VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 21

AGE DER WIRTSCHAFTSKORRESPONDENZ FUR POLEN¬
VON 4. JANUAR 1928

ET

über
Uznach
von Falle
zu
On
Broadway
Vient de paraître.
Muse aus dem Dancing zu hören, ohne an das Wunder zu stisches Lügengestammel, sondern die Rückkehr zur commedi¬
glauben
dell'arte, dem tänzerisch-schöpferisch Improvisatorischen.
Wien-Hietzing, bei Jahreswechsel.
Herrlich bleibt das einzigartige Orchester, der leuchtend
Im Mittelpunkt steht ein Tanzkomiker, von Harald
n vor allem sind es, deren Bekannt- Glanz der Streicher unter der hingebungsvollen Direktion Paulsen, eruptiv gestaltet. Harald Paulsen sollte das Stück
Zeit reizte und Anlaß wurde, nach Schalks. Die Chöre zeichneten sich nicht nur durch musika eigentlich heißen, denn mit welcher Intensität dieser Darsteller
Wolfgang Korngold's „Wunschen, sondern auch in der Bewegung glücklichen Fluß aus
vom Rhythmus besessen, sich verströmt und alle mitreißt zu
in Hamburg uraufgeführt, gleich der wie die Gesamtregie Dr. Lothar Wallersteins; Roller's Bühnen-orgiastischem Tanzrausch, das läßt sich schwerlich in Worte
ch gelegentlich der Wiener Première bilder und Kostüme hatten vollendeten Geschmack. Das Werk fassen. Ich hatte auf den eigenartigen Typ Harald Paulsen vor
Flugplatz zu belegen, aber der Respekt stellt im Gegensatz zu anderen, neuzeitlichen Opern bühnen zwei Jahren gelegentlich Nelsons Nacht der Nächte im Theater
ber, als die Schnsucht nach dem technisch und szenisch geringe Anforderungen.
am Kurfürstendamm hingewiesen. Dieser blau blonde Jung¬
rte sich die Bekanntschaft mit Hellan¬
Im Theater in der Josefstadt, der Reinhardt-hat etwas ganz Eigenartiges, man möchte fast vom norddeut
Bühne, Wiens kultiviertestem Sprechtheater, sieht man eine schem Charme sprechen. Es ist etwas Herbes, Unberührtes
vierte Korngold’s, mit der Pantomime französische Komödie, Desiré von Sascha Guitry, von
von der Waterkant, extra trocken, aber erfüllt zum Zerspringen.
an die Musik zu Shakespeare's „Viel Berta Zuckerkandl vorzüglich ins Deutsche übersetzt
Wie ein angekurbelter Motor spricht und springt Harald Paulsen,
inzurechnet, eigentlich sein sechstes
Sascha Guitry ist der Pariser Kurt Götz, oder eigentlich
drillt seine Girls im Jazz (zu den Synkopen der Band hinter
müßte man sagen. Kurt Götz der Berliner Sascha Guitry, ein der Szene: Moonlight on the Ganges, So blue. Always ...) und
tomime „Der Schneemann", mit spielender Dramatiker, voil entzückend elastischer Lustspiel- das wirkt ganz elementar, wie der Gegenpol zu Josefine Baker
der Wiener Staatsoper uraufgeführt, technik, mit charmantem Dialog, reizend pointierten Raketen
prägt sich einem unvergeßlich ein. Es erscheint belanglos
Das Tänzerische dieser Musik reiß
gepflegt bis in die Fingerspitzen. In diesen petit riens geht
daneben, daß Paulsen eine reizende Partnerin hat, Fried
de gleichzeitig entstandenen 7 Märchen
um die wechselseitige Gefühlsverwirrung infolge der Erkenntni
Haerlin, die allerdings in allem eine Kopie Elisabeth Bergners
der Dame, daß auch der Kammerdiener gleichsam ein Mann ist. Von den anderen Darstellern bleibt vor Allen das ent¬
pieloper „Der Ring des Poly- ist. Das reizendste Drum und Dran und die seiltänzerische zückende Girl Trude Brionnes zu nennen, die glänzende, abge¬
ganz wenigen, komischen Opern deut¬ Sicherheit, das Gewagte nie ins Unmögliche purzeln zu lassen, tackelte Chansonnette von Emmy Schleinitz, der schwierige
leichter Hand und fröhlichem Herzen bilden Sascha Guitry's Reiz. Wie kultiviert und graziös so
Kneipenwirt Artur Peisers und der zynische Detektiv Theodor
man dieses Juwel etwa einmal in etwas in der Josefstadt gespielt wird, das kann man allenfalls
Griegs, der übrigens in Maske, Haltung und Organ eine frap¬
alter mit der von gehört hat, be¬ nur noch in der Berliner Komödie erleben.
pierende Aehnlichkeit mit dem Schriftsteller Paul Cohen-Port¬
es noch immer so wenig aufgeführt
heim besitzt. Diese Aufführung der Kammerspiele, über 100 Mal
gegeben, gehört zu den Sehenswürdigkeiten des Wiener
im Publikum steht das Schwesterstück,
Theaters
Violanta", bereits ein Meisterwurf,
Eine amerikanische Sensation anderer Art, der größte
Jeritza kürzlich erst in New-York
Erfolg seit Jahren in U. S. A., der uns unbegreiflich erscheint,

hl das vollendetste, was Korngold bis
ist Dreimal Hochzeit (Abies Irish Rose, ein New¬
Eine Morgenstunde
Schauspielmusik zu „Viel Lärm um
yorker Schwank in 3 Akten von Anna Nichols, deutsch von
rent, voll klingender Erfindung und
Felix Salten. Ein jüdisches Rührstück, weiß Gott kein Irish
bei Arthur Schnitzler.
haffen, um zu bleiben, wie Mendelssohn
Stew, mit sehr viel Gänseschmalz, Romeo und Julia in Wite¬
straum“, Muß man noch von de
chapel, oder Samuel Levy und Rose Christine Abel lösen auf
Kein Interview.
Sie hat sich die Welt erobert, wie
ihre Art das Rassenproblem, lassen sich erst standesamtlich,
und vor „Jonny kein zweites, musi
Sylvestermorgen, 10° unter Null, strahlende Sonne hernach jüdisch und schließlich noch katholisch trauen (Du mu߬
utscher Herkunft und scheint mir die und blauer Himmel über Wien. Von Hietzing schweift der
es dreimal sagen), und die feindlichen, strenggläubigen Väter
bedeuten, seit langem angestrebt, abe
werden durch das Enkelzwillingspärchen unter liebenswürdiger
Blick über hügelige Landschaft, man könnte wähnen, in
erzeugen, gebildet ausgedrückt, zwi¬
Assistenz von Pfarrer und Rabbiner mit ihren Kindern wieder
den Harz versetzt zu sein. Die Luft ist klar, wie in den zusammengeführt. Schließlich gemeinsames Chanukah-
Die und romanischem Melos, populär Bergen. Von der wunderschönen Villa des Dichters im unterm Weihnachtsbaum (oder zumindest so etwas
hard Strauß und Puccini, bei selbst
Währinger Cottage, mitten im Park, aus, sieht das unbe¬ Aehnliches). Diese Schmarrn ist größtmöglicher Kitsch, fern
zender, subtilster Beherrschung de
wehrte Auge bis zum Semmering.
Inspiration, die nicht an Gefühlsschen
von Geschmack. Aber wie man sieht, wirkt er nicht nur auf
In diesen Zeitläuften hat Arthur Schnitzler Sinn un¬
z starke, persönlich zwingende Not¬
amerikanische Gemüter, denn auch in Wien wird er zwar nicht
von mehreren Truppen seit Jahren, jedoch bereits über 100 mal
Eigene, das Kriterium des Genies ist Bild des Dichters zu wahren gewußt, wie kaum ein an¬
gespiet, und die versöhnliche Tendenz, allerdings in kunstlosester
in Zusammenhang herausgerissen, als derer. Der herrliche Kopf, aus dem im Gespräch ein
Form, ist immerhin nicht unsympathisch und scheint der jüdisch¬
blaues Augenpaar das Gegenüber durchleuchtet, wie die katholischen Wiener Bevölkerung sehr zu behagen. Die Auf¬
eiter analysiert werden, worin diese
Sonnenstrahlen in zwei Fjorden wiederstrahlen, erschiene führung bringt ein Reinhardt-Ensemble-Gastspiel im Johann
aber es scheint mir doch notwendi¬
verehrungswürdig, selbst wenn man nichts wüßte, we
Strauß-Theater. Sie steht und fällt mit dem unaussprechlich hin¬
hier orientalisch glutende Substanz
scheint, Korngold's Bestes, das leider Arthur Schnitzler ist
reißenden, weiblichen Komiker Gisela Werbezirk. Was hier au
Ob man von der oberschlesischen Heimat erzählt oder
Pallenblech gewalt wird, das hat Goldwert. Ich muß noch laut
erdrängt wurde, wie wir sehen werden
lachen, wenn ich mich an den Werbezirkus erinnere. Herrlich
dem „Wunder der Heline" entgegen der Dichter sich im Anschluß an die Lektüre der Tage wirkt der katholische Pfarrer Hugo Thimigs, mit sparsamsten
noch ein luftig beschwingtes Streich¬
bücher Theodor Herzl's erinnert, Persönliches mitteilt, und
Mitteln so gütig gezeichnet, daß man ihm die Hand drücken
m Shakespeare-Motto:
wie stets bedeutsam urteilt, ob er die Bewunderung für
möchte. Schwächer der Rabbiner des sonst prachtvollen Egon
lein singen tiri-lirilei,
sein neuestes Werk, das man vor wenigen Tagen dank
Friedell, begründet in der etwas farblosen Rolle. Köstlich
je liebt den Mai.
bar empfing, das weise „Buch der Sprüche und Be- typisch Gisela Werbezirks (Frau Isak Cohens) schlechtere
Schwingend im Klang, und dann sind denken wahrhaft rührend bescheiden, wie es nur das Hälfte, von der die liebevolle Gattin allerdings behauptet, sie
dien zum „Wunder der Heliane“, 3 Ge- Genie sein kann, fast schüchtern abwehrt, wie er sprühen
sei nur so angezogen wie ein Mann. Schließlich muß sie es ja
wissen, aber diese halbe Portion von Viktor Franz ist auch
Hans Kaltneker. Sie schienen bereits und in jugendlichem Feuer über James Joyce, die rührend vertrottelt. Springlebendig, nicht totzukriegen, Salomon
Korngold hinzuweisen, bei dem das Dinge des Theaters handelt und auf Bitten von eigenen Levy von Ludwig Stärk, der gleichzeitig vorzüglich Regie führt,
che überwiegt.
Plänen berichtet, wie er teil hat an allem, was uns be- und voll cholerischer Vitalität Wilhelm Diegelmann's Patrick
der der Hellane schrieb Han
wegt, das ist menschlich so groß und erschütternd, daß es Abel, sehr sympathisch die jungen Leute, Lutz Altschul's Samy
der „Violanta“ — übrigens hat Korn¬
zu Müllers Schauspiel „Vampyr ein mir als inferior erschiene, ein Interview daraus zu und Irmgard Richter's Rose Christine. Auch an diesen Abend
teuert — nach einem Mysterium aus schleimen.
denkt man gern zurück, zumal gute Vorsätze hernach noch den
ckers, dessen Drama „Die Schwester
O, daß doch jedes Jahr so harmonisch schlösse, wie
Weg zur „Hölle“ gepflastert hatten, wo es u. a. das witzige
len, jungen Dichter bekannt gemacht das Gespräch mit dem Dichter am letzten Dezembertage
Karl Farkas-Revuelein „Götz von Berlichingen gibt
gsspiel, gleich dem ersten Drama, mit 1927.
Im Burgtheater sah ich Shaws Candida. Das Werk
und Verklärung oder vielmehr Wieder¬
wurde erst vor geraumer Zeit an dieser Stelle eingehend be¬
chtern. Pfortnern und seraphischen
trachtet (Shakespeare und Shaw). Die Aufführung ist selbst
ntisches Weltanschauungsdrama. Die
für das Burgtheater unglaublich schwach, vollkommen provin¬
Wagner, vielleicht durch Müller noch
ziell, von vornherein so verschlampt angelegt, daß der Schlu¬
ist unverkennbar, der gleiche Stoff¬
ganz verschwimmt. Die schöne Else Wohlgemuth hat, obwohl
Den Kammerdiener von Distinktion gibt Hermann Rom- sie nicht einmal den Wortlaut ihrer Rolle beherrscht, immerhin
(Rose vom Liebesgarten) fortsetzte, berg, ohne mit der Wimper zu zucken, von Seelengual zer gute Momente, unterstützt durch ihr musikalisches Organ und
im Zwerg anklingen ließ, und dessen
rissen, in beherrschter Zucht, die diese Rolle zum Kunstwerk die fließende Geste. Hans Marr's Pastor Morell ist nur sal¬
breker liebt (den ich mißliebe).
kalischen Bühnenwerk stadelt. Seine reizende Gegenspielerin Odette Clery ist Nora bungsvoll, er versteht es nicht, fühlbar werden zu lassen, wes¬
Gregor, überaus grazil, bildhübsch, mit einer kleinen Stimme
re. Dieses bringt die Musik im Kom¬
halb Candida ihn eigentlich liebt. Völlig verwaschen Wilhelm
die aber ganz echt wirkt, unaufdringlich und von nachhaltiger Schmidt's Unterpfarrer Mill (welch glänzende Episode schuf
spiriert ihn, den Gestalten Leben ein
Wirkung. Ihr Partner, der Postministr Peppler, hat gleich¬
Buch indes Papier ist, blasse Scheme¬
darin etwa Fritz Hirsch in der Aufführung des Berliner Staats¬
falls hohen Rang. Ueberwältigend komisch sind die Episoden- theaters!), recht gelungen die Sekretärin Proserpina Rosa
sind, dann kann kein Gott die
figuren, der Adrien Coruniche von Hermann-Schaufuß, ein Albach-Retty's und wohl noch höher zu bewerten Ferdinand
schmerzt mich, der ich Korngol¬
labbriges Gummimännchen und seine quantitativ imposante
Maierhofers stachliger Burgeß. Sehr glücklich gelöst und be¬
weiten, lebenden Musiker, zu sagen
Gattin, die leider schwer hört, aber trotz einer Magenindispo- aller Herbheit weich Marchbanks, der junge Dichter Alfred Loh-
lückseliges Buch geraten ist. Gewiß sition ganze Völkerstämme aufreizende Speisemassen ververs. Den Regisseur verschwieg taktvoller Weise der Zettel,
fen, dessen technische Meisterschaft
schlingt, von Annie Rosar zum Bersten komisch hingelegt. Wenn
cher anerkennen muß, aber das be¬
Daß nicht einmal diese ganz unshawische Candida hier gelang
ich von den weiblichen Domestiken bisher nicht sprach, so tat (bei Teufelsschüler und Cäsar und Cleopatra hatte ich mich
m, das in meinen Ohren das Wesen ich dies weniger der gottgewollten Abhängigkeit wegen.
schon früher davon überzeugt, wie hoffnungslos der Fall Shaw