VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 4

eaters
Stückes,
wäre
Nein!
In¬
wenn
nach in der dabei ihre
de de dan auch unter
doch Herrn Intendanten um eine Unterredung
sich rührt. Das preußische Ministerium des In¬
allein und unter vier Augen!“ redet mir Naso
nern wird jedenfalls nach diesen Erfahrungen mit
gut zu. „Nun wohl! Ich bitte um diese Unter¬
Herrn Jeßner so bald nicht wieder Lust verspüren.
redung. Sofort!“
einem Künstler eine Festdichtung in Auftrag zu
Daraufhin erklärt Jeßner dem Vermittler:
geben. Und wer könnte es ihm nach solchem Hin¬
„Nein! Sagen Sie Herrn Doktor Eulenberg, er
tertreppenspiel auch weiter verdenken?
würde mir mit Recht gleichfalls eine Aussprache
Es bleibt ein Jammer, daß durch den rohen,
verweigern, wenn ich mich so in seinem Hause
bildungslosen Betrieb unserer heutigen Schau¬
benommen hätte, wie er soeben in meinem Hause.
bühnen schließlich noch die letzten Poeten von
Damit eilt er fort. Und ich kann ihm nur noch
diesen Stätten gedrängt werden, an denen bald
nachrufen: „Wenn Sie sich in meiner Lage be¬
nur noch Macher und Schieber gedeihen. Es kann
fänden, so dürften Sie sich gegen mich in meinem
leicht sein, daß die für das nächste Jahr geplante
Hause ebenso aufführen, wie ich hier. So viel
große und umfassende Theaterausstellung in Mag¬
Temperament wie mir gestehe ich Ihnen zu.
deburg zugleich Ruhmes= wie Grabeshalle der
Aber er zieht sich scheu zurück. Und mir bleibt
Schaubühne, wie sie Schiller und die seines Stre¬
nichts übrig, als ihm durch seinen Dramaturgen,
bens sahen und sehen, werden kann, und daß vor
Dr. Naso, noch bestellen zu lassen, daß ich als
ihrem Eingangstor, unsichtbar für die Menge, aber
deutscher Dichter jedes Theater, wenigstens von
sichtbar jedem Dichter, die Worte prangen: „Hier
Vorhang an bis zur letzten Bühnenwand, auch als
ruht das deutsche Theater. Es starb an Roheit,
mein Haus betrachte. „In meinem
Sachlichkeit, Dichterhaß, Politisiererei und anderen
ause!“ Diesem Wort Jeßners mußte ich wäh¬
zeitgenössischen Gebrechen.“
derung an Herrn Dr. Herbert Eulenberg
Von Leopold Feßner
beteiligt war, hat seine Kräfte bis zum letzten in
Herr Dr. Herbert Eulenberg hält mich —
den Dienst einer Sache gestellt, die sicherlich nicht
arum nur? — für seinen Feind und für einen
dem eigenen Lorbeer — wohl aber einer festlichen
Intriganten dazu. Der Gedanke ist frei. Ich
Veranstaltung von allgemeinem Interesse galt. Des
kann daran — trotzdem ich weder des einen noch
Autors Wünsche, selbst wenn sie der (künstleri¬
des anderen mir bewußt bin — leider nichts an¬
schen) Meinung der Leitung und Regie zuwider¬
dern. Aber sachlich muß ich einiges richtig¬
liefen, wurden im Sinne des besonderen Charak¬
stellen.
ters der Aufführung erfüllt. Und wenn der „hohe
Ich konnte — sagt Dr. Eulenberg — sein Fest¬
Herr Intendant dem Dialog einige schärfere
spiel „Die beste Polizei" ablehnen. Anderenfalls
Schlaglichter aufgesetzt wünschte, so wollte er da¬
mußte ich es gut aufführe. Letzteres geschah.
mit gewiß nicht „Rembrandt“ und „Kokoschka
Erstere Behauptung aber verschiebt die sachliche
vermengen — und seine „Stillosigkeiten hätten
Basis,
sich lediglich auf der Linie bewegt, die der Autor
selbst vorgezeichnet hatte. Uebrigens sprach mir
Ich habe das Stück von vornherein nicht für
Herr Dr. Eulenberg auf einer der Proben seine
das Repertoire angenommen. Ich nahm die Ge¬
Zufriedenheit und seinen Dank aus... wo blieb
legenheitsarbeit für eine Gelegenheitsaufführung
da der „heimliche Krieg“?
an — als gesellschaftliche mehr, denn als künst¬
lerische Tatsache... als Mittler einer Festveran¬
III.
staltung des Ministeriums des Innern, die dieses
Zwei Repertoire-Werke der Staatlichen Schau¬
in den Räumen des Ministeriums für Wissenschaft,
spielhäuser (Lenz' „Soldaten“ und Wedekinds
Kunst und Volksbildung — also am Gendarmen¬
„Lulu") wurden damals vorbereitet — wichtig
markt — aufzuführen wünschte.
beide für den künstlerischen und materiellen Auf¬
Es war des Dichters Herbert Eulenberg
bau des Spielplanes, wichtig auch für die Aus¬
Verpflichtung gewiß nicht: aus solchem Anlaß ein
balanierung darstellerischer Kräfte des Hauses
Werk gleich Verdis „Alda zu schaffen, das über
Ich habe deren eines zurückgestellt, um meine
den Tag hinaus bleibenden Wert behalten sollte
(spätere Verpflichtung dem Ministerium des In¬
Es kam aber demgemäß auch niemals eine Reper¬
nern und Herrn Dr. Eulenberg gegenüber voll
toireverpflichtung des Staatstheaters in Frage.
zu erfüllen. Nachdem sie aber erfüllt war, hatte
Gleichviel habe ich das Festspiel mit allem Re¬
ich weder das Recht noch die Pflicht: das Ge¬
spekt betreut, den ich dem Veranstalter sowohl wie
legenheitsstück weiterhin zu spielen. Juristisch hat
dem Dichter Herbert Eulenberg schuldig zu sein
ein Vertrag über diese Aufführung nie bestanden
gente.
sie war ein Sonderfall. Künstlerisch hätte eine
Fortführung des Festspiels dem Dichter der „Lei¬
Welcher Anlaß wäre wohl auch für mich ge¬
denschaft“ und der „Belinde wohl kaum genützt
wesen: gegen Eulenbergs „Beste Polizei heimlich
— und es scheint mir fast illoyal, für diese meine
einen Krieg zu führen? Ich nehme schwere Dinge
Auffassung die Stimmen führender Blätter zu
schwer — und harmlose Dinge harmlos. Gleich¬
zitieren.
wohl war es das Haus sich selbst und seiner Di¬
Aber verzeihen Sie, Herr Dr. Eulenberg, „ich
sziplin schuldig: gewissenhafte Arbeit auch an ein
habe mich" — nach Ihrer Ansicht
heim¬
Spiel zu setzen, das der Heiterkeit eines Abends
lich hinter die Presse gemacht, soweit ich ihrer
dienen sollte. Das ist selbstverständlich geschehen
habhaft werden konnte. Glauben Sie das wirk¬
sowohl in Darstellung wie in Regie. Jeder
lich, obwohl Sie es schrieben? Glauben Sie wirk¬
zelne, der an der Aufführung dieses Abends lich, daß es einem Theaterleiter so große Freude
Tafelwasser
Auf alle Falle
Paris-Quelle
DEUS MINERAQUELENAGERS 64 MERKUR 4664.66

der die amtlichen die Kufen und Annette lettre
de Poen se sanitären Bedarf
um das Festspiel und seine erste oder zweite Be¬
setzung. Sie kämpfen um ein Prinzip das Prin¬
zip der Vergangenheit gegen das Prinzip der Ge¬
genwart. Sie rennen erbittert, und mit einem
durch Jahre aufgespeicherten Grimm, Sturm gegen
den Geist des „Heute", der nach dem Gesetz der
Wandlung stärker ist als der Geist von „Gestern“.
Wie aber kann ein Dichter eine Zeit erfüllen,
wenn er sie in ihrem Wesen und in ihren Erschei¬
nungsformen so blindlings ablehnt, wie Sie es
tun, statt daß er versuchte: auch sie zu begreifen und
zu erfüllen, wie er einstmals seine eigene Zeit be¬
griffen hat. Unsere heutige Schaubühne ist ja
wirklich nicht so „roh und bildungslos".
„verdrängt nicht die letzten Poeten von diesen
Stätten“. Im Gegenteil: sie sucht Poeten — wie
kaum eine andere. Und vielleicht ist gerade ihre
„Sachlichkeit", die Sie ihr vorwerfen, ihre stärkste
Waffe und Kraft.
Genug der Worte sind gewechselt! Und wie
wenig versteht man sich doch — gerade durch
Worte! Vielleicht aber erinnert sich Herr Dr.
Eulenberg einer Zeit, da er mich noch nicht für
seinen Feind hielt und überzeugt war, daß ich ihn
verstand. Meine Königsberger Eulenberg=Ausfüh¬
rungen haben es ihm bewiesen. Glaubt Herr Dr.
Eulenberg, daß ich aufgehört habe, ihn zu ver¬
stehen, nur weil ich jetzt in Berlin Theater leite?
Aber immer verstand ich nur den Poeten Eu¬
lenberg. Ueber persönliche Verstimmung und
„seinen Streit mit mir hinaus hoffe ich, daß der
Tag kommen wird, an dem Herr Dr. Eulenberg
wieder als „Poet" (und nicht mehr als erzürn¬
ter Festspielautor) zu mir sprechen wird — mit
einem neuen Werk des alten Eulenberg.
Mögen inzwischen auch die „Schattenbilder üb
meinem Schattenriß zu Gericht sitzen!
Versöhnungsvolles
Schlußwort des M
Einerseits ist es gewiß schwer möglich, ein
abendfüllendes Stück zu beurteilen, wenn dem Zu¬
schauer bloß ein zusammengestützter Einakter vor¬
gesetzt wird. Andererseits ist es für den Inten¬
danten ein Kreuz mit den vom Ministerium be¬
stellten Stücken, warum, zum Teufel, läßt man
nicht Theaterleiter und Dichter direkt bei und vor
der Geburt verhandeln? Schuld ist also in erster
Linie der verständnislose Ministerialrat, der zuerst
bestellt und dann den Intendanten sorgen läßt.
Wichtiger als dieser für unsere Begriffe etwas
zu unhöflich geführte Streit ist die Frage: Warum,
wenn Jeßner mindestens den früheren Eulenberg
schätzt, warum hat er nicht ein einziges Mal daran
gedacht, ihn aufzuführen? Das Lustspiel „Der
natürliche Vater“ von Hofmannsthal, Pol-
gar, Salten und von Reinhardt, Wegener, Litz¬
mann ungewöhnlich geschätzte Lustspiel, um nur
dieses zu nennen, warum ist es seit der vor zwan¬
zig Jahren in den „Kammerspielen erfolgten Auf¬
führung für Berlin verschollen? Ist es nicht das¬
selbe mit den ungelesenen, zum Teil reizenden
Stücken von Schmidtbonn? Herr Jeßner ist
ein immer nach der neuesten Mode fassonierter
Mann. Das lob' ich mir. Es muß so tadellos
modern frisierte Köpfe geben. Aber geht der aus¬
gezeichnete Mann nicht zuweilen gerade an seinen
Altersgenossen etwas schroff vorüber? Arthur
Schnitzler erzählte einmal, er habe auf einen
freundlichen Brief nach einem halben Jahr eine
korrekte Antwort erhalten, für Gerhart Haupt¬
mann hat Jeßner bis vor kurzem bloß eine
sehr formelle Verbeugung. Zur Bildung
eines Spielplans aber ist, wie ich glaube,
mehr als so viel äußere Korrektheit nötig. Dazu
ist ein freudiges, zugreifendes Nehmen aus allen
Epochen notwendig. Und dann wäre in dem guter
romantischen Poeten Herbert Eulenberg in Düssel¬
dorf auch nicht so grauenhaft tiefer Groll ange¬
häuft.
Stefen Großmann.