VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 3

11.
Miscellaneous
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den der Mann Morgen
Streit mit
Herrn Fehler
Von Herbert Culenberg
le das preu¬
mich als Dichter zu finden. Von seiner Sym¬
rend der ganzen Generalprobe nachsinnen. Es
rein Poli¬
pathie für meine übrigen Stücke zu reden, und
wäre mir fast lieb gewesen, wenn er mich aus
Anlaß der
mir sein Bedauern über diesen nach seiner Mei¬
diesem seinem Hause hinausgewiesen hätte.
Herbst zur
nung mißglückten Wurf auszudrücken „Und so
hätte so zeitgemäß gewirkt und so folgerecht zur
unter der
weiter!", wie Gerhart Hauptmann gewichtig sagen
Gegenwart gepaßt, wenn der Dichter aus dem
Schillers, die
würde. O heiliger Brahm, du warst zwar kein
Bühnenhaus vertrieben und verbannt worden
Seelenge¬
Gemütsriese, aber mit welcher Zartheit würdest du
wäre. Jedenfalls hätte es mir auch mehr Achtung
hat, zur
die Situation erhellt und beseelt haben! Herr
vor Herrn Jeßner eingeflößt, wenn er so rein sach¬
verstan-
Jeßner gibt kein Wort von sich, sondern weidet
lich und kalt gegen mich vorgegangen wäre, als
a mich
sich nur kalt lächelnd an meiner Zwangslage. Da
daß er sich hinterher wieder heimlich hinter die
konnte
reißt mir die Geduld angesichts dieser seiner glei¬
Presse machte, soweit er ihrer habhaft werden
gen.
ßenden Miene. „Sie haben sich erbärmlich be¬
konnte, um sie erneut gegen mich und mein Stück
te, so
nommen!" brüll ich ihn auf der Bühne an.
nach Kräften einzunehmen. „Exoriare aliquis
unange¬
„Wer hat sich erbärmlich benommen?" fragt er
habe ich ihm noch auf der Bühne zugedonnert.
unter
noch, weil er gar nicht ahnt, daß sich so etwas wie
Hoffentlich hat er's nicht für hebräisch gehalten.
tück in
ein Dichter einmal gegen einen allgewaltigen In¬
Aber statt müßig auf meinen Rächer zu warten,
tendanten erheben kann. „Sie!“ wiederhole ich
will ich lieber schon selber heute meinen Aerger
kostet
laut, und zeige mit meinem Hut in die Rich¬
über diese Entwürdigung in Tinte und Drucker¬
tung, wo er steht. Das Gesicht Nasos, seines
schwärze wegschwemmen. Handelt es sich ja doch
Dramaturgen, der neben ihm auf der Bühne seines
bei diesem Fall nicht allein um mich, sondern auch
Spielleiteramtes waltet, wird bleich. Nasos Nase
um meine ganze Gilde, die sich heute fortgesetzt
wird länger. Er sieht aus, wie ein vornehmes
lakaienhaft behandelt und vor die Theatertüre ge¬
Rassepferd, das seinen Herrn betrauert. „Aber,
setzt sieht. Und handelt es sich doch hierbei auch
Herr Doktor!" beschwichtigt er mich: „Machen Sie
darum, mit wie wenig Entgegenkommen man von
doch hier auf der Bühne keine Scene! Vor dem
seiten der Theaterintendanz bei uns auf den sel¬
Personal! „Ich denke, es gibt kein Personal
tenen Entschluß eines unserer Ministerien, einmal
mehr in der Republik", erwidere ich. „Bitten Sie
etwas für die Kunst auszuwerfen, antwortet und
doch Herrn Intendanten um eine Unterredung
sich rührt. Das preußische Ministerium des In¬
allein und unter vier Augen!“ redet mir Naso
nern wird jedenfalls nach diesen Erfahrungen mit
gut zu. „Nun wohl! Ich bitte um diese Unter¬
Herrn Jeßner so bald nicht wieder Lust verspüren.
redung. Sofort!“
einem Künstler eine Festdichtung in Auftrag zu
Daraufhin erklärt Jeßner dem Vermittler:
geben. Und wer könnte es ihm nach solchem Hin¬
„Nein! Sagen Sie Herrn Doktor Eulenberg, er
tertreppenspiel auch weiter verdenken?
würde mir mit Recht gleichfalls eine Aussprache
Es bleibt ein Jammer, daß durch den rohen,
verweigern, wenn ich mich so in seinem Hause
bildungslosen Betrieb unserer heutigen Schau¬
benommen hätte, wie er soeben in meinem Hause.
bühnen schließlich noch die letzten Poeten von
Damit eilt er fort. Und ich kann ihm nur noch
diesen Stätten gedrängt werden, an denen bald
nachrufen: „Wenn Sie sich in meiner Lage be¬
nur noch Macher und Schieber gedeihen. Es kann
fänden, so dürften Sie sich gegen mich in meinem
leicht sein, daß die für das nächste Jahr geplante
Hause ebenso aufführen, wie ich hier. So viel
große und umfassende Theaterausstellung in Mag¬
Temperament wie mir gestehe ich Ihnen zu.
deburg zugleich Ruhmes- wie Grabeshalle der
Aber er zieht sich scheu zurück. Und mir bleibt
Schaubühne, wie sie Schiller und die seines Stre¬
nichts übrig, als ihm durch seinen Dramaturgen,
bens sahen und sehen, werden kann, und daß vor
Dr. Naso, noch bestellen zu lassen, daß ich als
ihrem Eingangstor, unsichtbar für die Menge, aber
deutscher Dichter jedes Theater, wenigstens vom
sichtbar jedem Dichter, die Worte prangen: „Hier
Vorhang an bis zur letzten Bühnenwand, auch als
ruht das deutsche Theater. Es starb an Roheit,
mein Haus betrachte. „In meinem
Sachlichkeit, Dichterhaß, Politisiererei und anderen
Hause!" Diesem Wort Jeßners mußte ich wäh¬
zeitgenössischen Gebrechen.“
Erwiderung an Herrn Dr. Herbert Eulenberg

Von Leopold Feßner
beteiligt war, hat seine Kräfte bis zum letzten in
Herr Dr. Herbert Eulenberg hält mich —
den Dienst einer Sache gestellt, die sicherlich nicht
warum nur - für seinen Feind und für einen
dem eigenen Lorbeer — wohl aber einer festlichen
Intriganten dazu. Der Gedanke ist frei. Ich
Veranstaltung von allgemeinem Interesse galt. Des
kann daran — trotzdem ich weder des einen noch
Autors Wünsche, selbst wenn sie der (künstleri¬
des anderen mir bewußt bin — leider nichts an¬
schen Meinung der Leitung und Regie zuwider¬
dern. Aber sachlich muß ich einiges richtig¬
liefen, wurden im Sinne des besonderen Charak¬
stellen
ters der Aufführung erfüllt. Und wenn der „hohe
i inne — as Dr. Kleben — ein Bo=
Herr Intendant dem Dialog einige schärfere
spiel „Die beste Polizeit ablehnen Anderenfalls
Schlaglichter aufgesetzt wünschte, so wollte er da¬
an ihn daher nach
mit gewiß nicht „Rembrandt" und „Kokoschka
macht: auch nur in einem Stück verrissen zu
werden, das auf der eigenen Bühne gespielt wurde?
Es gefällt Herrn Dr. Eulenberg weiterhin, der
Oeffentlichkeit mitzuteilen, daß er mich auf der
Bühne des mir anvertrauten Hauses — „meines
Hauses" — mit Worten angriff. Er schildert diese
Szene mit aller Genauigkeit und einem erstaun¬
lichen Vergnügen am „Milien“. Aber eine meiner
Antworten ist ihm doch entfallen — und ich möchte
sie ihm ins Gedächtnis zurückrufen. Als er sich
nämlich auf sein „Temperament" berief, habe ich
erwidert: das sei ja keine Sache des Tempera¬
mentes — sondern der Kinderstube. Und wenn ich
kaltlächelnd geschwiegen habe, so war es wohl
mehr die Ruhe des Kapitäns bei Windstärke 11
eine Ruhe, zu der ich mich als Theaterleiter
erzogen habe. Wenn Herr Dr. Eulenberg schlie߬
lich rekapituliert: er habe mir „Exoriare ali¬
quis..." „zugedonnert und hofft: „ich hätte es
nicht für hebräisch gehalten" — so kann ich ihm
hierzu nur sagen: ich würde die Sprache Virgils
sicherlich niemals mit der hebräischen verwechseln,
da ich als orthodox-religiöser Jude ein zu guter
Kenner der hebräischen Sprache bin.
Doch ich möchte mich nicht ebenfalls in Pri¬
vates verlieren. Dinge größerer Wichtigkeit stehen
hier auf dem Spiel. Denn wenn Sie ehrlich sind,
Herr Herbert Eulenberg, so kämpfen Sie ja nicht
um einen Abend und um eine Aufführung — nicht
um das Festspiel und seine erste oder zweite Be¬
setzung. Sie kämpfen um ein Prinzip das Prin¬
zip der Vergangenheit gegen das Prinzip der Ge¬
genwart. Sie rennen erbittert, und mit einem
durch Jahre aufgespeicherten Grimm, Sturm gegen
den Geist des „Heute", der nach dem Gesetz der
Wandlung stärker ist als der Geist von „Gestern",
Wie aber kann ein Dichter eine Zeit erfüllen,
wenn er sie in ihrem Wesen und in ihren Erschei¬
nungsformen so blindlings ablehnt, wie Sie es
tun, statt daß er versuchte: auch sie zu begreifen und
zu erfüllen, wie er einstmals seine eigene Zeit be¬
griffen hat. Unsere heutige Schaubühne ist ja
wirklich nicht so „roh und bildungslos"... sie
„verdrängt nicht die letzten Poeten von diesen
Stätten". Im Gegenteil: sie sucht Poeten — wie
kaum eine andere! Und vielleicht ist gerade ihre
„Sachlichkeit", die Sie ihr vorwerfen, ihre stärkste
Waffe und Kraft.
Genug der Worte sind gewechselt! Und wie
wenig versteht man sich doch — gerade durch
Worte! Vielleicht aber erinnert sich Herr Dr.
Eulenberg einer Zeit, da er mich noch nicht für
seinen Feind hielt und überzeugt war, daß ich ihn
verstand. Meine Königsberger Eulenberg-Auffüh¬
rungen haben es ihm bewiesen. Glaubt Herr Dr.
Eulenberg, daß ich aufgehört habe, ihn zu ver¬
stehen, nur weil ich jetzt in Berlin Theater leite?
Aber immer verstand ich nur den Poeten Eu¬
lenberg. Ueber persönliche Verstimmung und
„seinen Streit mit mir hinaus hoffe ich, daß der
Tag kommen wird, an dem Herr Dr. Eulenberg
wieder als „Poet" (und nicht mehr als erzürn¬
ter Festspielautor) zu mir sprechen wird — mit
einem neuen Werk des alten Eulenberg
Mögen inzwischen auch die „Schattenbilder üb
meinem Schattenriß zu Gericht sitzen.