VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 58

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chnitzler's Death chnitzler's Death
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und Einfälle; die Gesamtkonstruktion wird und Einfälle; die Gesamtkonstruktion wird
Wiener Luft machte ihn zum ausgeprägtesten Wiener Luft machte ihn zum ausgeprägtesten
litzlers litzlers
vernachlässigt, dagegen aller Nachdruck auf die vernachlässigt, dagegen aller Nachdruck auf die
Erotiker des Impressionismus, der allen Ab¬ Erotiker des Impressionismus, der allen Ab¬
wirksame Verdichtung der einzelnen Szenen wirksame Verdichtung der einzelnen Szenen
schattierungen und Verkleidungen des Sexus schattierungen und Verkleidungen des Sexus
und dem Leben abgelauschten Züge gelegt, so und dem Leben abgelauschten Züge gelegt, so
mit Inbrunst nachgeht. Als leichtfertiges Spiel mit Inbrunst nachgeht. Als leichtfertiges Spiel
es gestern es gestern
daß der Zuschauer und Leser die vorüber¬ daß der Zuschauer und Leser die vorüber¬
verscherzter Stunden beginnt die Erotik ge¬ verscherzter Stunden beginnt die Erotik ge¬
hters lesen hters lesen
huschenden Eindrücke ebenso flüchtig empfinde huschenden Eindrücke ebenso flüchtig empfinde
wöhnlich, um dann, wenn die elenden Ver¬ wöhnlich, um dann, wenn die elenden Ver¬
Pand „Die Pand „Die
wie die „dramatis personae“ ihre Sensatio¬ wie die „dramatis personae“ ihre Sensatio¬
Von Jo¬ Von Jo¬
führer und armen Betrogenen die Leerhei führer und armen Betrogenen die Leerhei
u. Cie. u. Cie.
nen. Diese dialogisierten Novellen, kleinen nen. Diese dialogisierten Novellen, kleinen
der fast immer unechten Liebe und ihrer sinn¬ der fast immer unechten Liebe und ihrer sinn¬
haben wir haben wir
dramatischen Erzählungen, meistens Einakter, dramatischen Erzählungen, meistens Einakter,
losen Abenteuer erkennen, in trostloser losen Abenteuer erkennen, in trostloser
besprochen. besprochen.
reiht Schnitzler mit Vorliobe zu Zyklen an¬ reiht Schnitzler mit Vorliobe zu Zyklen an¬
Melancholie oder tiefer Verzweiflung zu enden Melancholie oder tiefer Verzweiflung zu enden
n Auszug n Auszug
einander. So wird das von halben Leiden¬ einander. So wird das von halben Leiden¬
sschaulichen sschaulichen
— der Bodensatz ist bitterste Enttänschung. Die — der Bodensatz ist bitterste Enttänschung. Die
sitzlers. sitzlers.
schaften sanft durchwogte Leben von zwischen schaften sanft durchwogte Leben von zwischen
liebenden Männer sind meistens elegante, ge¬ liebenden Männer sind meistens elegante, ge¬
paktion.) paktion.)
Lebenslust und Todesbangigkeit verschwimmen¬ Lebenslust und Todesbangigkeit verschwimmen¬
fällige, oberflächliche Genießer aus wohlhaben¬ fällige, oberflächliche Genießer aus wohlhaben¬
ßter und ßter und
den Stimmungen laulich umspült, und man den Stimmungen laulich umspült, und man
den Kreisen mit recht vielen Geliebten, abe den Kreisen mit recht vielen Geliebten, abe
scher, re¬ scher, re¬
weiß nicht recht, was Ernst und was „Mimik weiß nicht recht, was Ernst und was „Mimik
ohne die Fähigkeit zur echten Liebe und darum ohne die Fähigkeit zur echten Liebe und darum
und daher und daher
ist. Die eigentliche Wahrheit läßt Schnitzler ist. Die eigentliche Wahrheit läßt Schnitzler
am Schlusse jedesmal trübselig verzehrt am Schlusse jedesmal trübselig verzehrt
er ist vor er ist vor
vielleicht seinen „Paracelsus" sagen: vielleicht seinen „Paracelsus" sagen:
Schnitzlers Frauen dagegen sind echte Liebende Schnitzlers Frauen dagegen sind echte Liebende
seren Art seren Art
mit wahrhaftigem Pathos, aber von er¬ mit wahrhaftigem Pathos, aber von er¬
— Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn — Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
blasiert blasiert
schreckender innerer Maßlosigkeit, die sie schreckender innerer Maßlosigkeit, die sie
wird nur von dem gefunden, der ihn sucht. wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
felnd, zur felnd, zur
Es fließen ineinander Traum und Wachen, Es fließen ineinander Traum und Wachen,
immerhin noch über die innere Halbheit ihrer immerhin noch über die innere Halbheit ihrer
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends. Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
tzung nei¬ tzung nei¬
männlichen Partner erhebt — das Ganze wird männlichen Partner erhebt — das Ganze wird
Wir wissen nichts von andern, nichts von uns. Wir wissen nichts von andern, nichts von uns.
mmer sich mmer sich
dann eben „Liebelei", wie ein vom Dichter dann eben „Liebelei", wie ein vom Dichter
Wirspielen immer; wer es weiß, ist klug. Wirspielen immer; wer es weiß, ist klug.
gen" gen"
gewählter Titel treffend besagt. Und so wie gewählter Titel treffend besagt. Und so wie
Das Dramatische nimmt in Schnitzlers Wert Das Dramatische nimmt in Schnitzlers Wert
die einzelnen von ihm behandelten Liebeleien die einzelnen von ihm behandelten Liebeleien
zwar den breitesten Raum ein, im Grunde zwar den breitesten Raum ein, im Grunde
mit den obligaten Ehebrüchen verlaufen, mit den obligaten Ehebrüchen verlaufen,
aber ist er Erzähler, und auch seine Bühnen¬ aber ist er Erzähler, und auch seine Bühnen¬
ntgefstert. ntgefstert.
entwickelte sich auch des Dichters Art der entwickelte sich auch des Dichters Art der
stücke sind, wie man mit Recht gesagt hat, stücke sind, wie man mit Recht gesagt hat,
Stimmungsmalerei: anfangs malt er mit der Stimmungsmalerei: anfangs malt er mit der
geisternde geisternde
eigentlich dramatisierte oder dialogisierte No¬ eigentlich dramatisierte oder dialogisierte No¬
graziösen Linien und Schnörkeln kapriziösen, graziösen Linien und Schnörkeln kapriziösen,
fremd, er fremd, er
vellen. In der Tat weiß er bestrickend zu vellen. In der Tat weiß er bestrickend zu
feinen Spottes und mit lustig hellen Lichterr feinen Spottes und mit lustig hellen Lichterr
statt statt
erzählen, mit allem Wiener Scharm und unter erzählen, mit allem Wiener Scharm und unter
unbesorgten Spieles, später aber mit den dunk¬ unbesorgten Spieles, später aber mit den dunk¬
hnend hnend
einem leichten weichen Schleier von Wehmu einem leichten weichen Schleier von Wehmu
len, schattenden Farben melancholischer Schwer¬ len, schattenden Farben melancholischer Schwer¬
stalität stalität
und Vergänglichkeitsahnung, von dem sich die und Vergänglichkeitsahnung, von dem sich die
mut. Aus seiner vom Wienertum bestimm¬ mut. Aus seiner vom Wienertum bestimm¬
rwahr, er rwahr, er
tief innerliche Frivolität so prickelnd abhebt; tief innerliche Frivolität so prickelnd abhebt;
ten impressionistischen Grundhaltung folgt ten impressionistischen Grundhaltung folgt
nicht sein nicht sein
immerhin wirkt das nur zu Lesende nicht so immerhin wirkt das nur zu Lesende nicht so
eine Eigentümlichkeit seines immer eleganten, eine Eigentümlichkeit seines immer eleganten,
fühle ein, fühle ein,
schamlos wie die durch die Bühnengesten ver¬ schamlos wie die durch die Bühnengesten ver¬
anmutigen, heiteren Stiles: von einigen weni¬ anmutigen, heiteren Stiles: von einigen weni¬
schselzucken schselzucken
gröberten Entblößungen. Auch hier liegt der gröberten Entblößungen. Auch hier liegt der
gen, etwas umfangreicheren Stücken abgesehen, gen, etwas umfangreicheren Stücken abgesehen,
gelassene gelassene
Reiz in den feinen Abschattierungen und fast Reiz in den feinen Abschattierungen und fast
haben fast alle Werke Schnitzlers Miniatur¬ haben fast alle Werke Schnitzlers Miniatur¬
senschlages senschlages
unmerklichen Übergängen, die alles, zumal unmerklichen Übergängen, die alles, zumal
format, seine Erzählungen sind meist slizzen¬ format, seine Erzählungen sind meist slizzen¬
fürer sub¬ fürer sub¬
nach der moralischen Seite, in der Schwebe nach der moralischen Seite, in der Schwebe
haft, seine Bühnenstücke kurze, ziemlich locker haft, seine Bühnenstücke kurze, ziemlich locker
genossener genossener
die weiche gefügte Szenenfolgen, dramatische Dialoge lassen, die selbst mit dem Tod kokettieren und die weiche gefügte Szenenfolgen, dramatische Dialoge lassen, die selbst mit dem Tod kokettieren und
den Leser schließtlich entlassen mit der spöltisch¬ den Leser schließtlich entlassen mit der spöltisch¬
skeptischen Frage: Wer weiß?! Daß er dabei skeptischen Frage: Wer weiß?! Daß er dabei
eine sehr einfühlige Psychologie und alle Grazie eine sehr einfühlige Psychologie und alle Grazie
der Melancholie verschwendet, darf nicht ver¬ der Melancholie verschwendet, darf nicht ver¬
kannt werden; aber man braucht noch keine kannt werden; aber man braucht noch keine
große Tragik darin zu finden, daß die Men¬ große Tragik darin zu finden, daß die Men¬
schen dieser Erzählungen „ab und zu Enk¬ schen dieser Erzählungen „ab und zu Enk¬
täuschungen preisgegeben" sind: solche deka¬ täuschungen preisgegeben" sind: solche deka¬
dente Gestalten suchen ihre innere Schwäche dente Gestalten suchen ihre innere Schwäche
und Hohlheit dadurch vor sich selber zu ver¬ und Hohlheit dadurch vor sich selber zu ver¬
bergen, daß sie wenigstens einmal einen bergen, daß sie wenigstens einmal einen
kurzen Rausch von sogenanntem Glück (Ehe¬ kurzen Rausch von sogenanntem Glück (Ehe¬
bruch u. dgl.) durchrasen — und das nennen bruch u. dgl.) durchrasen — und das nennen
sie dann gelebt haben, anstatt ihr Leben mit sie dann gelebt haben, anstatt ihr Leben mit
der stillen Größe der Selbstüberwindung und der stillen Größe der Selbstüberwindung und
des Pflichtbewußtseins zu erfüllen. Haltlos, des Pflichtbewußtseins zu erfüllen. Haltlos,
sind Schnitzlers sind Schnitzlers
willenlos dahingetrieben willenlos dahingetrieben
Menschen: „Es ist noch lange nicht klar genug", Menschen: „Es ist noch lange nicht klar genug",
meint einer von ihnen, „wie wenig wir wollen meint einer von ihnen, „wie wenig wir wollen
dürfen und wieviel wir müssen. dürfen und wieviel wir müssen.
Schnitzler hätte mit seiner glänzenden Be¬ Schnitzler hätte mit seiner glänzenden Be¬
herrschung der technischen Mittel des Im¬ herrschung der technischen Mittel des Im¬
pressionismus und seinen geschmackvollen Ein¬ pressionismus und seinen geschmackvollen Ein¬
fällen wohl das Zeug gehabt, seinen Zeit¬ fällen wohl das Zeug gehabt, seinen Zeit¬
genossen die neue gesellschaftliche Komödie und genossen die neue gesellschaftliche Komödie und
den großen satirischen Zeitroman zu schenken, den großen satirischen Zeitroman zu schenken,
aber er verfing sich in der unzulänglichen Welt aber er verfing sich in der unzulänglichen Welt
des Genusses, weil ihn der Augenblick in Haft des Genusses, weil ihn der Augenblick in Haft
nahm. Vielleicht hat er im „Medardus" das nahm. Vielleicht hat er im „Medardus" das
schlagendste Motto für seine gesamte Kunst schlagendste Motto für seine gesamte Kunst
selber geprägt: „Man könnte einer Krone ent¬ selber geprägt: „Man könnte einer Krone ent¬
gegenträumen, ja man könnte sie errungen gegenträumen, ja man könnte sie errungen
haben und an einem späteren Tage entdecken, haben und an einem späteren Tage entdecken,
daß der reichste Augenblick von allen einer daß der reichste Augenblick von allen einer
war, da man in einem Frühlingsgarten nach war, da man in einem Frühlingsgarten nach
Schmetterlingen haschte.“ Die Krone ist ihm Schmetterlingen haschte.“ Die Krone ist ihm
entgangen, und vergängliche Schmetterlinge entgangen, und vergängliche Schmetterlinge
sind seine Beute. Das Ganze ein flüchtiger sind seine Beute. Das Ganze ein flüchtiger
Traum! Traum!