VII, Verschiedenes 11, 1920–1926, Seite 32

Miscellan
ous
Das Denkmal der
1
Operette.
Ein Brief Mitzi Günthers.
Kürzlich brachten wir ein Interview mit
Frau Mitzi Günther, in dem der Satz „Ein
Denkmal, der Wiener Operette errichtet,
müßte die Züge Mitzi Günthers tragen, irr¬
tümlich Artur Schnitzler zugeschrieben wurde.
Frau Mitzi Günther schreibt uns hiezu:
„Als vor ungefähr Jahresfrist in einer
Zeitung die Notiz erschien, Schnitzler arbeite
an einem Libretto, in dem ich die Hauptrolle
spielen sollte, schrieb er mir einen entzückenden
Brief, in dem er mich seiner großen Verehrung
versicherte, es aber als unrichtig hinstellte, daß
er ein Operetten=Libretto verfasse, doch würde
er dies jemals tun, so wäre es ihm eine ganz
besondere Freude, wenn ich die Hauptrolle
darin kreieren sollte. An diesem Brief erinnerte
sich Schnitzler bei unsrer heutigen Rücksprache
noch ganz genau. Hingegen stellte ich bei Durch¬
sicht meiner ziemlich umfangreichen Korrespon¬
denz fest, daß der oben erwähnte Ausspruch
von dem meine Züge tragenden Denkmal der
Wiener Operette von Bela Laszky stammt,
der mir dieses schmeichelhafte Kompliment in
einem Brief machte, den er anläßlich der
Premiere von „Karja" an mich richtete. Und ich
arme Sünderin habe Ihrem Interviewer
gegenüber das schwere Verbrechen begangen,
die beiden erwähnten Komplimente zu ver¬
wechseln und den Ausspruch Laszkys den un¬
schuldigen Schnitzler zuzuschreiben. Schnitzler
hat mir bereits Absolution erteilt, und zwar
in der entzückendsten und liebenswürdigsten
Form, die dem großen Meister eigen ist.
bin eben keine Reklameschauspielerin und
Verkehr mit Interviewern nicht versiert, da¬
her konnte mir dieser kleine Lapsus leicht
passieren.
Also hiemit ist der Autor des schönen
Satzes festgestellt. Hoffentlich sieht man Frau
Günther bald wieder auf einer Wiener Bühne,
denn fürs Dakmal ist es noch zu früh.
.....
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Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BERLIN N4
Berliner Tageblatt
14.
4. Arthur Schnitzler unterhält sich mit einem Freund über
Leutnants Bilses Schlüsselroman „Aus einer kleinen Garnison", und
es entsteht die Frage, inwieweit ein Autor ein Recht habe, wirkliche
Vorkommnisse und Namen in ein Werk aufzunehmen.
„Die Frage“, sagt Schnitzler, „erinnert mich an eine reizende
Episode aus dem Leben des Tenors Streitmann; der war nämlich
schon ein berühmter Operettenheld, ohne daß ihn seine auf dem Land
lebende Mutter je auf den Brettern gesehen hatte. Eines Tages
fährt sie nach Wien, begibt sich — auf dem Zettel steht die „Fleder¬
maus" — ins Theater, wo ihr Sohn auftritt. „Nun?" fragt am
Ende der Vorstellung Streitmann seine Mutter, „wie habe ich dir
gefallen?" — „Sehr gut, sehr brav, mein Kind — aber, und sie wird
bedrückt, „warum hast du nicht das schöne Lied gesungen: „Ach, ich
hab' sie ja nur auf die Schulter geküßt?" — „Aber Mama, sagte der
Tenor, „das kommt ja gar nicht in dieser Operette vor." — „Schön,
kommt nicht vor... aber warum hast du's nicht doch gesungen?
— „Aber Mama, verstehst du nicht — ich hätt' es ja gar nicht singen
dürfen. Darauf ein langer, mißtrauischer Blick der Mutter: „Wenn
man brav ist, mein Kind, darf man alles.
„Das ist, fügt Schnitzler hinzu, „auch meine Meinung über den
Schlüsselroman.
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Telefon : Norden 3051
Prager Tagblatt
16. Mai 1925
Arthur Schnitzler unterhält sich mit einem Freund
über Leutnants Bilses Schlüsselroman Aus einer
kleinen Garnison", und es entsteht die Frage, inwie¬
weit ein Autor ein Recht habe, wirkliche Vorkomm¬
nisse und Namen in ein Werk aufzunehmen. „Die
Frage“, sagt Schnitzler, „erinnert mich an eine rei¬
zende Episode aus dem Leben des Tenors Streit¬
mann; der war nämlich schen ein berühmter
Operettenheld, ohne daß ihn seine auf dem Land
lebende Mutter je auf den Brettern gesehen hatte.
Eines Tages fährt sie nach Wien begibt sich — auf
dem Zettel steht die „Fledermaus — ins Theater, wo
ihr Sohn auftritt. „Nun?" fragt am Ende der Vor¬
stellung Streitmann seine Mutter, wie habe ich die
gefallen?
- „Sehr gut, sehr brav, mein Kind
aber, und sie wird bedrückt, „warum hast du nicht
das schöne Lied gesungen: „Ach, ich hab' sie ja nur
auf die Schulter geküßt?" — „Aber Mama, sagte
der Tenor, „das kommt ja gar nicht in dieser Ope¬
rette vor. — „Schön, kommt nicht vor... aber
warum hast du's nicht doch gesungen?" — „Aber
Mama, verstehst du nicht — ich hätt es ja gar nicht
singen dürfen. Darauf ein langer, mißtrauischer
Blick der Mutter: „Wenn man brav ist, mein Kind,
darf man alles.“ „Das ist, fügt Schnitzler hinzu,
„auch meine Meinung über den Schlüsselroman."