VII, Verschiedenes 11, 1920–1926, Seite 44


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Letzter Besuch bei einem Todgeweihten. Man fühlt,
man weiß es diesen Menschen werd' ich nie wiedersehen.
Und mit unersättlichen Blicken, in denen das Abschiedsweh
brennt, trinkt man die Umrisse der Gestalt in sich hinein,
die man lieb gehabt hat und die bald unwiederbringlich
zerstört sein wird, und man sucht als Erinnerungsbild und
Abglanz festzuhalten, was sich im Entschwinden festhalten
läßt. Und noch nach Jahren, wenn der Tod schon längst
sein Werk getan hat, sieht man ihn greifbar und lebendig
vor sich, den leicht nach vorne geneigten Greisenkörper,
mühsam atmend inmitten der weißen Kissen im Lehnstuhl.
Man sieht die mächtig gewölbte, von Gedankenrunen zer¬
pflügte Stirn und den tiefen Glanz der strahlenden Augen,
das klare und edle Gesicht, in dem sich alle Linien zu freier
und heiterer Harmonie fügen. Und man hört die Stimme,
die tonlos und brüchig ist und oft genug zum Keuchen wird
und die dennoch so herrliche Worte zu sagen weiß, daß man
sie nie vergißt.
Plato unter seinen Schülern. War dies nicht der
Eindruck, den man von Popper-Lynkeus empfing,
wenn seine Freunde und Freundinnen im Gespräch bei ihm
saßen? Eigenartigen Menschen ist man bei ihm begegnet,
Schriftstellern, Schauspielern, Politikern, Trägern berühmter
Namen und auch solchen, die man nur in diesem Freundes
kreise kannte, und einigen interessanten Frauen. Aus den
verschiedensten Bezirken des geistigen Lebens waren sie
gekommen und saßen nun in vertrauter Gemeinsamkeit
plaudernd bei dem alten Manne wie im Schatten eines
mächtigen Baumes. Plato unter seinen Schülern.
Und wird nicht dieser Eindruck bestätigt, wenn man
die „Gespräche liest, die Poppers treue Freunde
Margit Ornstein und Dr. Heinrich Löwy im Löwit¬
Verlag, Wien und Leipzig, veröffentlicht haben? Diese Ge¬
spräche, denen ein schönes Geleitwort von Poppers seither
auch schon heimgegangenem Freunde Dr. Julius Ofner
vorangestellt ist, sind keineswegs in jedem Satze und in jeder
Wendung bedeutungsschwer und vom Tiefsinn gesättigt, ja
man hat mitunter den Eindruck, als ob sub specia aeterni¬
tatis die eine oder andere beiläufige Bemerkung ohne Rück¬
sich darauf, daß das schmale Buch dann noch schmäler
geworden wäre, getrost hätte wegbleiben können. Der
Freundespietät schien eben jeder noch im Gedächtnis
haftende Ausspruch des großen Toten so ehrwürdig und
heilig, daß man sich nicht zu kritischer Sichtung entschließen
konnte. Aber wenn sich auch mitunter dicht neben den
Genieblitz die Nebensächlichkeit drängt und das Buch daher
den Eindruck einer gewissen Ungleichmäßigkeit hervorruft,
so ist es doch gerade um dieser Ungleichmäßigkeit willen
liebenswert. Denn es ist ungleichmäßig wie das Leben
selbst, das Leben, in dem ja ein Genie nicht immer mit Wehr
und Waffen seines Geistes gepanzert ist, sondern oft genug
den Schlafrock trägt. Und diese Ungleichmäßigkeit der „Ge¬
spräche beeinträchtigt auch keineswegs das harmonisch
edle Bild des Menschen, der auch im Schlafrock etwas
Hellenisches an sich hatte: Plato unter seinen Schülern.
Von den Menschen, deren Begegnungen und Gespräche
mit Popper-Lynkeus im folgenden skizziert werden, stehen
manche seinem System der allgemeinen Nährpflicht mit
ihren vielfachen sozialethischen Verzweigungen keineswegs
vorbehaltlos, ja zum Teil sogar ablehnend gegenüber. Aber
der Zauber seines Wesens, der Adel seiner genialen Persön¬
lichkeit rührt sie alle mit gleicher Gewalt an.
Ueber einen Besuch Einsteins bei Popper notiert
Dr. Löwy: Vormittags. Popper im Bett. Ich habe mich
etwas verspätet. Als ich komme, sitzt Einstein in dem roten
Lehnstuhl neben dem Bett. Es sind noch anwesend der
Physikprofessor Felix Ehrenhaft und seine Frau.
Einstein spricht gerade über die Krümmung des
Raumes in der neuen Gravitationstheorie. Popper erzählt,
welchen Eindruck jenes Kapitel der Machschen Mechanik,
das die Kritik der Newtonschen Prinzipien enthält, bei der
ersten Lektüre vor vielen Jahren auf ihn gemacht habe.
Ehrenhaft mahnt zum Aufbruch. Einstein steht auf und
nimmt Abschied. Popper sagt zu ihm: „Bleiben Sie stand¬
haft, auch in der Judenfrage!
Die Person Einsteins hat einen außerordentlichen
Eindruck auf Popper gemacht. Er sagt: „So viel Güte und
Sanftmut! Als er hereintrat, hab' ich im ersten Moment
gemeint: Spinoza. Nur bei den Juden gibt es solche
Physiognomien. Bei den Juden nämlich findet man die
äußersten Gegensätze. Höchstens noch bei den Italienern
könnte man ein solches Gesicht finden, nämlich bei den
italienischen Heiligen: Franz von Assisi zum Beispiel.
Nach einer Pause sagte Popper: „Ist es nicht etwas
Schönes, daß ein Mann, der so Außerordentliches geleistet
hat, mir die Ehre erweist, mich aufzusuchen?"

Gesprächsfragment und eine kleine Anekdote
Popper im Bett. Arthur Schnitzler erzählt, daß
er jetzt Plutarch und die „Griechische Kulturgeschichte von
Jakob Burckhardt lese. Er bewundert die unübertreffliche
Kürze und Prägnanz der Ausdrucksweise Burckhardts
und vergleicht sie mit dem Stil des „Michael Kohlhaas";
„Jeder Satz ist von Bedeutung, es gibt keine Ruhepausen
beim Lesen.
Popper nickt zustimmend. Das Gespräch kommt auf
die Griechen.
„Die großen Wohltäter der Menschheit", sagt Popper,
„waren keine Genies.
Schnitzler: „Wie meinen Sie das?
Popper: „Es bedarf nicht des Genies eines Newton,
um ein Wohltäter der Menschen zu sein.
Schnitzler: „Wen halten Sie für einen Wohltäter
der Menschen?
Popper: „Hippokrates, Euripides."
Das Gespräch wendet sich dem Kriege zu. Schnitzler
bemerkt, daß die Millionenheere, die jetzt an einem Kriege
teilnehmen, eine ganz neue Erscheinung seien. Popper nickt zu¬
stimmend: „Man berichtet von den Riesenheeren des Terres.
Voltaire war der erste, der aufmerksam gemacht hat, daß
diese großen Zahlenangaben nicht richtig sein können. Nach
ihm hat in neuerer Zeit Delbrück das gleiche getan. Tamerlan
zum Beispiel hätte mit so großen Heeren wegen der Ver¬
pflegung nicht durch die Wüste hindurchkönnen.
Ein kleines Scherzo. Arthur Schnitzler und die
Schauspielerin am Deutschen Volkstheater Fräulein Else
Schilling sind da. Popper liegt im Bette.
Es wird viel gelacht. Fräulein Schilling scherzt mit
Popper und sagt, daß sie das Spitzbübische an ihm erst jetzt
bemerke. Wir lachen so viel, daß Fräulein Schilling sagt,
sie möchte wissen, ob irgendwo in Wien jetzt so viel gelacht
werde wie hier. Sie erzählt, daß Anton Wildgans
wieder in Mönichkirchen sei, tausend Meter hoch, um zu
arbeiten.
Popper lachend: „Tausend Meter, was ist das?
So viel wie der Semmering. Das ist gar nichts.
Fräulein Schilling lachend): „Natürlich, für Sie ist
das gar nichts. Hietzing liegt viel höher.
Als sie weggeht, sagt Popper: „Wissen Sie, ich habe
ja keinen Humor. Aber sie hat Humor und ich bin darauf
eingegangen.
Mit welcher bezaubernden Kindlichkeit freut sich Po per¬
Tynkeus über jedes brüderliche, herzliche Wort seiner
Freunde! Am Pfingstmontag 1919 schreibt ihm Hermann
Bahr: „Sehr verehrter Meister! Empfangen Sie meinen
allerherzlichsten Dank für die große Freude, die Sie mir
durch ihren gütigen Brief bereitet haben. Zeilen von Ihrer
teuren Hand sind mir ein wahres Festgeschenk. Lassen Sie
mich bei dieser Gelegenheit Ihnen einmal ins Gesicht sagen,
was ich hinter Ihrem Rücken oft sage: daß ich Sie von
ganzem Herzen bewundere, daß ich Ihren Büchern unendlich
viel verdanke, daß sich Ihnen für alle Zeiten verbunden
und innerlich zugehörig weiß Ihr verehrungsvoll ergebener
Hermann Bahr.
Popper ist von diesem Brief entzückt und gibt ihn
Margit Ornstein mit den Worten: „Lesen Sie den Brief,
Sie werden sehen, was für eine Liebenswürdigkeit da
drinnen steckt.
Leidenschaftliche Bewunderung empfand Popper-Lynkeus
für Ida Roland und Alexander Moissi. Von diesen
beiden Künstlern schwärmte der alte Mann wie ein
glühender Enthusiast der vierten Galerie.
Als nach einem Besuche von Ida Roland, die da¬
mals im Deutschen Volkstheater wirkte, der greise Denker
gefragt wurde, welchen Eindruck die Künstlerin auf ihn ge¬
macht habe, da antwortete er mit ungewöhnlicher Lebhaftig¬
keit: „Sie ist durch und durch genial.
Und auf einer Postkarte an Ida Roland, die bei einer
vom Dramaturgen Heinrich Glücksmann veranstalteten
Matinée, die „Schlacht von Austerlitz" aus Poppers
„Phantasien eines Realisten“ vorgetragen hat, dankt er ihr
dafür mit den Worten: „Sie haben zum zweitenmal die
Schlacht von Austerlitz gewonnen. Das hat nicht einmal
Napoleon vermocht. Um so mehr bewundere ich Sie.
Dem Zauber von Poppers reinem, unantastbarem
Wesen und seiner freien, reichen Menschlichkeit haben sich
auch die Gegner seines Systems nie zu entziehen vermocht.
seiner Lehre zustimmend oder ab¬
Mag man sich nun zu
lehnend verhalten, die
Gespräche zeigen ihn so, wie er
in unser aller Erinnerung weiterlebt: als einen verehrungs¬
würdigen Menschen und einen Fürsten des Geistes.