VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 28

Miscellaneous
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Wehrheiten vom eige

.
Armut an jüdischer Würde!
Der Fall Hatvany ist zur Genüge bekannt. Man kann
zu ihm stehen, wie man will, man kann es für untunlich finden.
daß Baron Havany der magyarischen Justiz sich bedingungs¬
los auslieferte und vor Gericht um Verzeihung bat für etwas,
was er mutig hätte einbekennen können, da das ihn vernich¬
tende Urteil schon aller Vorausischt nach festlag. Man kann
auch als Jude abfällig denken über den Täufling Havany¬
Deutsch. All dies ändert nichts an der Tatsache, daß man mit
dem Menschen Halvany und seinem fürchtbaren Schicksal
Mitleid haben muß, menschliches Mitgefühl, wie es in ähnlichen
Fällen glücklicherweise doch ab und zu einmal auch unsere
heutige Generation beseelt. Und deren geistige Führer sind
bei solchen Anlassen die Berufenen, rettend einzugrenen, damit
Unrecht, ob es Christen oder Juden widerfährt, doch irgendwie
verhindert werde. So geschah es auch im Falle Havany. Ein¬
stein, Fulda, Hauptmann, Hofmannsthal, Heinrich
Mann, Salten, Schnitzler, Th. Wolff, Zweig u. a. m.
riefen das Weltgewissen zugunsten eines Unglücklichen auf,
hatten aber mit ihrer Aktion leider keinen Erfolg. Das ist nur
zu bedauern, denn es beweist wieder einmal, daß die unga¬
rischen Machthaber und deren Helfershelfer keine Gewissens¬
skrupel kennen. Was aber jeden anständig Denkenden mit Ab¬
scheu erfüllen muß, ist der Umstand, daß ein jüdisches Blatt
sich dazu hergibt, über einen der namhaftesten der protestie¬
renden jüdischen Schriftsteller in gehässigster Weise wegen
der Teilnahme an dem gemeinsamen Schritte herzufallen. Wir
meinen „Die Neue Welt“. In ihrer Nummer vom 17. v. M.
bringt sie an leitender Stelle einen giftsprühenden Artikel, der
mit Ford beginnt und mit Schnitzler endet. Diesem wer¬
den die unglaublichsten Vorwürfe wie Armut an jüdi¬
scher Würde, Selbsterniedrigung und Selbst¬
überhebung usw. gemacht, weil er nun weil er rein
menschlich dachte und handelte. An Schnitzler reicht dieses
widerliche Gekläfte wohl kaum heran, es wird ihn kalt lassen.
aber uns sei eine bescheidene Frage doch gestattet: Warum
wurde gerade Schnitzler namentlich als Objekt für diese
empörenden Invektiven des jüdischnationalen Blattes herange¬
zogen, gelten diese in gleichem Maße auch zum Beispiel Felix
Salten, dem Autor des Palästinabuches „Neue Men¬
schen auf alter Erde und Mitglied des öster¬
reichischen Pro-Palästina-Komitees, oder
Stefan Zweig, der ebenfalls Mitglied dieses Ko¬
mitees ist, oder gar Prof. Albert Einstein? Warum nur
Arthur Schnitzler, warum gerade diese Auslese? — Ein Artikel
des Münchener Völkischen Beobachter über die Ab¬
lehnung des Protestes für Baron Havany schließt mit den
Worten: „Diese Ohrfeigen gönnen wir dem Hein¬
an
a
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sind die
Vortreich-Piazzon
der bestrenommierten 1. Wr. orthodoxen Mazzothfabrik.
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streng orthodox zu erzeugen.
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