1. Miscellaneous
box 42/2
Neues Wiener Journal
12. November 1927
Nr. 12.202
Fachmännische Beratung durch BETTARENHAUS
Berthold Samen, III., Lerchenfelderstrasse 30
sind ihre Betten!
Telephon Nr. 26-2-75. Qualitätsarbeit eigener Erzeugung
eunten Armee einheitlich zu operieren, veranlaßt Conrad, seine sein ganzes Herz schlug, unbemerkt zu sehen und mit zwei, drei
Forderung nach einheitlichem Oberkommando immer lauter zu ver= Liedern einen Komponistenruhm und eine Popularität zu erringen,
treten. Preußisches Selbstbewußtsein ist dafür nicht zu haben, die jene seiner anderen Arbeiten getötet und die ihn erbittert hat:
Chronischer Zwiespalt der Meinungen zeitigt latente Gefahren für immer wieder wurde von seinen hundert Liedern, unter denen
die gesamte Kriegführung im Osten, besonders nach dem mi߬ prachtvolle sind, nur der „Astra“ und „Gelb rollt mir zu Füßen
glückten Vorstoß der deutschen neunten Armee aus Warschau und
gesungen und den Kehrreim dieses Liedes, dessen Verbreitung er
Iwangorod, den Hindenburg trotz Conrads Warnung unter= als Fluch und als Hindernis für seine großen Werke empfand,
nommen hat.
hat er mit grimmigem Stoßseufzer oft in sein Gegenteil ver¬
Kaiser Franz Josef billigte Conrads Gedanken,
einen wandelt: „Ach, wenn es nicht immer so bliebe. Aber es ist für
gemeinsamen Oberbefehl der Verbündeten im Osten zu schaffen, ihn so geblieben.
Da ein solcher Oberbefehl, der weit überwiegenden Truppenzahl
Am schönsten und fruchtbarsten wirkt sich ein Erfolg aus,
wegen, aber nur ein österreichischer sein könnte, ist Kaiser Wilhelm den der Künstler nicht in der Jugend, sondern erst in den Jahren
dagegen, weshalb Conrad um seine Enthebung bittet. Worauf der Reise erlebt. Er ist gefestigt und ausgeprägt, kann nicht mehr
Kaiser Franz Josef am 6. November 1914 an Erzherzog Friedrich
irre gemacht werden, ist durch Enttäuschung und Erkenntnis seines
depeschiert:
eigensten Weges sicher geworden; jetzt kann ihm der Erfolg nur
„Die geäußerten Bedenken würdigend, gebe ich den Gedanken mehr neuen Schwung und neue Kraft geben. Kann den Müde¬
zur Anregung der Schaffung eines gemeinsamen obersten Kom¬ gewordenen wieder ankurbeln, aber seine Haltung und sein Wesen
mandos der verbündeten Armeen auf.
nicht mehr bestimmen. Henrik Ibsen, Konrad Ferdinand Meyer
Gleich Dir bewahre Ich dem G. d. J. v. Conrad jedoch
haben vielleicht eben dem Schicksal, daß sie Erfolgsspätlinge
vollstes Vertrauen, was ich ihm gleichzeitig besonders bekunde.
waren, die Stetigkeit und die verantwortungsvolle Langsamkeit
Franz m. p.
ihrer Produktion zu danken und es ist nicht die schlechteste Gabe,
Aber der Zwist dauert fort, die Verstimmung findet stets
die durch solches Warten in selbstbewußter Geduld erlangt wird.
neue Ursachen und Anlässe. Auch Ludendorff, als eigentlicher
Während ein anderer, vielleicht nicht eben tragischer, aber
Leiter der Operationen im Osten, greift persönlich ein Verwahrt doch leidvoller Fall der des ideellen Erfolges ist, der durch keinen
sich gegen Conrads stets erneute Anklage, daß Hindenburgs Ma߬
materiellen bestätigt wird. Nichts ärger für einen Künstler, als
nahmen die Operationen des österreichisch-ungarischen Heeres un
fortwährend von seinem Ruhm, vom Glanz seines klingenden
günstig beeinflußt hätten.
Namens, vom Umfang seiner Gemeinde zu hören und dabei
Conrad beschwert sich darüber in einem Schreiben vom Mangel zu leiden, weil man seine Bücher oder Bilder oder Ton¬
8. November 1914 an Bolfras:
stücke nicht kauft und von seiner Kraft keinen Gebrauch macht.
... „Daß mit einem Oberkommando, dessen Generalstabs= Es hat etwas Aufreizendes und Beschämendes, von allen Seiten
chef Ludendorff geheißen hätte, die Interessen unserer Monarchie
Zustimmung und Anerkennung zu empfangen, zu wissen, daß sie
und unserer Armee ganz in den Hintergrund gedrängt worden berechtigt ist, aber nicht zu wissen, wie der Haushalt am nächsten
wären, steht für mich außer Zweifel. Auch leide ich jetzt zu sehr Tag bestritten werden soll. Es ist eine der häufigsten Erscheinungen
an den Folgen der ganz unüberlegten Operation Ludendorffs an und eine der bedrohlichsten, weil viel sittliche Kraft dazu gehört,
der Weichsel, bei der wir dank bundestreuer Mitwirkung die in solcher Lage rein zu bleiben, keine Konzessionen zu machen
Schlagkraft unserer ersten Armee einbüßten . . . Meines Ver- und das Gewissen nicht durch Hinabgleiten zu marktgängiger
bleibens wäre dann nicht länger gewesen
Minderwertigkeit zu beschweren.
So geht es fort durch den strategisch-taktisch harten Winter
Ueberhaupt: es dürfte nicht leicht zu entscheiden sein,
und nur mühsam wird der immer wieder klaffende Feldherrnzwist ob im allgemeinen der Erfolg oder die Erfolglosigkeit den
überbrückt. Erst im Frühjahr gelingt die Einrenkung und gedeiht Charakter mehr verdirbt. Wahrscheinlich ist, daß der Erfolg die
zu restloser Uebereinstimmung, zu großzügigem Einheitsplan. Und gefährlichere Verführung dazu bedeutet. Aber sicherlich auch die
gewaltig erdröhnt als Wirkung: Gorlice!
angenehmere.
Anekdoten von Königen,
Psychologie des Erfolgs.
Von
Richard Specht.
(Ein
Diskret
Vor kurzem hat Erwin Stranik an dieser Stelle über die
Psychologie der Erfolglosigkeit gesprochen und hat eine Reihe inter¬
essanter Paradigmen in feinen Abschattierungen hingestellt. Aber
vielleicht sind die Erscheinungen des Erfolges und seine verschieden. Georg
er no¬
artigen Auswirkungen noch vielgestaltiger.
und
Nur ganz wenige sind ihm menschlich gewachsen. Daß die den
meisten durch ihn eitel und hochmütig werden, wäre das wenigste
lassen
Künstler, mögen sie nun Schriftsteller, Tonsetzer, Maler oder
einem
Schauspieler sein, die der Erfolg nicht überheblich macht, sind
gleich,
ganz selten; ebenso selten jene, die ihm dann nicht nachlaufen
enthie
will sagen: die der sofort erfolgenden Etikettierung nicht erliegen
trug
und fortan die Komödie, die Symphonie, das Bild, die Rolle,
ihm
die den Erfolg gebracht haben,
nicht immer wieder in
ihren Wesenszügen wiederholen oder doch wenigstens variieren.
Kön.
Und auch solche sind zu zählen, die der Gefahr
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Neues Wiener Journal
12. November 1927
Nr. 12.202
Fachmännische Beratung durch BETTARENHAUS
Berthold Samen, III., Lerchenfelderstrasse 30
sind ihre Betten!
Telephon Nr. 26-2-75. Qualitätsarbeit eigener Erzeugung
eunten Armee einheitlich zu operieren, veranlaßt Conrad, seine sein ganzes Herz schlug, unbemerkt zu sehen und mit zwei, drei
Forderung nach einheitlichem Oberkommando immer lauter zu ver= Liedern einen Komponistenruhm und eine Popularität zu erringen,
treten. Preußisches Selbstbewußtsein ist dafür nicht zu haben, die jene seiner anderen Arbeiten getötet und die ihn erbittert hat:
Chronischer Zwiespalt der Meinungen zeitigt latente Gefahren für immer wieder wurde von seinen hundert Liedern, unter denen
die gesamte Kriegführung im Osten, besonders nach dem mi߬ prachtvolle sind, nur der „Astra“ und „Gelb rollt mir zu Füßen
glückten Vorstoß der deutschen neunten Armee aus Warschau und
gesungen und den Kehrreim dieses Liedes, dessen Verbreitung er
Iwangorod, den Hindenburg trotz Conrads Warnung unter= als Fluch und als Hindernis für seine großen Werke empfand,
nommen hat.
hat er mit grimmigem Stoßseufzer oft in sein Gegenteil ver¬
Kaiser Franz Josef billigte Conrads Gedanken,
einen wandelt: „Ach, wenn es nicht immer so bliebe. Aber es ist für
gemeinsamen Oberbefehl der Verbündeten im Osten zu schaffen, ihn so geblieben.
Da ein solcher Oberbefehl, der weit überwiegenden Truppenzahl
Am schönsten und fruchtbarsten wirkt sich ein Erfolg aus,
wegen, aber nur ein österreichischer sein könnte, ist Kaiser Wilhelm den der Künstler nicht in der Jugend, sondern erst in den Jahren
dagegen, weshalb Conrad um seine Enthebung bittet. Worauf der Reise erlebt. Er ist gefestigt und ausgeprägt, kann nicht mehr
Kaiser Franz Josef am 6. November 1914 an Erzherzog Friedrich
irre gemacht werden, ist durch Enttäuschung und Erkenntnis seines
depeschiert:
eigensten Weges sicher geworden; jetzt kann ihm der Erfolg nur
„Die geäußerten Bedenken würdigend, gebe ich den Gedanken mehr neuen Schwung und neue Kraft geben. Kann den Müde¬
zur Anregung der Schaffung eines gemeinsamen obersten Kom¬ gewordenen wieder ankurbeln, aber seine Haltung und sein Wesen
mandos der verbündeten Armeen auf.
nicht mehr bestimmen. Henrik Ibsen, Konrad Ferdinand Meyer
Gleich Dir bewahre Ich dem G. d. J. v. Conrad jedoch
haben vielleicht eben dem Schicksal, daß sie Erfolgsspätlinge
vollstes Vertrauen, was ich ihm gleichzeitig besonders bekunde.
waren, die Stetigkeit und die verantwortungsvolle Langsamkeit
Franz m. p.
ihrer Produktion zu danken und es ist nicht die schlechteste Gabe,
Aber der Zwist dauert fort, die Verstimmung findet stets
die durch solches Warten in selbstbewußter Geduld erlangt wird.
neue Ursachen und Anlässe. Auch Ludendorff, als eigentlicher
Während ein anderer, vielleicht nicht eben tragischer, aber
Leiter der Operationen im Osten, greift persönlich ein Verwahrt doch leidvoller Fall der des ideellen Erfolges ist, der durch keinen
sich gegen Conrads stets erneute Anklage, daß Hindenburgs Ma߬
materiellen bestätigt wird. Nichts ärger für einen Künstler, als
nahmen die Operationen des österreichisch-ungarischen Heeres un
fortwährend von seinem Ruhm, vom Glanz seines klingenden
günstig beeinflußt hätten.
Namens, vom Umfang seiner Gemeinde zu hören und dabei
Conrad beschwert sich darüber in einem Schreiben vom Mangel zu leiden, weil man seine Bücher oder Bilder oder Ton¬
8. November 1914 an Bolfras:
stücke nicht kauft und von seiner Kraft keinen Gebrauch macht.
... „Daß mit einem Oberkommando, dessen Generalstabs= Es hat etwas Aufreizendes und Beschämendes, von allen Seiten
chef Ludendorff geheißen hätte, die Interessen unserer Monarchie
Zustimmung und Anerkennung zu empfangen, zu wissen, daß sie
und unserer Armee ganz in den Hintergrund gedrängt worden berechtigt ist, aber nicht zu wissen, wie der Haushalt am nächsten
wären, steht für mich außer Zweifel. Auch leide ich jetzt zu sehr Tag bestritten werden soll. Es ist eine der häufigsten Erscheinungen
an den Folgen der ganz unüberlegten Operation Ludendorffs an und eine der bedrohlichsten, weil viel sittliche Kraft dazu gehört,
der Weichsel, bei der wir dank bundestreuer Mitwirkung die in solcher Lage rein zu bleiben, keine Konzessionen zu machen
Schlagkraft unserer ersten Armee einbüßten . . . Meines Ver- und das Gewissen nicht durch Hinabgleiten zu marktgängiger
bleibens wäre dann nicht länger gewesen
Minderwertigkeit zu beschweren.
So geht es fort durch den strategisch-taktisch harten Winter
Ueberhaupt: es dürfte nicht leicht zu entscheiden sein,
und nur mühsam wird der immer wieder klaffende Feldherrnzwist ob im allgemeinen der Erfolg oder die Erfolglosigkeit den
überbrückt. Erst im Frühjahr gelingt die Einrenkung und gedeiht Charakter mehr verdirbt. Wahrscheinlich ist, daß der Erfolg die
zu restloser Uebereinstimmung, zu großzügigem Einheitsplan. Und gefährlichere Verführung dazu bedeutet. Aber sicherlich auch die
gewaltig erdröhnt als Wirkung: Gorlice!
angenehmere.
Anekdoten von Königen,
Psychologie des Erfolgs.
Von
Richard Specht.
(Ein
Diskret
Vor kurzem hat Erwin Stranik an dieser Stelle über die
Psychologie der Erfolglosigkeit gesprochen und hat eine Reihe inter¬
essanter Paradigmen in feinen Abschattierungen hingestellt. Aber
vielleicht sind die Erscheinungen des Erfolges und seine verschieden. Georg
er no¬
artigen Auswirkungen noch vielgestaltiger.
und
Nur ganz wenige sind ihm menschlich gewachsen. Daß die den
meisten durch ihn eitel und hochmütig werden, wäre das wenigste
lassen
Künstler, mögen sie nun Schriftsteller, Tonsetzer, Maler oder
einem
Schauspieler sein, die der Erfolg nicht überheblich macht, sind
gleich,
ganz selten; ebenso selten jene, die ihm dann nicht nachlaufen
enthie
will sagen: die der sofort erfolgenden Etikettierung nicht erliegen
trug
und fortan die Komödie, die Symphonie, das Bild, die Rolle,
ihm
die den Erfolg gebracht haben,
nicht immer wieder in
ihren Wesenszügen wiederholen oder doch wenigstens variieren.
Kön.
Und auch solche sind zu zählen, die der Gefahr