VII, Verschiedenes 11, 1929–1931, Seite 4

1.
Miscellaneous
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auf die Gemüter aus, die
gentliche Wirkungen hervorgebracht hat. Der Unfall
prinzip behaftet. Wenn
des „Graf Zeppelin" war ein schlagender Beweis
oung=Plan besteht, wenn er
dafür, daß sich doch etwas gewandelt hat. Ich werde mich
wird, dann wird zwischen
auf der internationalen Regierungskonferenz mit allen
les möglich.
Kräften bemühen, den Frieden herbeizuführen, allerdings
Hörte ihn mit dieser merk¬
aus einer Verzweiflung, die irgendwo Halt sucht, weiß ich
ils, die erst beim Vortrag
nicht. „Es weht herüber wie feuchter Atem stürzender Ge¬
Klang bekam, die warm war
wässer..." heißt es in seinem „Oedipus“-Drama. Ach ja, es
Bunde ans Licht sickert, die
weht herüber wie leiser Atem vergangener Jugend.
war, wie purpurner Samt,
Er war... Es fällt schwer, von einem teuern Menschen
arbenen Schimmer zu über¬
zu sagen: er war, von dem man gestern noch sagen durfte,
ben schien. Er las uns den
von dem man immer noch denkt: er ist! In seinem Wesen
die „Frau am Fenster", die
haben mancherlei starke Elemente gewaltet. Die Dominante
Abenteurer und die Sän¬
aber klang vom achtzehnten Jahrhundert her und war öster¬
damals den „Anatol. Wir
reichisches Barock. Sein Verhältnis zum Heute: so intensiv
der, so wie sie fertig waren
teilnehmend, so verständnisvoll, so lebendig, so funkelnd in
hofmannsthal jenen Prolog,
Gedanken, Einfällen und so verschwenderisch in hingestreuter
den ist, wie der „Anatol¬
Anregung es immer war, er brachte es kaum jemals fertig,
nachher noch, haben wir,
dieses Heute poetisch zu fassen, schaffend zu formen. Manch¬
ziergängen Verse von Hof¬
mal glaubte man, der Achtzehnjährige hätte ein prophetisches
Leute draußen im Freien
Selbstbekenntnis in die Verse gelegt: „Ich hab' mich so vom
nsthalsche Verse gesprochen.
Wirklichen verloren. — Daß ich die Sonne sah aus toten
d Musik: der Andrea des
Augen — Und nicht mehr hörte, als durch tote Ohren.
surken, ich kann sie verstehen
Aber vielleicht hat er nie versucht, diese Gegenwart zu ge¬
um mich sehen — Gleich¬
stalten, hat das vielleicht nie gewollt. Was er inbrünstig
her späht
Weil niemals
ersehnt, worum er blutig gerungen hat, das war die große
So haß ich die, die ihre
Wirkung auf dem Theater. Seine frühen Einakter, Meister¬
iner Ehrlichkeit bequemen.
werke der Dichtkunst, sind bühnenmäßig nur Anfänge ge¬
sich darauf: „Oh, gold'ne
wesen. „Das gerettete Venedig ebenso wie „Oedipus und
Ein Trieb der Kunst in
die Sphinx“, dann „Christinas Heimreise", zuletzt „Der
se Lügen, mühevoll gewebt,
Turm, sind wertvoll, sind köstlich wie Juwelen seltenster
und hält und hebt!“ Dann
Art, die nur bei seltensten Gelegenheiten hervorgeholt und
Wie nah sind meiner Seele
getragen werden. Sie bleiben dem Buch näher, bleiben ihm
er Halde einsam wohnen
verwandter als dem Podium. „Der Schwierige“, dieses
nd gepflückt,
Die gute
wunderbare Filigran=Monument eines österreichischen Kava¬
Sie können sich mit ein¬
liers, kann heute nur ein einziger deutscher Schauspieler zu
Lachen und Weinen, sagen,
wirksamer, tief menschlicher Lebendigkeit wecken. Das „mit
te Pforten — Mit blutigen
einfachen Worten, was nötig zum Lachen und Weinen
Achtzehnjährigen gestaltet,
sagen ist Hofmannsthal erst im „Jedermann" gelungen
rerbte Grauen von dir! —
und dann im „Großen Welttheater"
ein Gerippe
Aus des
Ein großer Gott der Seele
Das Spiel vom „Jedermann" schrieb er, bevor er zur
„Der tiefe Brunnen weiß
Oper abschwenkte, oder ganz am Anfang dieser merkwürdigen,
Frühlingswind durch kahle
im Wesentlichen barocken Schwenkung. Das „Welttheater
viele Jahre später und gab damit den Beweis, wie wenig
er kleinen Stube, habe ich
verbraucht, wie unverwüstlich seine dichterische Substanz ge¬
sthal zur Hand. Aber ich
blieben war. „Elektra“ jedoch, dieser erste, wirkliche und
Dichters vor. Viele Seiten
große Bühnenerfolg führte ihn mit Richard Strauß
t sind für immer. Ob ich
sammen. Das war sein Glück und das war zugleich sein
eine Art Trauerfeier, oder
Verhängnis.
„Weye den
Wahrheit ist der Sieger, der den Be¬
siegten an der Kette hält, durch diese Kette ebenso fest ge¬
bunden wie der Besiegte. Die kommende Regelung, die
Frankreich annehmen soll, ist eine angelsächsische. Wir aber
wollen einen französischen Frieden, das heißt einen Frieden,
der auf den alten französischen Traditionen begründet ist.
Wirfordern, daß die Idee der europäischen
Föderation unserer ganzen Politik zu¬
Wie jeder Götterliebling, schien auch Hofmannsthal
immer und in seinen am hellsten leuchtenden Zeiten von
Tragik umschattet. Fast ein Kind noch, wurde er vom Fittich
seines Genies zu einer Höhe emporgetragen, leicht, mühelos,
glücklich, die andere nur nach einem langen, mühsamen
Dasein erklimmen. Er stand jahrelang in der strahlend heißen
Sonne des Erfolges, bezaubernd heiter, bezwingend an¬
mutig, göttlich sorglos, schäumend vor stolzem Uebermut, un¬
erschöpflich in der Kraft seines beispiellosen Könnens. De¬
noch wurde einem manchmal bang, wenn man ihn ansah.
Dennoch mag ihm selbst schon damals manchmal bang ge¬
worden sein. Das Schicksal hatte ihn zu hoch oben anfangen
lassen. Darüber hinaus gab es kaum noch einen höheren Gipfel.
Später dann, je mehr sein Leben vorrückte, desto heftiger
begann der Kampf gegen diesen Anfang. Schwärzer und
schwärzer traten die Schatten der Schwermut hervor, um¬
schlossen ihn dunkler und dunkler. Eine unselige Verwandt¬
schaft mit dem Grillparzer'schen Wesen wird sichtbar. Nach
außen hin nicht deutlich. Denn Hofmannsthals Temperament
war zu stürmisch, war zu stark aufs Positive gerichtet, um
bissige Bitterkeit oder Griesgram zu zeigen. Er blieb im
Gespräch der hinreißende Geist, befeuernd wie Champagner.
Er blieb unter allen Dichtern, die ich je gekannt habe, der
Einzige, der wirklich regen und fördernden Anteil am
Arbeiten eines anderen nahm. Allein, wie Grillparzer, der
auch mit einem großen Jugenderfolg begonnen hatte, den er
nicht zu verschmerzen imstande war, fiel Hofmannsthal aus
Kränkung ins Kränken. Er blieb berühmt und hielt sich
für vergessen. Er wurde geliebt und glaubte sich mißhandelt.
Er vibrierte von Kraft des Könnens und wähnte sich ent¬
kräftet. Er wurde schuldlos schuldig. Grillparzer gedieh bei
seinem trübsinnigen Jammer bis in die Achtzig. Hofmanns¬
thal machte wirkliche, gewitterheftige Tragik durch und erlag
ihr frühzeitig. Diese grüblerisch schwermütige Stimmung zer¬
störte seine Gesundheit. Es kann freilich auch sein, daß seine
schwindende Gesundheit diese tragische Grübelei erzeugt hat.
Jetzt, da er dem Sohne, der sich selbst den Tod gab, so eilig
nachgestürzt ist, braucht keiner sagen, daß man Hofmanns¬
thal nie vergessen wird. Seine Werke sagen das ganz von
selbst, sagen das ganz allein, viel beredsamer als alle
Nekrologe. Aber die Hofmannsthal persönlich gekannt haben,
wissen, daß sein so sehr erfülltes Leben trotz allem Erfüllt¬
sein nur ein Torso geblieben ist. Und sie wissen, daß er sich
es noch nicht erreicht hatte.