VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 106

12. 12.
Schnitzler's Death Schnitzler's Death
box 42/7 box 42/7
OBSERVEF OBSERVEF
1. österr. behördl. konzessioniertes 1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschni Unternehmen für Zeitungs-Ausschni
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
Tel Tel
abenlausabn. abenlausabn.
vom: vom:
42.10.1931 42.10.1931
God eines großen Dichter God eines großen Dichter
Arthur Schnitzler ist gestorben Arthur Schnitzler ist gestorben
Eine ungemein große, zärtlich lie¬ Eine ungemein große, zärtlich lie¬
Er hinterläßt ein außerordentlich Er hinterläßt ein außerordentlich
diesem befindet sich ein Schauspiel diesem befindet sich ein Schauspiel
bende Gemeinde von Verehrern erfährt bende Gemeinde von Verehrern erfährt
umfangreiches Mannskript, das später umfangreiches Mannskript, das später
„Zug der Schatten". Ob es ganz „Zug der Schatten". Ob es ganz
die Trauerbotschaft: Arthur Schnitzler die Trauerbotschaft: Arthur Schnitzler
einmal veröffentlicht werden soll: es einmal veröffentlicht werden soll: es
vollendet ist, steht allerdings noch vollendet ist, steht allerdings noch
der Dichter des echten, alten, in der der Dichter des echten, alten, in der
ist sein Tagebuch. Ein großer Theater¬ ist sein Tagebuch. Ein großer Theater¬
nicht fest. nicht fest.
Erinnerung noch lange lebendigen Wien Erinnerung noch lange lebendigen Wien
roman, den er schon vor Jahren be¬ roman, den er schon vor Jahren be¬
Heute vormittag ist der Sohn Ar¬ Heute vormittag ist der Sohn Ar¬
ist tot, der Schöpfer der melancholisch ist tot, der Schöpfer der melancholisch
gonnen hatte, ist fast zu Ende geführt. gonnen hatte, ist fast zu Ende geführt.
thur Schnitzlers, Heinrich Schnitz¬ thur Schnitzlers, Heinrich Schnitz¬
heiteren Dramen, der großen, lebens¬ heiteren Dramen, der großen, lebens¬
Axthur Schnitzler hat vor Jahren Axthur Schnitzler hat vor Jahren
kundigen Romane, der Verfasser des kundigen Romane, der Verfasser des
ler, der in Berlin als Schauspieler ler, der in Berlin als Schauspieler
Dr. Franz Horch, den Dramaturgen Dr. Franz Horch, den Dramaturgen
tätig ist, im Trauerhause eingetroffen. tätig ist, im Trauerhause eingetroffen.
„Anatol", der „Liebelei", des „Rei¬ „Anatol", der „Liebelei", des „Rei¬
der Berliner Reinhardt=Bühnen, der der Berliner Reinhardt=Bühnen, der
gens", der „Literatur", der Autor be¬ gens", der „Literatur", der Autor be¬
Um die Mittagszeit wurde im Beisein Um die Mittagszeit wurde im Beisein
vorher in gleicher Eigenschaft am vorher in gleicher Eigenschaft am
Professor Dr. Julius Schnitzlers, des Professor Dr. Julius Schnitzlers, des
rühmter Novellen wie „Leutnant Gustl rühmter Novellen wie „Leutnant Gustl
Theater in der Joseph-Stadt tätig Theater in der Joseph-Stadt tätig
Bruders des Verstorbenen, und seiner Bruders des Verstorbenen, und seiner
und „Sterben" und klassischer Romane, und „Sterben" und klassischer Romane,
war, zu seinem Nachlaßverwalter be war, zu seinem Nachlaßverwalter be
beiden Söhne Hans und Heinrich, die beiden Söhne Hans und Heinrich, die
wie „Der Weg ins Freie“, ist gestorben. wie „Der Weg ins Freie“, ist gestorben.
stimmt. Dr. Horch ist noch gestern stimmt. Dr. Horch ist noch gestern
Testamentseröffnung Testamentseröffnung
vorgenommen. vorgenommen.
Schnitzler erlag gestern um 11 Uhr Schnitzler erlag gestern um 11 Uhr
abend auf die Nachricht von dem abend auf die Nachricht von dem
Das Testament enthält neben einer Das Testament enthält neben einer
mittags, als er von einem Spazier¬ mittags, als er von einem Spazier¬
plötzlichen Tode Schnitzlers von Berlin plötzlichen Tode Schnitzlers von Berlin
Reihe von rein familiären Bestim¬ Reihe von rein familiären Bestim¬
gang nach Hause kam, einem Schlag gang nach Hause kam, einem Schlag
abgereist und trifft heute mittag in abgereist und trifft heute mittag in
mungen auch Verfügungen über den mungen auch Verfügungen über den
anfall in seiner Wohnung im Wiener anfall in seiner Wohnung im Wiener
Wien ein, um sich sofort an die Sich¬ Wien ein, um sich sofort an die Sich¬
literarischen Nachlaß des Dichters. literarischen Nachlaß des Dichters.
Cottage am Türkenschanzpark. Cottage am Türkenschanzpark.
tung des Nachlasses zu machen. In tung des Nachlasses zu machen. In
rüstung in den Mienen wie im Ton. rüstung in den Mienen wie im Ton.
Vernunft, Musik und Witz Vernunft, Musik und Witz
„Was einem alles passieren kann! Un¬ „Was einem alles passieren kann! Un¬
glaublich! 70. Geburtstag!“ Dann glaublich! 70. Geburtstag!“ Dann
Man spricht von einer „Wiener lite¬ Man spricht von einer „Wiener lite¬
liebte er nicht das Stillestehen, das liebte er nicht das Stillestehen, das
lachte er gleich nachher mit voller lachte er gleich nachher mit voller
rarischen Schule“, die zu Ende des rarischen Schule“, die zu Ende des
Genießen im Ruhen, er blieb immer in Genießen im Ruhen, er blieb immer in
Herzlichkeit. Nun, dieser Geburtstag Herzlichkeit. Nun, dieser Geburtstag
vorigen Jahrhunderts „blühte", und vorigen Jahrhunderts „blühte", und
Bewegung. Arbeiten und Spazieren¬ Bewegung. Arbeiten und Spazieren¬
zählt zu den wenigen Dingen, die ihm zählt zu den wenigen Dingen, die ihm
versteht sie als einen Zweig der großen versteht sie als einen Zweig der großen
gehen nannte er das Beste seines gehen nannte er das Beste seines
nicht passiert sind. nicht passiert sind.
naturalistischen Bewegung jener Zeit. naturalistischen Bewegung jener Zeit.
Lebens. Sehr viele seiner Arbeiten sind Lebens. Sehr viele seiner Arbeiten sind
Man nennt das historisch gewordene Man nennt das historisch gewordene
im Gehen in der Landschaft entstanden. im Gehen in der Landschaft entstanden.
Kaffee Griensteidl, das Lokal der Zu¬ Kaffee Griensteidl, das Lokal der Zu¬
Seine tiefste Eigenschaft war der Seine tiefste Eigenschaft war der
sammenkünfte, wo der Kreis sich um sammenkünfte, wo der Kreis sich um
Humor. Niemand konnte so lachen, mit Humor. Niemand konnte so lachen, mit
„Flücket „Flücket
Schnitzler, Beer=Hofmann, Hermann Schnitzler, Beer=Hofmann, Hermann
niemand konnte man so lachen. Ein niemand konnte man so lachen. Ein
Bahr, Hofmannsthal schloß. Bahr, Hofmannsthal schloß.
in die Finsternis in die Finsternis
Oberflächliche Schematisierung. Hof¬ Oberflächliche Schematisierung. Hof¬
mannsthal ist so viel Naturalist wie mannsthal ist so viel Naturalist wie
Schnitzlers Schnitzlers
Hölderlin, Beer=Hofmann ist ein reli¬ Hölderlin, Beer=Hofmann ist ein reli¬
letztes Prosawerk letztes Prosawerk
giös Gläubiger, und Schnitzler ist aus giös Gläubiger, und Schnitzler ist aus
In seinen Erzählungen ist die ge¬ In seinen Erzählungen ist die ge¬
dem Umkreis der Natur in das Reich dem Umkreis der Natur in das Reich
des Traumes vorgedrungen. des Traumes vorgedrungen.
stalterische Kraft Schnitzlers in seinen stalterische Kraft Schnitzlers in seinen
Seine dichterische Welt liegt auf der Seine dichterische Welt liegt auf der
letzten Lebensjahren weit über die letzten Lebensjahren weit über die
Grenze von Tag=Wirklichkeit und Grenze von Tag=Wirklichkeit und
dramatischen Werke hinausgewachsen, dramatischen Werke hinausgewachsen,
Traum=Wirklichkeit. Ueber die Be¬ Traum=Wirklichkeit. Ueber die Be¬
die seinen Ruhm ursprünglich begrün die seinen Ruhm ursprünglich begrün
ziehungen, die da hin und her spielen, ziehungen, die da hin und her spielen,
deten. Diese epische Geschlossenheit und deten. Diese epische Geschlossenheit und
gibt sein Werk die tiefsten Phantasie¬ gibt sein Werk die tiefsten Phantasie¬
immer erweiterte Verfeinerung einer immer erweiterte Verfeinerung einer
Erkenntnisse. Es ist die genaue Pa¬ Erkenntnisse. Es ist die genaue Pa¬
ganz individuellen Technik steigerten ganz individuellen Technik steigerten
rallele der Vernunft=Erkenntnis Sieg¬ rallele der Vernunft=Erkenntnis Sieg¬
sich noch in seinem letzten Roman. sich noch in seinem letzten Roman.
mund Freuds. Die beiden Männer mund Freuds. Die beiden Männer
hatten im persönlichen Verhältnis zu¬ hatten im persönlichen Verhältnis zu¬
„Flucht in die Finsternis „Flucht in die Finsternis
einander das Gefühl eines geheimnis¬ einander das Gefühl eines geheimnis¬
(erschienen im S. Fischer=Verlag) hat (erschienen im S. Fischer=Verlag) hat
vollen Doppelgängertums in verschie¬ vollen Doppelgängertums in verschie¬
als eine medizinische Studie wieder als eine medizinische Studie wieder
denen Lebensbereichen. denen Lebensbereichen.
Zusammenhang mit den ersten Motiven Zusammenhang mit den ersten Motiven
Schnitzlers dichterisches Kernproblem Schnitzlers dichterisches Kernproblem
und Erfahrungen von Schnitzlers und Erfahrungen von Schnitzlers
ist — nicht Liebe und Tod, das ist nur ist — nicht Liebe und Tod, das ist nur
Jugend, der Arzt war und es inner¬ Jugend, der Arzt war und es inner¬
Oberfläche, sondern: Freiheit und Ver¬ Oberfläche, sondern: Freiheit und Ver¬
lich geblieben ist. So ist hier noch ein¬ lich geblieben ist. So ist hier noch ein¬
antwortung. Darum kreiste sein ganzes antwortung. Darum kreiste sein ganzes
Denken und Phantasieren. Die unge¬ Denken und Phantasieren. Die unge¬
mal die ganze Welt Schnitzlerischer Ge¬ mal die ganze Welt Schnitzlerischer Ge¬
Arthur Schnitzler (letzte Arthur Schnitzler (letzte