VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 13

1.
Miscellaneous
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de Mann, Pold oder Franzl ge¬
et, hat aber nichts gelernt, kann
Hermann Hesse in seinem Werk.
sagen und liebenswürdig, andere
würfen nicht fehlen: ein Fiaker,
Aus Anlaß des 50. Geburtstags von Hermann Hesse des zurückblebenden Hans Giebenrath sind diejenigen des Dich¬
Jahrgangs, eine rüstige alte Abort
(2. Juli) erscheint bei S. Fischer=Berlin eine Biographie ters. Ebenso entspricht die Lehrzeit des Exseminaristen in einer
Jugend erinnert. Dazu Riesenrad,
des Dichters von Hugo Ball, der wir folgende Stellen mechanischen Werkstatt den biographischen Tatsachen. Hesse hat
altes Haus mit schlecht gepflaster
zum Vorabdruck entnehmen:
anderthalb Jahre (von Frühjahr 1894 bis Herbst 1895) in Calw
zwei Männer, die zum Spiel von
Dem Dichter war von den Eltern die Theologen=Laufbahn be¬
das Schleifen von Rädchen für Turmuhren gelernt und wohl auch
In die Hände klatschen. Film-Wien
stimmt. So war es Tradition und bei jungen Menschen von guten
das Montieren von Turmuhren. Der „Knulp" wäre ohne diese
Begabung das Gegebene. Die theologische Laufbahn entsprach
Handwerkslehre wohl kaum entstanden.
nicht nur den Wünschen der Familie, sie war außerdem das billigst
Mädel war zweifellos einmal vor
Zwischen der Flucht aus dem Seminar und der rauhen Turm¬
Studium; denn für württembergische Thologen gab es vom 14.
uhren=Lehrzeit liegen allerlei vergebliche Versuche sich in irgend¬
= und Neunzigerjahren, als die Jahr an eine kostenlose Ausbildung; man brauchte nur das so einem Studium und Berufe zurechtzufinden. Während bis zum
sen großen Krach von 1873 hinter genannte „Landexamen mit Erfolg zu bestehen. Dieses Examen Landes Examen und ersten Aufenthalt in Maulbronn alles gut
fe, auch in den Provinzstädten der diente dazu, aus ganz Schwaben jährlich etwa fünfundvierzig
ging und die Jugendjahre seit Basel fröhlich und unbekümmert
; als die Brünner reich geworden, Knaben im Alter von vierzehn Jahren auszuwählen, die dann verlaufen waren, ist es seit den Maulbronner Erlebnissen, als
ien, sagten sich von Papas nahr als Stipendiaten in eines der niederen Seminare (Maulbronn
vom Handel nichts mehr wissen
wäre der Teufel los. Auf dem Gymnasium in Cannstadt bleibt
Urach, Blaubeuren) und später auf Staatskosten an der Tübinger der Schüler wenig länger als ein Jahr; treibt schließlich Allotria,
er gekommen. Die Wiener Schule
Universität, ins weltberühmte theologische „Stift“ ausgenommen verkauft seine Schulbücher gegen ein Pistol und muß mitten im
Bezirkes bodenständig, unternahm, wurden. Diese Prüfung blieb auch dem jungen Hesse nicht erspart.
Schuljahr aus der Obersekunda fort. Er kommt zu einem Buch¬
Um aber zugelassen zu werden, mußte der Knabe vor allem schwä¬
Sache nicht nur einen Namen hätte
händler noch Eßlingen in die Lehre, verschwindet aber auch dort
bischer Staatsbürger werden. Der Vater ließ ihn also zum Zweck
die Vorstädte, verband das Ange¬
schon nach rei Tagen. Der Vater nimmt ihn zurück nach Calw,
der theologischen Karrière anno 90 oder 91 eigens naturalisieren versucht ihn als Gehilfen bei seinen Arbeiten zu beschäftigen; es
stiegen zu den Töchtern des Lan= und in Göppingen die Lateinschule besuchen.
indern einer halbwüchsigen Zeit
ist aber auch er nur ein gedrücktes, unerquickliches Herumsitzen.
Die Darstellung des Landes=Examens und der Seminaristen¬
sen nach Maß und eine hübsche
Er kommt in ie Turmuhren=Fabrik und das Handwerker=Wesen
zeit in „Unterm Rad“ ist lebensgetreu. Nur heißt der Vater mit seinem Rest von laubgrünem Burschentum und Pennen=Ro¬
höchste Glückseligkeit bedeuteten. Joseph Giebenrath und ist nicht Missionsprediger, sondern Zwi¬ mantik fesselt ihn erst. Zuletzt aber sind Kopf und Körper dem
se versunkene Umwelt der Herren¬
schenhändler und Agent. Nur das Erlebnis in einer Art Spaltung
Amboß= und Funkengetriebe nicht mehr gewachsen. Nach aber¬
einmalig und unübertroffen ge= der Persönlichkeit, die auch sonst in Hesses Büchern, so in
maliger Ruhepause im Elternhaus glückt es dem Jüngling, in der
Nachempfindsamen versuchte sich
„Lauscher“, im „Demian", in „Klein und Wagner
Hackenhauerschen Buchhandlung in Tübingen unterzukommen. Und
hervortritt, an zwei Freundesgestalten verteilt. Die Flucht des nun scheint er am erwünschten Platze zu sein; er ist nicht gerade
Hermann Heiner aus Maulbronn ist des Dichters eigene Fluch
lich vierzig Jahren, da ein neues
Stfitler, aber er lebt doch in Tübingen unter Studenten und Pro¬
cht lebt, verschieden in der Lebens
aus dem Seminar. Aber auch die seelischen Wirrnisse und Leiden fessoren, mitten in einer gelehrten und schöngeistigen Welt.

nen, eines, das auf die Vorher¬
in Gründen nicht gut zu sprechen Prater und hat dort mühelos die gleic prachige Köchin gefun¬
gattung. Der wirkliche Heurige hingegen kennt keine lärmende
ports, des Eindringen der Mäd¬ den; die jungen Leute besorgen das jetzt in Prag, Warschau, Musik, keine Duliähstimmung, keine Verbrüderungszenen, wie
Einbeziehung in den gewerkschaft Budapest und sonstwo. Es soll noch inner das gleiche Getüm¬
sie der Film so gerne zeigt; der Ort, wo gerade ausgeschenkt
süße Mädel des Filmonkels uns mel sein, aber der Prater hat jedenfalls an Glanz und Wonnen wird, wo einer der spärlich gewordenen Weinbauern seine vor¬
nn es im kniefreien Rock und kur= verloren. Früher einmal führte der nächste Weg zur frischen
goneroffizieren aus der seligen
jährige Fechsung an den Mann bringt, vielfach in einem der
Luft in den Prater. Seit die Touristenvereine Er
Aufscheinenden Walzertext modern
Zimmer seines Häuschens und im Garten, wird von den Meist¬
mäßigungen auf den Bahnen zu vergeben haben, ist jede
eiter.
beteiligten irgendwie geheim gehalten; die Sekte der Wein¬
bessere junge Mann ordentliches Mitglied und fährt samt Freun¬
beißer hat Angst, die andern könnten ihnen die zwei Eimer
einmal. Es steht zwar noch eine din ehrbarst auf den Semmering oder auf die Hohe Wand. Der des Ferdinand Stanglberger in ein paar Tagen wegtrinken.
er der, von dem die Gegend den Prater wurde im großen Ganzen auf die Einwohner der nächst
der Wurstel ist verschwunden. So
Sie sitzen still und ernsthaft hinter ihren Gläsern, die sie nach
liegenden Bezirke beschränkt, und so mancher Wiener erfährt Art der Eingeweihten langsam, zeremoniell an den Mund
sehr naiv genug, sich die Belusti= aus einem Film berlinischer Erzeugung, daß erwähnter Aus¬
terzeit gefallen zu lassen. De
führen. Es sind fast durchwegs ältere Herren, gründlich ge¬
flugsort noch auf der Welt ist.
pe Liebesmarkt einer mäch¬
mischte Gesellschaft, vom Kanalräumer bis zum Generaldirektor,
Man unterscheidet ferner den wirklichen und den Fremden
die kosenden Liebespaaren, die zufällig dazugekommen sind, mit
Was das kaiserliche Wien an heurigen. Dieser ist auf allen Ankündigungen angepriesen, alle Blicken abgründiger Verachtung begegnet. Manchmal beginnt
er, ungarischer, ruthenischer, kroa¬ Autotaxi führen zu ihm, einer ins Nachtlokalmäßige über einer wie aus dem Traum heraus vom Alsegger 1897 oder
tete, erhob sich Sonntags in den tragenen Nachahmung einer früher vollsteinlichen Wirtshaus-Segerner 1903 zu sagen und zählt diesen Vorzüge auf, dann
regret es Fachausdrücke. Das Gespräch an dem sich alle An¬
wesenden, gleichviel, ob bekannt oder unbekannt, beteiligt
haben, verstummt wieder und die Andacht wird fortgesetzt.
Der Film aber will das neue, das gewandelte
Wien, eine Großstadt wie jede andere, ausgestattet mit allen
typischen Eigenschaften der Gattung, nicht zur Kenntnis
nehme. Er knüpft an die Besonderheiten an, die die Mittel¬
und Landstadt der nachmärzlichen Zeit ausgebildet hatte
Eigentümlichkeiten, die im Zuge der Entwicklung längst ab
geschliffen wurden — eine Tatsache, die man je nach Ein¬
lung bedauerlich oder nützlich finden kann. Die tiefer ver
ankerten Eigentümlichkeiten von Mensch und Landschaft, das
was achthundertjähriger Wille zur Kultur aus Volk und Stad
gemacht hat, was unter der Oberfläche ruht und nachwirkt
faßt der Film, wie er heute ist, nicht ins Bild.
So mußte eine von Grund auf falsche Meinung
entstehen, sie ist bereits — besonders beim Norddeutschen, de
sich unbekümmerter zu einer prägnanten Formulierung ver¬
steht — wirksam zuwartendes Wohlwollen, vermengt mit
dem Empfinden, diese Süße Mädel=Ringelspiel=Heurigen¬
Menschheit könne nicht recht ernst genommen werden. Zum
Troste derer, die da im Kino urteilen, daß sie denn doch
bessere, wertvollere Menschen sind, sei mitgeteilt, daß Film-
Wien und das wirkliche Wien von einander so sehr verschieden
sind wie das Wien der Habsburger von dem heutigen. Ein
Abgrund, der des Kriegserlebnisses, ist dazwischen¬