ins Detail daß er seine bestrickendsten Liebenswürdigkeiten und seine blendendsten
ondere, wenn das vor, und mit einer rücksichtklosen, oft sehr holzgeschnitzten Uner= Vonmots ins Theater mitnimmt. Nicht jeder Autor ist so unbe¬
er darauf, daß auch das geringste dingt amüsant — auf der Probe. Sein fast schon historischer
en herausgebracht bittlichkeit achtet
Punkt großer Burgtheaterdurchfall, der dem Direktor Schlenther das
Darsteller bis zum
vom
kommt, um „ein seiner Detais
gebracht werde. Mit einer eigenen Genick brach, hat ihm wahrhaftig nicht geschadet; er ist als ewig
Viertelstunde Stück auf dem
Direktor, Inspizient, Rollenauffassung auf eine Probe zu kommen, die Schönherr selbst munterer, unveränderlich junger Mann an die Burgtheaterstätte
den Kopf stellt. leitet, ist vollständig aussichtslos. Der holzschnittartigen Manier Haargudels am Bach zurückgekehrt und hat als Arbiter ele¬
hr viel seltener ist, seiner Bühnenwerke entsprickt auch die Regisseurtechnik Schön= gantiarum des deutschen Parnasses den Ruf, nicht nur ein sehr
iter Eidlitz bei den herrs, der von seinen Schauspielern weniger subtile Seelen= guter, sondern auch ein sehr gut angezogener Regisseur zu sein,
malerei als vor allem Wirkung verlangt. Jede einzelne Szene der nichts so sehr verabscheuen würde als eine Probenarbeit in —
in den Schoß legt,
wird von ihm auf diese Theaterwirkung hin gestellt, auf schärfste Hemdärmeln.
llen hat, höchstens
Kontraste und das oft brutale Herausarbeiten jeder Kraftstelle.
Uebrigens gibt es noch einen Wiener Dichter, dessen Eleganz,
ut“ hat.
soweit der Schneider für sie verantwortlich ist, hinter der Hans
Büngling, der sich Sind die Proben eines von ihm in Szene gesetzten Stückes ab¬
Müllers kaum zurücksteht. Es ist Raoul Auernheimer, der im
in und Regisseuren geschlossen, so hat jeder einzelne Schauspieler die Empfindung,
Theater, und wäre es am Probevormittag noch so schlecht be¬
l abgewöhnen wird. dem Regisseür Schönherr dankbar sein zu müssen, vor allem aber
leuchtet, genau so soigniert ist wie seine Feuilletons. Den Schau¬
g, und einigen von atmet wohl jeder erleichtert auf, dem Schraubstock dieser Proben
spielern ihre Rollen vorzuspielen, verzichtet er allerdings, was
wert, daß sie zu=entroypen zu sein.
seiner unbestreitbaren, etwas ironischen, an beste und best¬
Auch Artur Schnitzler erscheint natürlich bei den Proben
darangehen, ihre
hwangeren Probe=secner Stücke und liebt es, gelegentlich aufklärend und verbessernd angezogene französische Vorbilder erinnernden Noblesse noch
zugute kommt. Ein Tyrann seiner Schauspieler zu sein, ver¬
nste Dichter, Verpfin die Arbeit von Regisseur und Schauspieler einzugreifen. Er ist
schmäht er natürlich durchaus, dazu ist er vielleicht etwas
eelenmysterien, die nicht nur ein weltmännisch gepflegter Autor, sondern auch — was
zu blasiert, nicht mehr völlig jung genug und, als deutscher Nach¬
unter Umständen schwerer fallen kann — ein durchaus soignierter,
Tierbändigers än¬
folger französischer Novellisten, im vorhinein geneigt, das Theater
geradezu außerordeutlich liebenswürdiger Weltmann auf der Probe.
he vom Helden ihrer
Dabei mit einem sicheren Beick für das, was bei jeder Bühnen=wie noch einige andere Dinge des täglichen Lebens im Prinzip
Haares=der Theaier¬
dichtung „Theater“ sein muß, begabt. Er verschmäht es, in die zwar ungemein wichtig zu nehmen, aber mit dem gewissen kleinen,
mit Schauspielern eigentliche schauspielerische Arbeit einzugreifen und gibt höchstens privaten Dégout. Auch er trinkt aus einem vielleicht kleinen Glas,
aber es ist sein Glas. Und das Theater ist natürlich ein Ma߬
feure sind allerdings Winke, wie dieser oder jener Figur beizukommen wäre; und er
Theaterhandwerkes eischöpft oft in sehr weniger Worten das Wesentliche einer Rolle, krug, aus dem die vielen Zecher brüdetlich trinken müssen, bis es zu
stern in der Regel nicht ihre Gesten, sondern ihre Seele. Er ist heute wohl der dem großen Rausch kommt, der „ein Erfolg“ heißt.
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