VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 9

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Schnitzler's Death Schnitzler's Death
box 42/5 box 42/5
Nr. 24104 Nr. 24104
Wien, Donnerstag Wien, Donnerstag
Neue Freie Presse Neue Freie Presse
22. Oktober 1931 22. Oktober 1931
Der Tod Arthur Schnitzlers. Der Tod Arthur Schnitzlers.
Arthur Schnitzlers Lebensgang. Arthur Schnitzlers Lebensgang.
Uraufführung gebracht, wie es Uraufführung gebracht, wie es
Arthur Schnitzler und das Arthur Schnitzler und das
Dichters Schwanengesang. Denn Dichters Schwanengesang. Denn
Wien, 22. Oktober. Wien, 22. Oktober.
Theater. Theater.
wurde zwar später aufgeführt, wurde zwar später aufgeführt,
Arthur Schnitzler ist gestern einem Schlaganfall er¬ Arthur Schnitzler ist gestern einem Schlaganfall er¬
worden. Auch bei den Proben zur worden. Auch bei den Proben zur
Was Schauspieler und Regisseur sagen. Was Schauspieler und Regisseur sagen.
legen. Wenige Stunden, nachdem er, von einem Spaziergang legen. Wenige Stunden, nachdem er, von einem Spaziergang
war Schnitzler häufiger Gast. Na war Schnitzler häufiger Gast. Na
Die innige Verbundenheit Arthur Schnitzlers mit der Die innige Verbundenheit Arthur Schnitzlers mit der
nach Hause zurückgekehrt, besinnungslos zu Boden gestürzt nach Hause zurückgekehrt, besinnungslos zu Boden gestürzt
mir einen Brief, in dem er aus mir einen Brief, in dem er aus
Bühne und sein tiefes Verständnis für die Möglichkeiten Bühne und sein tiefes Verständnis für die Möglichkeiten
war, hatte er bereits ausgelitten. Dieses plötzliche Sterben war, hatte er bereits ausgelitten. Dieses plötzliche Sterben
dauernd in seiner Erinnerung ha dauernd in seiner Erinnerung ha
und Aufgaben des Theaters spiegelt sich in nachfolgenden und Aufgaben des Theaters spiegelt sich in nachfolgenden
rüttelt an den Nerven. Es gemahnt an den Tod des unver¬ rüttelt an den Nerven. Es gemahnt an den Tod des unver¬
er sich besonders freue, mit dies er sich besonders freue, mit dies
Aeußerungen von Künstlern wieder, die in der Praxis der Aeußerungen von Künstlern wieder, die in der Praxis der
geßlichen Hugo v. Hofmannsthal, Schnitzlers Jugend¬ geßlichen Hugo v. Hofmannsthal, Schnitzlers Jugend¬
zu Worte gekommen zu sein. B zu Worte gekommen zu sein. B
Proben oft mit Schnitzler gemeinsame Arbeit am Werk des Proben oft mit Schnitzler gemeinsame Arbeit am Werk des
gefährten, der desgleichen von einem unerbittlichen Schicksal gefährten, der desgleichen von einem unerbittlichen Schicksal
dem „Gang zum Weiher" der F dem „Gang zum Weiher" der F
Dichters leisten konnten. Dichters leisten konnten.
jäh dahingestreckt worden war. In wenigen Monaten hätte jäh dahingestreckt worden war. In wenigen Monaten hätte
hat wiederholt erklärt, die idea hat wiederholt erklärt, die idea
das literarische Oesterreich und Deutschland den siebzigsten das literarische Oesterreich und Deutschland den siebzigsten
Hauptfiguren, Vater und Tocht Hauptfiguren, Vater und Tocht
Verständnisvollster Förderer des Darstellers. Verständnisvollster Förderer des Darstellers.
Geburtstag Schnitzlers gefeiert. Wer ihn aber noch in den Geburtstag Schnitzlers gefeiert. Wer ihn aber noch in den
mann und Elisabeth Bergne mann und Elisabeth Bergne
Von Otto Treßler. Von Otto Treßler.
letzten Tagen gesehen und gesprochen hat, dem ist es recht letzten Tagen gesehen und gesprochen hat, dem ist es recht
aufführung dieses Stückes im! aufführung dieses Stückes im!
Arthur Schnitzler war — es ist mir ein ebenso fremdes Arthur Schnitzler war — es ist mir ein ebenso fremdes
unglaubwürdig erschienen, daß dieser Mann bereits an der unglaubwürdig erschienen, daß dieser Mann bereits an der
Gastspieles am Volkstheater erw Gastspieles am Volkstheater erw
wie schmerzliches Gefühl, plötzlich in der Vergangenheit zu wie schmerzliches Gefühl, plötzlich in der Vergangenheit zu
Schwelle des Patriarchenalters stehen solle. Zwar hatt Schwelle des Patriarchenalters stehen solle. Zwar hatt
Rolle besonders liebte, wollte sie Rolle besonders liebte, wollte sie
sprechen — als Autor bei den Proben seiner Werke zurück¬ sprechen — als Autor bei den Proben seiner Werke zurück¬
menschliches Leid tiefe Furchen in seine Stirn gegraben und menschliches Leid tiefe Furchen in seine Stirn gegraben und
erklärte er, die Rolle sei so um erklärte er, die Rolle sei so um
haltend und bescheiden, also für uns Künstler besonders an¬ haltend und bescheiden, also für uns Künstler besonders an¬
nur für Wien, sondern auch fi nur für Wien, sondern auch fi
den federnden Gang des früher mit erhobenem Haupt den federnden Gang des früher mit erhobenem Haupt
genehm. Obwohl er mit gespanntester Aufmerksamkeit den genehm. Obwohl er mit gespanntester Aufmerksamkeit den
Damals war aber eine Annahme Damals war aber eine Annahme
Einherschreitenden ein wenig verlangsamt. Denn Schnitzler Einherschreitenden ein wenig verlangsamt. Denn Schnitzler
Vorgängen auf der Bühne folgte, kam es nie zu irgend¬ Vorgängen auf der Bühne folgte, kam es nie zu irgend¬
rst später, für den Dichter zu rst später, für den Dichter zu
hat den Schmerz um seine Tochter, die vor wenigen Jahren hat den Schmerz um seine Tochter, die vor wenigen Jahren
welchen Unterbrechungen, die wir als Störung oder als ein welchen Unterbrechungen, die wir als Störung oder als ein
in Berlin den „Gang zum Weiher in Berlin den „Gang zum Weiher
in Venedig plötzlich gestorben ist, nicht mehr verwinden in Venedig plötzlich gestorben ist, nicht mehr verwinden
Moment empfanden, das die Stimmung der Szene zerrissen Moment empfanden, das die Stimmung der Szene zerrissen
können. Und wieder weist sich eine tragische Parallele mit können. Und wieder weist sich eine tragische Parallele mit
Gemeinsame Gedenkf Gemeinsame Gedenkf
hätte. Er sagte nicht viel, aber was er sagte, hatte nicht nur hätte. Er sagte nicht viel, aber was er sagte, hatte nicht nur
Hugo v. Hofmannsthal, dem das Hinscheiden des geliebter Hugo v. Hofmannsthal, dem das Hinscheiden des geliebter
vom Standpunkt des Darstellers Hand und Fuß, sondern vom Standpunkt des Darstellers Hand und Fuß, sondern
Sprechbül Sprechbül
Sohnes den Rest an Lebenskraft und Lebenswillen ge¬ Sohnes den Rest an Lebenskraft und Lebenswillen ge¬
war auch so tiefgründig, daß es uns die werwollsten psycho¬ war auch so tiefgründig, daß es uns die werwollsten psycho¬
raubt hat. raubt hat.
Anläßlich des bevorstehender Anläßlich des bevorstehender
logischen Aufschlüsse vermittelte. Ein wahrhafter Förderer der logischen Aufschlüsse vermittelte. Ein wahrhafter Förderer der
Schnitzlers haben bereits drei Schnitzlers haben bereits drei
Arthur Schnitzler, der Wiener Dichter katexrochen, ist Arthur Schnitzler, der Wiener Dichter katexrochen, ist
Schauspieler, hatte er die seltene Gabe, mit wenigen Worten Schauspieler, hatte er die seltene Gabe, mit wenigen Worten
Reprisen seiner Werke vorbereit¬ Reprisen seiner Werke vorbereit¬
aus erlesenem Wiener Milieu gekommen. Sein Vater war aus erlesenem Wiener Milieu gekommen. Sein Vater war
die ganze Figur unerhört plastisch vor unserem Auge zu die ganze Figur unerhört plastisch vor unserem Auge zu
„Der junge Medardus" „Der junge Medardus"
der seinerzeit berühmte und in der Wiener Gesellschaft hoch¬ der seinerzeit berühmte und in der Wiener Gesellschaft hoch¬
zeichnen. Es sind jetzt volle 34 Jahre her, daß ich als zeichnen. Es sind jetzt volle 34 Jahre her, daß ich als
stadt „Liebelei" und das stadt „Liebelei" und das
angesehene Laryngologe Professor Dr. Johann Schnitzler. Im angesehene Laryngologe Professor Dr. Johann Schnitzler. Im
Partner von Katharina Schratt die erste Schnitzler=Rolle Partner von Katharina Schratt die erste Schnitzler=Rolle
des Lebens". Der Dichter des Lebens". Der Dichter
Nebenberuf Burgtheatevarzt und Vertrauter aller großen Nebenberuf Burgtheatevarzt und Vertrauter aller großen
verkörperte, den Hugo in „Das Vermächtnis". Diese verkörperte, den Hugo in „Das Vermächtnis". Diese
im Volkstheater aufgeführte S. im Volkstheater aufgeführte S.
Darsteller dieser Bühne. So kam es, daß die beiden Söhne Darsteller dieser Bühne. So kam es, daß die beiden Söhne
des Gelehrten, Arthur sowohl als sein Bruder Julius, der des Gelehrten, Arthur sowohl als sein Bruder Julius, der
heworragende Wiener Chirurg, in ihren Jünglingsjahren heworragende Wiener Chirurg, in ihren Jünglingsjahren
starke künstlerische Impulse erhielten. Beide wandten sich starke künstlerische Impulse erhielten. Beide wandten sich
Modern Modern
dem Studium der Medizin zu. Aber während Julius nur im dem Studium der Medizin zu. Aber während Julius nur im
Nebenamt sozusagen ein hervorragender Musiker und Musik¬ Nebenamt sozusagen ein hervorragender Musiker und Musik¬
freund zeitlebens geblieben ist, hat sich Arthur nach seinen freund zeitlebens geblieben ist, hat sich Arthur nach seinen
der jugendliche der jugendliche
Assistentenjahren an der Poliklinik und nach einer militär¬ Assistentenjahren an der Poliklinik und nach einer militär¬
ärztlichen Episode (ihre Frucht war „Leutnant Gustl", eine ärztlichen Episode (ihre Frucht war „Leutnant Gustl", eine
Novelle, die, wie viele andere Schöpfungen des Dichters, in Novelle, die, wie viele andere Schöpfungen des Dichters, in
Nackenknoten Nackenknoten
der „Neuen Freien Presse" erschienen ist) dem der „Neuen Freien Presse" erschienen ist) dem
literarischen Schaffen zugewandt. literarischen Schaffen zugewandt.
Das längere Haar legt sich Das längere Haar legt sich
Sein Erstlingswerk war „Anatol", der Mann mit der Sein Erstlingswerk war „Anatol", der Mann mit der
tief in die Stirn hineinhängenden weltschmerzlerischen Locke; tief in die Stirn hineinhängenden weltschmerzlerischen Locke;
gefügig, es glänzt wunder¬ gefügig, es glänzt wunder¬
sie hat übrigens damals auch der Dichter selbst getragen, sie hat übrigens damals auch der Dichter selbst getragen,
ebenso wie Hermann Bahr, der dem Stammtisch im alten ebenso wie Hermann Bahr, der dem Stammtisch im alten
voll, und Ihre Frisur hält voll, und Ihre Frisur hält
„Griensteidl" präsidierte. Auf „Anatol" folgten „Das „Griensteidl" präsidierte. Auf „Anatol" folgten „Das
Märchen", „Liebelei", und vielleicht ist noch „Freiwild Märchen", „Liebelei", und vielleicht ist noch „Freiwild
nach dem Waschen mit nach dem Waschen mit

dieser Epoche des dichterischen Schaffens Schnitzlers beizu¬ dieser Epoche des dichterischen Schaffens Schnitzlers beizu¬
zählen. Das sind jene Werke, in denen zum erstenmal das zählen. Das sind jene Werke, in denen zum erstenmal das
Wiener süße Mädel die Bühne betrat, das freilich, genau Wiener süße Mädel die Bühne betrat, das freilich, genau
genommen, in Grillparzers Hero und Melitta ihre Ahnen genommen, in Grillparzers Hero und Melitta ihre Ahnen
ELIDA SHAMI ELIDA SHAMI
verehren müßte. Anatol und das süße Mädchen und Max, verehren müßte. Anatol und das süße Mädchen und Max,
der Räsonneur, sind Blutzeugen einer allerdings weit hinter der Räsonneur, sind Blutzeugen einer allerdings weit hinter
uns liegenden Epoche des Wiener Lebens. Wenn auf ihnen uns liegenden Epoche des Wiener Lebens. Wenn auf ihnen
ein wenig Staub liegt, so ist es doch der Staub von ein wenig Staub liegt, so ist es doch der Staub von
Rolle hat eine sehr schwierige, weil sehr lange dauernde Rolle hat eine sehr schwierige, weil sehr lange dauernde
Schmetterlingsflügeln. Schmetterlingsflügeln.
Teil umgearbeitet, weil er, wie Teil umgearbeitet, weil er, wie
Sterbeszene, und ich durfte damals den Dichter wiederholt in Sterbeszene, und ich durfte damals den Dichter wiederholt in
Erlebnissen, die dieses Werk aus Erlebnissen, die dieses Werk aus
Mit der „Liebelei" hatte sich Schnitzler das Burgtheaten Mit der „Liebelei" hatte sich Schnitzler das Burgtheaten
seinem Heim aufsuchen, wo er mit rührender Hingabe mit mir abgeklärtere Distanz gewonnen ha seinem Heim aufsuchen, wo er mit rührender Hingabe mit mir abgeklärtere Distanz gewonnen ha
erobert. Ludwig Speidel begrüßte mit schwungvoller Wärme erobert. Ludwig Speidel begrüßte mit schwungvoller Wärme
arbeitete. In seinem Glüchwunschschreiben zu meinem 60. Ge¬ arbeitete. In seinem Glüchwunschschreiben zu meinem 60. Ge¬
anders sah. Es war der ausdrückl anders sah. Es war der ausdrückl
den jungen Autor und sagte ihm prophetisch eine große den jungen Autor und sagte ihm prophetisch eine große
burtstag schreibt er darüber, nachdem er mich des Ausdruckes burtstag schreibt er darüber, nachdem er mich des Ausdruckes
daß das Volkstheater seinen 70. daß das Volkstheater seinen 70.
dichterische Zukunft voraus. Jene, die da glaubten, daß dichterische Zukunft voraus. Jene, die da glaubten, daß
seiner Sympathie und seiner Bewunderung versichert hatte seiner Sympathie und seiner Bewunderung versichert hatte
Werke begehe. Werke begehe.
Schnitzler nur in der weichen Luft Wiens dichterisch atmer Schnitzler nur in der weichen Luft Wiens dichterisch atmer
wie folgt: „Ich habe Sie heute zufällig in einem Tonfilm wie folgt: „Ich habe Sie heute zufällig in einem Tonfilm
Ich werde nunmehr anregen Ich werde nunmehr anregen