Miscellaneous
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Prinzip behaftet. Wenn
den Young=Plan besteht, wenn er
purumenten ratifiziert wird, dann wird zwischen
Frankreich und Deutschland alles möglich.
vollendeten „Tod des Tizian". Hörte in mit dieser merk¬
würdigen Stimme Hofmannsthals, die ist beim Vortre¬
seiner Dichtungen ihren wahren Klang benam, die warm;
wie Blut, das eben aus einer Wunde ans Licht sickert, die
weich und zärtlich schmiegsam war, wie purpurner Samt,
die alle Worte mit einem goldfarbenen Schimmer zu über¬
hauchen und sie plastisch zu wölben schien. Er las uns den
„Tor und der Tod“; las uns die „Frau am Fenster", die
„Hochzeit der Sobeide", den „Abenteurer und die Sän¬
gerin. Arthur Schnitzler schrieb damals der „Anatol“. Wir
hörten Szene für Szene nacheinander, so wie sie fertig waren.
Zur ersten Buchhausgabe gab Hofmannsthal jenen Prolog
der seither ebenso berühmt geworden ist, wie der „Anatol¬
Zyklus. Damals, und Jahre nachher noch, haben wir,
Schnitzler und ich, auf Waldspaziergängen Verse von Hof¬
mannsthal rezitiert. Wie manche Leute draußen im Freien
Lieder singen, haben wir Hofmannsthalsche Verse gesprochen.
Sie waren uns Musik. Sie sind Musik: der Andrea des
Sechzehnjährigen: „Ich liebe Schurken, ich kann sie verstehen
Und niemand mag ich lieber um mich sehen — Gleich¬
wie mein Aug' den wilden Panther späht — Weil niemals
sich der nächste Sprung verrät. — So haß ich die, die ihre
Triebe zähmen — Und sich gemeiner Ehrlichkeit bequemen.
Ein Sechzehnjähriger! Und gleich darauf: „Oh, gold'ne
Lügen, werden ohne Grund,
Ein Trieb der Kunst in
unbewußtem Mund, — Oh, weise Lügen, mühevoll gewebt,
Wo eins das a dre stützt und hält und hebt!“ Dann
der Tor des Achtzehnjährigen: „Wie nah sind meiner Seele
die gerückt. — Die dort auf ferner Halde einsam wohnen -
Und denen Güter, mit der Hand gepflückt. — Die gute
Mattigkeit der Glieder lohnen. — Sie können sich mit ein¬
fachen Worten — Was nötig zum Lachen und Weinen, sagen,
Müssen nicht an sieben vernagelte Pforten — Mit blutigen
Fingern schlagen. Der Tod, vom Achtzehnjährigen gestaltet,
spricht: „Steh auf! Wirf dies ererbte Grau'n von dir!
Ich bin nicht schauerlich, bin kein Gerippe
Aus des
Dionysos, der Venus Sippe. — Ein großer Gott der Seele
steht vor dir!“ All die Gedichte. „Der tiefe Brunnen weiß
es wohl." Oder: „Es läuft der Frühlingswind durch kahle
Alleen
Hier, am Seeufer, in meiner kleinen Stube, habe ich
kein einziges Buch von Hofmannsthal zur Hand. Aber ich
sage mir viele, viele Verse des Dichters vor. Viele Seiten
lang, die meinem Hirn eingeprägt sind für immer. Ob ich
das zu seinem Andenken tue, als eine Art Trauerfeier, oder
auf die Gemüter aus, die
„... geruhe Wirkungen hervorgebracht hat. Der Unfall
des „Graf Zeppelin war ein schlagender Beweis
dafür, daß sich doch etwas gewandelt hat. Ich werde mich
auf der internationalen Regierungskonferenz mit allen
Kräften bemühen, den Frieden herbeizuführen, allerdings
es einer Verzweiflung, die irgendwo Halt sucht, weiß ich
nicht. „Es weht herüber wie feuchter Atem stürzender Ge¬
wässer... heißt es in seinem „Oedipus“-Drama. Ach ja, es
weht herüber wie leiser Atem vergangener Jugend.
Er war... Es fällt schwer, von einem teuern Menschen
zu sagen: er war, von dem man gestern noch sagen durfte,
von dem man immer noch denkt: er ist! In seinem Wesen
haben mancherlei starke Elemente gewaltet. Die Dominante
aber klang vom achtzehnten Jahrhundert her und war öster¬
reichisches Barock. Sein Verhältnis zum Heute: so intensiv
teilnehmend, so verständnisvoll, so lebendig, so funkelnd in
Gedanken, Einfällen und so verschwenderisch in hingestreuter
Anregung es immer war, er brachte es kaum jemals fertig,
dieses Heute poetisch zu fassen, schaffend zu formen. Manch¬
mal glaubte man, der Achtzehnjährige hätte ein prophetisches
Selbstbekenntnis in die Verse gelegt: „Ich hab' mich so vom
Wirklichen verloren. — Daß ich die Sonne sah aus toten
Augen — Und nicht mehr hörte, als durch tote Ohren.
Aber vielleicht hat er nie versucht, diese Gegenwart zu ge¬
stalten, hat das vielleicht nie gewollt. Was er inbrünstig
ersehnt, worum er blutig gerungen hat, das war die große
Wirkung auf dem Theater. Seine frühen Einakter, Meister¬
werke der Dichtkunst, sind bühnenmäßig nur Anfänge ge¬
wesen. „Das gerettete Venedig ebenso wie „Oedipus und
die Sphinx“, dann „Christinas Heimreise", zuletzt „Der
Turm, sind wertvoll, sind köstlich wie Juwelen seltenster
Art, die nur bei seltensten Gelegenheiten hervorgeholt und
getragen werden. Sie bleiben dem Buch näher, bleiben ihm
verwandter als dem Podium. „Der Schwierige“, dieses
wunderbare Filigran=Monument eines österreichischen Kava¬
liers, kann heute nur ein einziger deutscher Schauspieler zu
wirksamer, tief menschlicher Lebendigkeit wecken. Das „mit
einfachen Worten, was nötig zum Lachen und Weinen
sagen ist Hofmannsthal erst im „Jedermann" gelungen
und dann im „Großen Welttheater“
Das Spiel vom „Jedermann" schrieb er, bevor er zur
Oper abschwenkte, oder ganz am Anfang dieser merkwürdigen,
im Wesentlichen barocken Schwenkung. Das „Welttheater
viele Jahre später und gab damit den Beweis, wie wenig
verbraucht, wie unverwüstlich seine dichterische Substanz ge¬
blieben war. „Elektra“ jedoch, dieser erste, wirkliche und
große Bühnenerfolg führte ihn mit Richard Strauß
sammen. Das war sein Glück und das war zugleich
Verhängnis.
y
siegten an der Kette hält,
bunden wie der Besiegte.
Frankreich annehmen soll,
wollen einen französischen
der auf den alten französi
Wirfordern, daß di
Föderation unsere
Wie jeder Götterlieblin
immer und in seinen am
Tragik umschattet. Fast ein
seines Genies zu einer Höhe
glücklich, die andere nur
Dasein erklimmen. Er stand
Sonne des Erfolges, bezaul
mutig, göttlich sorglos, schäu¬
erschöpflich in der Kraft sei¬
noch wurde einem manchma
Dennoch mag ihm selbst sch
worden sein. Das Schicksal
lassen. Darüber hinaus gabe
Später dann, je mehr sein
begann der Kampf gegen
schwärzer traten die Schatten
schlossen ihn dunkler und du
schaft mit dem Grillparzerse
außen hin nicht deutlich. Der
war zu stürmisch, war zu ste
bissige Bitterkeit oder Gries
Gespräch der hinreißende Ge¬
Er blieb unter allen Dichter
Einzige, der wirklich regen
Arbeiten eines anderen nah¬
auch mit einem großen Juge
nicht zu verschmerzen imstand
Kränkung ins Kränken. Er
für vergessen. Er wurde gelie¬
Er vibrierte von Kraft des
kräftet. Er wurde schuldlos
seinem trübsinnigen Jammer
thal machte wirkliche, gewitter
ihr frühzeitig. Diese grüblerise
störte seine Gesundheit. Es ko
schwindende Gesundheit diese
Jetzt, da er dem Sohne, der
nachgestürzt ist, braucht keine
thal nie vergessen wird. Sein
selbst, sagen das ganz alle
Nekrologe. Aber die Hofmann
wissen, daß sein so sehr erfül¬
sein nur ein Torso geblieben
selbst noch nicht erreicht hatte
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Prinzip behaftet. Wenn
den Young=Plan besteht, wenn er
purumenten ratifiziert wird, dann wird zwischen
Frankreich und Deutschland alles möglich.
vollendeten „Tod des Tizian". Hörte in mit dieser merk¬
würdigen Stimme Hofmannsthals, die ist beim Vortre¬
seiner Dichtungen ihren wahren Klang benam, die warm;
wie Blut, das eben aus einer Wunde ans Licht sickert, die
weich und zärtlich schmiegsam war, wie purpurner Samt,
die alle Worte mit einem goldfarbenen Schimmer zu über¬
hauchen und sie plastisch zu wölben schien. Er las uns den
„Tor und der Tod“; las uns die „Frau am Fenster", die
„Hochzeit der Sobeide", den „Abenteurer und die Sän¬
gerin. Arthur Schnitzler schrieb damals der „Anatol“. Wir
hörten Szene für Szene nacheinander, so wie sie fertig waren.
Zur ersten Buchhausgabe gab Hofmannsthal jenen Prolog
der seither ebenso berühmt geworden ist, wie der „Anatol¬
Zyklus. Damals, und Jahre nachher noch, haben wir,
Schnitzler und ich, auf Waldspaziergängen Verse von Hof¬
mannsthal rezitiert. Wie manche Leute draußen im Freien
Lieder singen, haben wir Hofmannsthalsche Verse gesprochen.
Sie waren uns Musik. Sie sind Musik: der Andrea des
Sechzehnjährigen: „Ich liebe Schurken, ich kann sie verstehen
Und niemand mag ich lieber um mich sehen — Gleich¬
wie mein Aug' den wilden Panther späht — Weil niemals
sich der nächste Sprung verrät. — So haß ich die, die ihre
Triebe zähmen — Und sich gemeiner Ehrlichkeit bequemen.
Ein Sechzehnjähriger! Und gleich darauf: „Oh, gold'ne
Lügen, werden ohne Grund,
Ein Trieb der Kunst in
unbewußtem Mund, — Oh, weise Lügen, mühevoll gewebt,
Wo eins das a dre stützt und hält und hebt!“ Dann
der Tor des Achtzehnjährigen: „Wie nah sind meiner Seele
die gerückt. — Die dort auf ferner Halde einsam wohnen -
Und denen Güter, mit der Hand gepflückt. — Die gute
Mattigkeit der Glieder lohnen. — Sie können sich mit ein¬
fachen Worten — Was nötig zum Lachen und Weinen, sagen,
Müssen nicht an sieben vernagelte Pforten — Mit blutigen
Fingern schlagen. Der Tod, vom Achtzehnjährigen gestaltet,
spricht: „Steh auf! Wirf dies ererbte Grau'n von dir!
Ich bin nicht schauerlich, bin kein Gerippe
Aus des
Dionysos, der Venus Sippe. — Ein großer Gott der Seele
steht vor dir!“ All die Gedichte. „Der tiefe Brunnen weiß
es wohl." Oder: „Es läuft der Frühlingswind durch kahle
Alleen
Hier, am Seeufer, in meiner kleinen Stube, habe ich
kein einziges Buch von Hofmannsthal zur Hand. Aber ich
sage mir viele, viele Verse des Dichters vor. Viele Seiten
lang, die meinem Hirn eingeprägt sind für immer. Ob ich
das zu seinem Andenken tue, als eine Art Trauerfeier, oder
auf die Gemüter aus, die
„... geruhe Wirkungen hervorgebracht hat. Der Unfall
des „Graf Zeppelin war ein schlagender Beweis
dafür, daß sich doch etwas gewandelt hat. Ich werde mich
auf der internationalen Regierungskonferenz mit allen
Kräften bemühen, den Frieden herbeizuführen, allerdings
es einer Verzweiflung, die irgendwo Halt sucht, weiß ich
nicht. „Es weht herüber wie feuchter Atem stürzender Ge¬
wässer... heißt es in seinem „Oedipus“-Drama. Ach ja, es
weht herüber wie leiser Atem vergangener Jugend.
Er war... Es fällt schwer, von einem teuern Menschen
zu sagen: er war, von dem man gestern noch sagen durfte,
von dem man immer noch denkt: er ist! In seinem Wesen
haben mancherlei starke Elemente gewaltet. Die Dominante
aber klang vom achtzehnten Jahrhundert her und war öster¬
reichisches Barock. Sein Verhältnis zum Heute: so intensiv
teilnehmend, so verständnisvoll, so lebendig, so funkelnd in
Gedanken, Einfällen und so verschwenderisch in hingestreuter
Anregung es immer war, er brachte es kaum jemals fertig,
dieses Heute poetisch zu fassen, schaffend zu formen. Manch¬
mal glaubte man, der Achtzehnjährige hätte ein prophetisches
Selbstbekenntnis in die Verse gelegt: „Ich hab' mich so vom
Wirklichen verloren. — Daß ich die Sonne sah aus toten
Augen — Und nicht mehr hörte, als durch tote Ohren.
Aber vielleicht hat er nie versucht, diese Gegenwart zu ge¬
stalten, hat das vielleicht nie gewollt. Was er inbrünstig
ersehnt, worum er blutig gerungen hat, das war die große
Wirkung auf dem Theater. Seine frühen Einakter, Meister¬
werke der Dichtkunst, sind bühnenmäßig nur Anfänge ge¬
wesen. „Das gerettete Venedig ebenso wie „Oedipus und
die Sphinx“, dann „Christinas Heimreise", zuletzt „Der
Turm, sind wertvoll, sind köstlich wie Juwelen seltenster
Art, die nur bei seltensten Gelegenheiten hervorgeholt und
getragen werden. Sie bleiben dem Buch näher, bleiben ihm
verwandter als dem Podium. „Der Schwierige“, dieses
wunderbare Filigran=Monument eines österreichischen Kava¬
liers, kann heute nur ein einziger deutscher Schauspieler zu
wirksamer, tief menschlicher Lebendigkeit wecken. Das „mit
einfachen Worten, was nötig zum Lachen und Weinen
sagen ist Hofmannsthal erst im „Jedermann" gelungen
und dann im „Großen Welttheater“
Das Spiel vom „Jedermann" schrieb er, bevor er zur
Oper abschwenkte, oder ganz am Anfang dieser merkwürdigen,
im Wesentlichen barocken Schwenkung. Das „Welttheater
viele Jahre später und gab damit den Beweis, wie wenig
verbraucht, wie unverwüstlich seine dichterische Substanz ge¬
blieben war. „Elektra“ jedoch, dieser erste, wirkliche und
große Bühnenerfolg führte ihn mit Richard Strauß
sammen. Das war sein Glück und das war zugleich
Verhängnis.
y
siegten an der Kette hält,
bunden wie der Besiegte.
Frankreich annehmen soll,
wollen einen französischen
der auf den alten französi
Wirfordern, daß di
Föderation unsere
Wie jeder Götterlieblin
immer und in seinen am
Tragik umschattet. Fast ein
seines Genies zu einer Höhe
glücklich, die andere nur
Dasein erklimmen. Er stand
Sonne des Erfolges, bezaul
mutig, göttlich sorglos, schäu¬
erschöpflich in der Kraft sei¬
noch wurde einem manchma
Dennoch mag ihm selbst sch
worden sein. Das Schicksal
lassen. Darüber hinaus gabe
Später dann, je mehr sein
begann der Kampf gegen
schwärzer traten die Schatten
schlossen ihn dunkler und du
schaft mit dem Grillparzerse
außen hin nicht deutlich. Der
war zu stürmisch, war zu ste
bissige Bitterkeit oder Gries
Gespräch der hinreißende Ge¬
Er blieb unter allen Dichter
Einzige, der wirklich regen
Arbeiten eines anderen nah¬
auch mit einem großen Juge
nicht zu verschmerzen imstand
Kränkung ins Kränken. Er
für vergessen. Er wurde gelie¬
Er vibrierte von Kraft des
kräftet. Er wurde schuldlos
seinem trübsinnigen Jammer
thal machte wirkliche, gewitter
ihr frühzeitig. Diese grüblerise
störte seine Gesundheit. Es ko
schwindende Gesundheit diese
Jetzt, da er dem Sohne, der
nachgestürzt ist, braucht keine
thal nie vergessen wird. Sein
selbst, sagen das ganz alle
Nekrologe. Aber die Hofmann
wissen, daß sein so sehr erfül¬
sein nur ein Torso geblieben
selbst noch nicht erreicht hatte