VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 58


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1. Miscellancons


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lichen Verhältnis von Dauer zusammengefunden. Aus dem Brief=sich noch mehr von Ihnen: im Kaffeehaus, das ich viel einriger
wechsel der beiden geistigen Kapazitäten sind als wahrhaft besuchte als die politischen Diskussions= und Mahlabende der Lese¬
menschliche Dokumente vielfache Ausschnitte wiedergegeben, die halle, und wo Sie einen beträchtlichen Ruhm als Dominospieler
unser Interesse in hohem Grade fesseln.
(hauptsächlich im blinden Domino, wie ich leider hinzusetzen muß)
und
Vom Beginn dieser Freundschaft gibt Kellner die nach= genossen. Einige Schöngeister sprachen übrigens bereits von Ihrer
folgende Darstellung: Paul Goldmann machte Herzl im Jahre Bebeutung als dreiaktiger Lustspieldichter. Wollen Sie einen
1892 auf Schnitzler aufmerksam. Sie saßen auf der Journalisten= Beweis für meine literarhistorische Begabung? Ich weiß
jänglichen tribüne des Palais Bourbon und plauderten von Wien. Gold= noch genau, daß Siegfried Weitheim der erste war, der
mir von dem Dichter Herzl sprach. Bald darauf lernte ich Sie
werden mann sprach mit Entzücken von seinen Wiener Freunden, deren
er sich als Herausgeber der belletristischen Zeitschrift „Die blaue persönlich kennen und las zwei Ihrer Stücke im Manuskript:
Stigen
erhalten, Donau“ eine stattliche Anzahl erworben hatte, und nannte unter „Tabarin“ und ein zweites — hirs es nicht „Die Aufgeregten?“
„Wer solche Stücke schreiben
die in anderen Artur Schnitzler in rühmender Weise. Herzl war darüber Und weiter beneidete ich Sie.
Das ist erstaunt. Ec hatte Schnitzlers Talent nicht allzuhoch eingeschätzt, könnte“ — (damals schrieb ich nämlich ganz bestimmt schlechtere
Publikum persönlich war ihm der „junge Dichter“ geradezu unsympathisch ge= Stücke als Sie!). Aber die ganze Siudentenzeit verstrich, ohne
eines wesen, in erster Reihe wegen seines Anhanges, der „Jungen von daß wir ein Verhältnis zu einander finden konnten — offenbar,
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erzl als Profession“. Nun aber las er Schnitzlers „Märchen“; daraufhin wie mir Ihre letzten Zeilen beweisen — weil ich für Sie zu
utigung, schrieb er ihm einen rührend bescheidenen, reuigen, rückhaltslos arrogant war! — In Kammer habe ich Sie dann gesprochen,
als wir schon beide Doktoren waren; Sie waren von einem Kreis
Gestalten enthusiastischen Brief (29 Juli 1892), der unter anderem die
hübscher junger Frauen umgeben — und wieder habe ich Sie —
schöne Stelle enthält:
je mehr
hoffentlich nicht ganz ohne Grund — „beneidet". Und auch
„Wenn ich so ein Talent wie Ihres aufblühen sehe, freue
Leon
Meistersich mich, wie wenn ich nie ein Literat, das heißt, ein eng= damals lächelten Sie irbnisch! — Und wieder verließ ich Die in
en Doku= herziger, unduldsamer, neidischer, boshafter Tropf gewesen wäre, jeuer gedrückten Stimmung, die an Leuten gegenüber hat,
erden des freue mich aber wie über die Nelken da unten im Garten, die die einem auf derselben Straße z #anzig Schritte weit voraus.
laufen. An diese Erinnerung aber reiht sich eine von denen, die,
R. Löwit erwachen.“
Von da an entspann sich ein freundschaftlicher Brieswechsel, über das Persönliche weit hinausgehend, in einer Geschichte der
nde, von
Die Kind= der erst mit der Uebersiedlung Herzls nach Wien seinen Abschluß modernen Literatur als kleingedruckte Anmerkung einen sicheren
Platz verdiente. Das neue Burgtheater war noch im Bau; wir
en guten fand. Schnitzlers Brief vom 5. August 1832 enthält
spazierten an einem Spätherbstabend vor dem Bretterzann auf
Geltung bei allem Humor ein Stück ernster Herzl=Biographie.
„Hochverehrtester Freund! Eine Ahnung muß ich aber und ab. Natürlich hatten wir uns zufällig getroffen — da es
wie dieses
tieft und immer gehabt haben, daß wir einander einmal näher kommen, mir ja bis heute nicht gegönnt war, uns je absichtlich zu be¬
olgreichen daß Sie mich sogar einmal „loben“ werden, denn geguen. Da sagten Sie mit einem bescheidenen, erobernden Blick,
die der auf den emporsteigenden Mauern ruhen blieb: „Da komm'
welcher Präzision mir
ntwickelt ses ist merkwürdig, mit
ischen sich einzelnen Etappen unserer Bekanntschaft im Gedächtnis ge= ich einmal hinein!" Ja, mein lieber Freund, damals war
„als ich zum erstenmal dich der Moment gewesen, mich für Ihr vielfaches ironisches Lächeln
n Wiener blieben sind. Ich weiß noch
einmal pauschaliter mittels eines grausen Hohnlachens
sah“ — das war in der akademischen Lesehalle. Sie hielten eine
zu revanchseren —
ih blieb jedoch stumm:
ich kann
g Herzls Rede und waren „schaif“ — in einer Weise scharf! Ich befand
Zwei,mich in Ihrer Nähe und hatte die Empfindung, als wenn Sie nicht leugnen, Sie haben mir damals mehr imponiert als je. Sie
in der mich mit einem gewissen milden Sarkasmus betrachteten: Sie wirden begreifen, daß ich diese kleine Geschichte, welche von der
atten sich lächelten ironisch — und ich begann Sie zu beneiden. „Wer so Tatsache zum Range einer Anekdote emporgehoben wurde, jedem
undschaft= reden und so lächeln könnte“, dachte ich mir. Bald darauf hörte Menschen erzähle, der den Namen „Theodor Herzl“ ausspricht.
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Sie ist so wahrscheinlich, daß sie alle Welt für ersunden hält.
Ich erinnere mich noch eines letzten Zusammentreffens mit Ihnen
auf irgendeinem Ball, in einer Nacht, wo Sie schon lange,
aber schon sehr lange, ein berühmter Mann waren, während ich
an mir, an meinem Beruf — an beiden verzweifelnd, von
niemand eigentlich ernst genommen, meinen Ehrgeiz als guter
Gesellschafter und Demimondainer zu befriedigen suchte. Ich war
an jenem Abend besonders gut gelaunt und, wie ich glaube,
namenlos elegant. Da erschienen Sie. Mit ruhigen, überlegenen
Augen prüften Sie meine Krawatte und vernichteten mich. Wissen!
Sie, was Sie sagten? „Und ich hielt Sie für einen —
Brummel!!!
Ich hatte die deutliche Empfindungs
in Ungnade gefallen zu sein. Es war
klar, daß
ich leinen mußte, meine Krawatten besser
zu knüpsenz
oer doch wenigstens auf einem anderen Gebiet etwas Hervor#
ragendes zu leisten. In kühnen Momenten vermaß ich mich
beiden Zielen zuzustreben; vielleicht werde ich Sie noch einmal von
meiner Krawattenknüpfbegabung zu überzeugen Gelegenheit haben?
— Und wie ich nun heute bedenke, daß Sie offenbar darum mit#
mir nicht verkehren konnten —
weil ich Ihnen dünkelhaft vor¬
kam! Ich, der sich die „Causa Hirschkorn“ aus der Leihbibliothek,
das „Neue von der Venus“ von guten Bekannten ausgeliehen —
und der sich das „Buch der Narrheit“ sogar gekauft hat¬
— als
es eines Tages in. der Auslage zu 15 Kronen sichtbar wurde.
Ich, der zwar vom „Flüchtling“ behauptete,
er
könne
nur durch die Burgtheaterbesetzung gehalten werden, der
eber bei dem „Prinzen von Genieland“ die Ansicht verfocht,
daß sie im Cail Theater zugrunde gespielt würde! — Ich weiß
nicht, ob es mir mit dem bisherigen gelungen ist. Ihnen gerade
das zu sagen, was ich Ihnen sagen will: Daß es wahrhaftig!
nicht viel Menschen auf der Welt gibt, auf deren, Urteil ich den
gleichen Wert legen wöchte, wie auf das Ihre. Erme##, Glel