VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 33

den der
2. Sta¬
Die von Koehl geäußerte Absicht, mit der „Bremen
er von den der
nach Deutschland zurückzufliegen, rief in Amerika ungeheures Auf- Schulkindern begrüßt werden.
„Herr Doktor, ist das
sehen hervor. Wenn es der „Bremen“=Besatzung gelingt, ihre Absich
es wird gehen?" Und nun spiel
Auch Exkronprinz Wilhelm gratuliert.
zu verwirklichen, so würde der Flug Berlin— New-York — Berlin die
letzten Aktes. Spielte sie göttlich
Privattelegramm des „Neuen Wiener Journals,
größte fliegerische Leistung darstellen, die bisher vollbracht wurde.
wieder! Sie kommt nicht wieder
Rom, 21. April.
In New-York ist alles für den Empfang der deutschen Flieger
geschleuderte, sich gegen Gott a
vorbereitet. Riesige Absperrungen werden vorgenommen, damit die
Exkronprinz Wilhelm, der sich zurzeit in Italien auf
Tieses Schweigen. Dann
Landung nicht durch Menschenmassen behindert wird. Ein großes hält, sandte an Freiherrn v. Hünefeld, der früher sein und sagte: „Sie hätten wahrsche
Aufgebot von Polizei und Militär wird für Ruhe und Ordnung Adjutant war, folgenden Glückwunsch: „In herzlicher Freude und schieden. Wenn mir dieses uns
sowie geregelte Abwicklung des Verkehrs sorgen, da man mit Bewunderung über den siegreichen Ozeanflug, grüße ich mit Ihnen geworden wäre, als ich die
einem ungeheuren Andrang rechnet. In New-York befestigen meinen alten, treuen Freund, den tapferen Flugzeugführer Koehl führen ließ.
seit gestern Arbeiter an jedem Laternenpfahl der Fisch= und den mutigen irischen Begleiter mit treuesten und aufrichtigsten
„Aber, Herr Doktor (erw
Avenue Schilder mit den Aufschriften: Willkommen Kohl, Wünschen.
zitternder Stimme), jetzt müssen
schreiben. Wenn's wirklich war
Artur Schnitzler versprach
Wochen später.
Girardi spielt vor Artur Schnitzler
Kinderstu.
seine letzte Rolle.
Eine neue Berl
Hella
Persönliche Erinnerungen.
Von
Ein eher kleiner als ge¬
Wunder birgt: manchem arme
Berta Zuckerkandl=Szeps.
Kinde wird er ein Paradies,
sein, darin er alle Köstlichkeiten
Zehn Jahre sind es her, daß Girardi gestorben ist, dieser Muritaten" (Girardi pflegte meinen Namen stets Berta aus
Raum, kaum fertig noch, erst
einzigartigste, seltsamste, geheimnisvollste, kindlichste und tiefste zusprechen) vorzutragen,
hell und lustig ausgestattet, bi¬
Lustigmacher, den vielleicht je die Welt gekannt hat. Seit den
Es waren der Sünden viele, die ich, allerdings immer Erwachsene sich bis dahin nicht
Jahre 1880, noch ehe Girardi seine grenzenlose Popularität unterstützt von meinen Anklägern, begangen hatte. So die was soll man an erste Stelle
erlangte, hatten mein Vater Moritz Szeps und meine Mutter Amalie
betrübende Tat, geschehen im Verlauf einer großen politischen rings um das Zimmer laufen,
den jungen, noch ganz weltfremden, in Gesellschaft sehr schüchternen
Soirée, die mein Vater Abgeordneten und Ministern gab und durch die man wählen kann,
Komiker freundlich ausgenommen. Ich war damals der Kindhei
bei der wir Jungen uns fürchterlich langweilten. Ich beredete werteste auf der Welt erscheint
kaum entwachsen und durfte nur bei besonderen Anlässen bei den Girardi, mit mir in das Souterrain hinabzusteigen, da ich vor
Oder aber — ist's wicht
hatte, den Gasometer abzudrehen, um auf diese Weise unerwartete
„Großen" im Salon erscheinen. Aber gleich während seines ersten
Schränke alle unverschlossen si¬
Besuches erwählte mich Girardi zu seiner Freundin und Vertrauten. Leben in die Gesellschaft zu bringen. Aber ich stand der Sache diesem Paradies gibt keinen
dilettantenhaft gegenüber. „Wozu bin i denn ein Schlossergsell kein kategorisches: „Du mußt
Nachdem er gegen 12 Uhr mittags in einem feschen Fiake¬
angefahren war, und als er in der so gütigen Atmosphäre,
g’wesen?" sagte Girardi und drehte sachkundig den Gasometer nicht!", das das besungene W
zu verbreiten meiner Eltern herrlichste Gabe gewesen ist, seine ab. Nun mein Vater strafte mich damals, indem ich bei Menschen erst durch die ver
Salonangst vergessend, noch um ½2 Uhr keine Miene machte, sich der nächsten Girardi=Premiere zu Hause bleiben mußte. Was läßt. Im Gegenteil hier bist
die zweite Muritat nicht verhindern konnte, die Girardi viel erzogenes, viel belehrtes
zu empfehlen, wurde er einfach in das Speisezimmer mitgenommen
ebenfalls an meinem Geburtstag besang. Ich hatte eine du willst, darfst aus den Schr.
Es war bei uns Sitte, offene Tafel zu halten. Mittags und
abends fanden unerwartete Gäste stets ihre Gedecke bereit: Wette abgeschlossen. Nämlich, daß es mir gelingen würde, allein, ohne Hilfe eines Erwe
„Gengan S',“ flüsterte mir Girardi zu, „i möcht nicht bei die Girardi auf der Bühne von einer Loge aus derart aus der umstürzen — sie sind so
darfst Schrän¬
noblen Leut sitzen. Nehmen S' mich mit zur Gouvernant." Ich Kontenance zu bringen, daß er während eines Couplets stecken kannst
und meine Geschwister saßen am untersten Ende des Tisches. Wir bleiben müsse. Girardi ließ keine Gelegenheit vorübergehen, wenn deshalb Schiefertafeln statt
machten diesem Mittagessen nicht viel Ehre. Denn selbst „Made ich im Theater war, mich durch versteckte Anspielungen und dein Spielzeug verwende
moiselle" war es unmöglich, Kontenance zu bewahren. So eine Extempores zu necken. Ich wollte mich revanchieren. Und so nahmen willst, darfst es zerbrechen, da¬
meine Schwester und ich im Theater an der Wien die Parterre, lassen und bist nicht einmal ge¬
unsinnige Hetz trieb ganz im stillen unser Kasperle.
loge neben der Bühne, die den Blicken des Publikums wenig das Gebrauchte schön ordentlich
Von diesem Tage an, viele viele Jahre hindurch, gab es ausgesetzt ist. Ich zog statt Abendschuhe meine hohen Reitstiesel¬
Erwachsene zur Aufsicht
keinen Sonntagnachmittag ohne Girardi. Und zwar war es mein an sich war eine gute Reiterin). Damals, von den langen Röcken sichern, mehr der begleitenden
und meiner Schwester Jour, den wir Erlaubnis hatten, in unseren
geschützt, blieb es unbemerkt; ich zog in der Loge den einen Kinder selbst wegen; damit sie
Appartement abzuhalten. In dem kleinen Palais in der Liechten
Röhrenstiefel aus und schob ihn auf den linken Arm, statt eines überhaupt nicht einmischen. T
steinstraße, das mein Vater lange, ehe es allgemeine Sitte wurde
Handschuhes, und stützte darauf poetisch den Kopf. Girardi spring
soll ihnen ungeschmälert gehöre
als Familienheim in einem lieben Garten erbaute, herrschten wir, aus der Kulisse, intoniert ein Couplet; bei der zweiten Strophe haben, sie daraus zu vertreiben
die Jugend, unumschränkt. Als bald darauf Emil Zuckerkandl
sieht er mich, ich winke ihm mit dem Stiefel. Er glotzt, bleibt zu sagen: „Das kannst du nich
der eben in Wien, kaum neunundzwanzigjährig, zum außerordent
stecken, bekommt einen Lachkrampf und geht ab. Später hat er mußt!", keiner, der schelten,
lichen Professor ernannt worden war, in unseren Kreis trat und
dürfte. Und merkwürdigerweis
sich so photographieren lassen in dem Moment, da er verzweifel
in seiner Art ebenso übermütig, ebenso von kindlich strahlenden
auf den Kapellmeister blickt.
vor. „Die Kinder sind
Heiterkeit wie Girardi, sich mit diesem innig befreundete, da wurde
Zum fünfzigsten Geburtstag meines Vaters überraschten wir sie kümmert; sie vertragen
uns eine Spanne Zeit von reinster, liebster, unendlicher Heiterkeit
ihn mit einem Festspiel auf unserer Hausbühne. Und zwar wurd
Spielzeug nicht streitig, un
V. K. Schemberg in dem von Moritz Szeps gegründeten und zu
eine Redaktionskonferenz dargestellt. Ein Brauch, den Moritz Szeps Betriebes, war es halbe
Weltruf gebrachten publizistischen Organ war der Vorkämpfer vor
eingeführt hatte, um, wie er sagte, im direktesten Kontakt mi
sie kaum im Nebenzimmer hört
Richard Wagner, von Dostojewski, der auf die Bildung von
seinen Mitarbeitern zu bleiben. Girardi spielte meinen Vater
versichert die Aufsichtsdame. „
meiner Schwester und mir starken Einfluß gewann; dann Kar
In einer so außerordentlichen Maske und Haltung, daß, als er die eigenen Eltern kamen, be
Weiß, später C. Karlweiß, der Volksstückdichter, und die Hohen
vor der Vorstellung die große Treppe herunterkam, selbst wir, die vorging.
sels vervollständigten den Sonntagskreis.
Kinder, getäuscht auf ihn zueilten. Tewele gab ebenfalls in aus¬
Die Spielstube hat einen
Jedes Jahr hielten Girardi, Emil Zuckerkandl und Karl gezeichneter Maske den hervorragenden Mitarbeiter, berühmten Kindern gutes, geschmackvolles
Journalisten und treuesten Freund Dr. Bertold Frischauer. Die zugänglich zu machen, dem wa
Weiß eine Sitzung ab, in der die besondere Art beschlossen
parodistische Szene zwischen Girardi und Tewele war genial¬
auch von dort bezogen werden.
wurde, meinen Geburtstag zu feiern. Ich erinnere mich an einer
dieser Geburtstage Girardi hatte aus dem Garderobefundus des Improvisation. Als mein Vater in einem seiner allwöchentlichen geheuren Wichtigkeit des Spiel¬
Gelegenheit zu schaffen, Kinde
Besuche bei Kronprinz Rudolf ihm davon erzählte, ruhte dieser
Theaters an der Wien farbige Fracks gebracht. In Kniehosen und
nicht eher, bis wir ihm aus dem Gedächtnis einen Teil des Nirgends kann man die kindlich
roten, grünen, lila Habits trat das Trio ein. Girardi zo
wie beim Spiel, durch nichts
Dialogs rekonstruierten.
gravitätisch einen dicken Strick aus der Tasche Zuckerlandl und
beeinflussen. Und so wird m
Erst meine Verheiratung löste den Girardi=Kreis. Ich über
Karl Weiß hielten mich. Ich wurde an einen Sessel festgebunden
siedelte nach Graz. Aber gleich bei unserer zwei Jahre später die Anlagen des Kindes
Worauf Zuckerkandl die Gratulation darbrachte. Dann began
Girardi in einem von Karl Weiß verfaßten Couplet „Bertas bereits erfolgten Rückkehr nach Wien stellte sich der alte Freundes aufhören zu schenken