VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 16


Pohemien Pohemien
wenn uns der Lichter eines Auches von hohen wenn uns der Lichter eines Auches von hohen
tichen Ernst als ein oberflüchlicher frivoter tichen Ernst als ein oberflüchlicher frivoter
Geselle; — wenn une der Verfasser eines von Geselle; — wenn une der Verfasser eines von
delsinn und Menschwmlieve Werstremenden delsinn und Menschwmlieve Werstremenden
Werkes als ein engherziger uder gar harte Werkes als ein engherziger uder gar harte
Mensch entgegentritt, und in unserer Enttäu¬ Mensch entgegentritt, und in unserer Enttäu¬
schung sind wir leicht geneigt, solche Schrift¬ schung sind wir leicht geneigt, solche Schrift¬
steller für schwindelhafte oder gar verlogene steller für schwindelhafte oder gar verlogene
Subfekte anzusehen. Subfekte anzusehen.
Tamit tun wir ihnen unrecht. Rs sind keines¬ Tamit tun wir ihnen unrecht. Rs sind keines¬
wegs Schwindler, es sind eben Literaten, deren wegs Schwindler, es sind eben Literaten, deren
Schaffensmethode gewissermaßen in zwei Etappen Schaffensmethode gewissermaßen in zwei Etappen
vor sich geht; sie beginnen, durchaus nicht in vor sich geht; sie beginnen, durchaus nicht in
unehrlicher Absicht, sondern einem inneren Ge¬ unehrlicher Absicht, sondern einem inneren Ge¬
setz folgend, damit, daß sie vor allem einmal die setz folgend, damit, daß sie vor allem einmal die
Gestalt eines Dichters schaffen, der sich dazu Gestalt eines Dichters schaffen, der sich dazu
eignet, aus seinem von ihnen erdichteten Wesen eignet, aus seinem von ihnen erdichteten Wesen
heraus ein Werk zu dichten, das sie aus ihrer heraus ein Werk zu dichten, das sie aus ihrer
oigenen Natur zu schaffen nicht imstande wären. oigenen Natur zu schaffen nicht imstande wären.
Freilich ist die Wahrheit ein so unwidersteh¬ Freilich ist die Wahrheit ein so unwidersteh¬
liches Eliment, daß an chdie bedeutendsten, auf liches Eliment, daß an chdie bedeutendsten, auf
solche Weise zustande gekommenen Werke an solche Weise zustande gekommenen Werke an
irgendeiner Stelle, manchmal auch in der ganzen irgendeiner Stelle, manchmal auch in der ganzen
Durchführung, das Geheimnis ihres Ursprungs Durchführung, das Geheimnis ihres Ursprungs
verraten, wäre es auch nur durch ein seltsames verraten, wäre es auch nur durch ein seltsames
Unbehagen, das sie erregen und das sich bis zum Unbehagen, das sie erregen und das sich bis zum
Widerstand, ja bis zum Ekel steigern kann. Und Widerstand, ja bis zum Ekel steigern kann. Und
in jedem Falle wird ein solches Werk der Ver¬ in jedem Falle wird ein solches Werk der Ver¬
gänglichkeit rascher anheimfallen als jene ande¬ gänglichkeit rascher anheimfallen als jene ande¬
ren Schöpfungen, die ein Genie unmittelbar ren Schöpfungen, die ein Genie unmittelbar
hervorbrachte, ohne erst einer Zwischengestalt hervorbrachte, ohne erst einer Zwischengestalt
zu bødürfen, die es mit den ihm selbst versagten zu bødürfen, die es mit den ihm selbst versagten
hohen Serlenkräften ausstatten mußte. hohen Serlenkräften ausstatten mußte.
In der Kunst müssen wir uns von dem Vor¬ In der Kunst müssen wir uns von dem Vor¬
urteil emanzipieren, daß der Tod an sich schon urteil emanzipieren, daß der Tod an sich schon
etwas Trauriges zu bedeuten habe. Er ist viel¬ etwas Trauriges zu bedeuten habe. Er ist viel¬
mehr otwas so eminent Natürliches, daß er mehr otwas so eminent Natürliches, daß er
innerhalb eines Kunstwerks ebenso zur Heiterkeit innerhalb eines Kunstwerks ebenso zur Heiterkeit
wie zur Erschütterung Anlaß goben kann. Je wie zur Erschütterung Anlaß goben kann. Je
serner uns eine Figur, je mehr sie ins Epifo¬ serner uns eine Figur, je mehr sie ins Epifo¬
dische gerückt ist, um so leichter gelingt es uns, dische gerückt ist, um so leichter gelingt es uns,
diesen Standpunkt einzunehmen, offenvar dar¬ diesen Standpunkt einzunehmen, offenvar dar¬
um, weil von jenen ferner gerückten Episoden¬ um, weil von jenen ferner gerückten Episoden¬
figuren nicht so viele und so mächtige Assozia¬ figuren nicht so viele und so mächtige Assozia¬
tionsläden zu unserem eigenen Schicksal laufen. tionsläden zu unserem eigenen Schicksal laufen.
Der Tod des Hamlet berührt un Stragisch. der Der Tod des Hamlet berührt un Stragisch. der
des Polonius besiensalls tragikomisch, und in des Polonius besiensalls tragikomisch, und in
gleicher Weise, vielleicht in noch höherem Maße gleicher Weise, vielleicht in noch höherem Maße
tragikomisch, wenn auch zuweilen rührend, tragikomisch, wenn auch zuweilen rührend,
wirkt auf uns der Tod im Puppenspiel. Unser wirkt auf uns der Tod im Puppenspiel. Unser
Schmrez über den Untergang der Marionette, Schmrez über den Untergang der Marionette,
den das ewige Kinderherz in uns empfindet, den das ewige Kinderherz in uns empfindet,
wird von unserer erwachsenen Logik sofort in wird von unserer erwachsenen Logik sofort in
Heiterkeit umgedeutet, weil diese ehrlichen Ma¬ Heiterkeit umgedeutet, weil diese ehrlichen Ma¬
rionetten im Gegensatz zu manchen scheinbar tra¬ rionetten im Gegensatz zu manchen scheinbar tra¬
gischen Figuren, die manchmal nichts sind als gischen Figuren, die manchmal nichts sind als
unehrliche Marionetten, von vornherein auf die unehrliche Marionetten, von vornherein auf die
Tänschung verzichten, uns ein Menschenschicksal Tänschung verzichten, uns ein Menschenschicksal
vorzuspielen. vorzuspielen.
Eine besondere Lust gewährt es manchem Eine besondere Lust gewährt es manchem
Rezensenten, den entschiedenen Rückschritt eines Rezensenten, den entschiedenen Rückschritt eines
Antors festzustellen, wo es sich um nichts Antors festzustellen, wo es sich um nichts
anderes handelte, als um eine Schwankung nach anderes handelte, als um eine Schwankung nach
unten, wie sie im Lebenswerk jedes Schaffenden unten, wie sie im Lebenswerk jedes Schaffenden
natürlicherweise vorzukommen pilegt. Solchen natürlicherweise vorzukommen pilegt. Solchen
voreiligen Grabrednern gegenüber fühlt man voreiligen Grabrednern gegenüber fühlt man
sich versucht. an Eintagsfliegen zu denken, denen sich versucht. an Eintagsfliegen zu denken, denen
es bestimmt war. von einer Flut bis zur nächsten es bestimmt war. von einer Flut bis zur nächsten
Ebbe an einem Uier hinzuschweben, und die sich Ebbe an einem Uier hinzuschweben, und die sich
einbilden, weil sie die neue Flut nicht mehr er¬ einbilden, weil sie die neue Flut nicht mehr er¬
leben, sie hätten das Meer austrocknen gesehen. leben, sie hätten das Meer austrocknen gesehen.
Eine unerläßliche Voraussetzung des Dramas Eine unerläßliche Voraussetzung des Dramas
ist das Vorhandensein einer bestimmten Wolt¬ ist das Vorhandensein einer bestimmten Wolt¬
anschauung und die Annahme gewisser fest¬ anschauung und die Annahme gewisser fest¬
stehender ethischer Werte. Keineswegs geht es stehender ethischer Werte. Keineswegs geht es
an, am Beginn eines Dramas den Mythys an, am Beginn eines Dramas den Mythys
bejahen und im weiteren Verlaufe ihn anm¬ bejahen und im weiteren Verlaufe ihn anm¬
zweifeln; es geht nicht an. über die dramatische zweifeln; es geht nicht an. über die dramatische
Handlung einen Himmel von ganz bestimmter Handlung einen Himmel von ganz bestimmter
chi aen chi aen
und ihn später herabsinken zu lassen wie eine und ihn später herabsinken zu lassen wie eine
bewealiche Decke oder gar ihn aufmreißen und bewealiche Decke oder gar ihn aufmreißen und
plötzlich in die Unendlichkeit ungelöster und un¬ plötzlich in die Unendlichkeit ungelöster und un¬