12. Schnitzler's Death 12. Schnitzler's Death
box 42/7 box 42/7
OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
NANBORGLE NACHRISSTIN NANBORGLE NACHRISSTIN
7 0KT 1931 7 0KT 1931
v2 v2
lichen Nöte, die dem Fremden kaum bemerkbar werden, zehren lichen Nöte, die dem Fremden kaum bemerkbar werden, zehren
Abschied von Anakol. Abschied von Anakol.
am Mark der Stadt: Reif fiel auf die Blüte ihres ewigen am Mark der Stadt: Reif fiel auf die Blüte ihres ewigen
Frühlings. Die Jüngsten einer Vorkriegszeit fangen an, alt Frühlings. Die Jüngsten einer Vorkriegszeit fangen an, alt
Dun Lode Rrshur Ehniiens. Dun Lode Rrshur Ehniiens.
zu werden, und an keinem von ihnen, den so sehr Empfind¬ zu werden, und an keinem von ihnen, den so sehr Empfind¬
k k
samen, sind jene Jahre spurlos vorübergeglitten. Erinnerung samen, sind jene Jahre spurlos vorübergeglitten. Erinnerung
„Erbarmungsloses Wort! Und spricht es wahr, „Erbarmungsloses Wort! Und spricht es wahr,
ist das Beste oder Einzige, was den mit Haltung Alternden ist das Beste oder Einzige, was den mit Haltung Alternden
scheint's eine Wahrheit so vermessner Art, scheint's eine Wahrheit so vermessner Art,
verblieb. Die anderen aber, die nach dem Krieg zur Reife verblieb. Die anderen aber, die nach dem Krieg zur Reife
daß ihr's in dieser Stunde, — an sich selbst daß ihr's in dieser Stunde, — an sich selbst
kamen, wissen nichts von dem seltsamen, kranken Zauber der kamen, wissen nichts von dem seltsamen, kranken Zauber der
zu glauben, noch an Mut gebrechen sollte." zu glauben, noch an Mut gebrechen sollte."
Zeit um die Jahrhundertwende. Sie haben ihren eigenen Zeit um die Jahrhundertwende. Sie haben ihren eigenen
Typ, der dem leichtsinnigen Melancholiker fremd und fern ist, Typ, der dem leichtsinnigen Melancholiker fremd und fern ist,
Arthur Schnitzler: „Der Gang zum Weiher“. Arthur Schnitzler: „Der Gang zum Weiher“.
auch wenn sie ihn, in Wien, bisweilen noch zum Muster auch wenn sie ihn, in Wien, bisweilen noch zum Muster
Immer noch ist Wien die Stadt des Lächelns. Ihre Immer noch ist Wien die Stadt des Lächelns. Ihre
nehmen. Er war, dieser Typ, der edelste Repräsentant einer nehmen. Er war, dieser Typ, der edelste Repräsentant einer
heimlichen Nöte werden dem Fremden kaum bemerkbar, und abktingenden Epoche. Seine Zeit wird oft noch wiederkom¬ heimlichen Nöte werden dem Fremden kaum bemerkbar, und abktingenden Epoche. Seine Zeit wird oft noch wiederkom¬
ihres Antlitzes holde Reinheit bleibt, wie trotz aller Stürze ihres Antlitzes holde Reinheit bleibt, wie trotz aller Stürze
men, und immer leben, frühgereift und zart und traurig, in men, und immer leben, frühgereift und zart und traurig, in
und Umstürze seine sanfte Glut lebendig und entzückend blieb. und Umstürze seine sanfte Glut lebendig und entzückend blieb.
fremder Welt einsame Brüder Anatols. Aber wieder einmal fremder Welt einsame Brüder Anatols. Aber wieder einmal
An den taubengrauen Abenden, die weich vom Wiener Wald An den taubengrauen Abenden, die weich vom Wiener Wald
ist ihre Zeit gewesen. Nie auch, solange es ein deutsches ist ihre Zeit gewesen. Nie auch, solange es ein deutsches
hereinsinken, ist die Stadt noch immer das deutsche Märchen hereinsinken, ist die Stadt noch immer das deutsche Märchen
Kulturtheater geben wird, werden diese Szenen Arthur Kulturtheater geben wird, werden diese Szenen Arthur
am Donaustrom, und mit dem Läuten der Glocken von Sankt am Donaustrom, und mit dem Läuten der Glocken von Sankt
Schnitzlers vergessen werden. Aber längst schon sind, unter Schnitzlers vergessen werden. Aber längst schon sind, unter
Stephan wächst es groß, historisch und geheimnisvoll. Im Stephan wächst es groß, historisch und geheimnisvoll. Im
dem Staub schwerer Jahre, ihre Farben verblichen. Noch dem Staub schwerer Jahre, ihre Farben verblichen. Noch
Prater dreht sich hoch über allem Weltgeschehen das Riesen¬ Prater dreht sich hoch über allem Weltgeschehen das Riesen¬
immer leuchtet und entzückt eine Form; aber es ist nicht unser immer leuchtet und entzückt eine Form; aber es ist nicht unser
rad mit den bunten Lichtern seiner Gondeln, durch die rad mit den bunten Lichtern seiner Gondeln, durch die
eigenes Stück mehr, nur noch, für wenige, ein Stück von eigenes Stück mehr, nur noch, für wenige, ein Stück von
lampionerhellten Räume weht Waldteufels alter Schlittschuh¬ lampionerhellten Räume weht Waldteufels alter Schlittschuh¬
unserem Stück, was in diesen Szenen gespielt wird — nicht unserem Stück, was in diesen Szenen gespielt wird — nicht
Walzer sehnsüchtiger, als du je ihn hörtest an irgendeiner Walzer sehnsüchtiger, als du je ihn hörtest an irgendeiner
mehr die Komödie unserer Seele, nur noch, für wenige, ein mehr die Komödie unserer Seele, nur noch, für wenige, ein
Stätte und in irgendeiner Nacht, und immer noch sind die Stätte und in irgendeiner Nacht, und immer noch sind die
Akt, ein Auftritt der Komödie unserer Zeitseele. Liebe hat Akt, ein Auftritt der Komödie unserer Zeitseele. Liebe hat
Worte der an den weißen Tischen plaudernden Blondinen von Worte der an den weißen Tischen plaudernden Blondinen von
ewig gültigen und ewig gleichen Wert; die Formen der Erotik ewig gültigen und ewig gleichen Wert; die Formen der Erotik
Arthur Schnitzler. Arthur Schnitzler.
wandeln sich mit uns . . wandeln sich mit uns . .
Noch immer leben die sieben Szenen um den Wiener Noch immer leben die sieben Szenen um den Wiener
Wir aber, die wir Anatol geliebt haben mit der Sehnsucht Wir aber, die wir Anatol geliebt haben mit der Sehnsucht
Anatol, der nicht ohne Grund auf seinen pariserischen Namen Anatol, der nicht ohne Grund auf seinen pariserischen Namen
unserer jungen Jahre, die wir an ihm gelitten haben als an unserer jungen Jahre, die wir an ihm gelitten haben als an
getauft wurde, und dessen erotische Erlebni, von den Liebes¬ getauft wurde, und dessen erotische Erlebni, von den Liebes¬
unserem Ebenbild, die wir an ihm reif geworden sind in der unserem Ebenbild, die wir an ihm reif geworden sind in der
abenteuern seiner französischen Kollegen in der Sache kaum abenteuern seiner französischen Kollegen in der Sache kaum
Erkenntnis, daß alles, was da ist, zu Ende gehen muß — wir Erkenntnis, daß alles, was da ist, zu Ende gehen muß — wir
verschieden sind —: aber nicht die Frage nach dem „Was", verschieden sind —: aber nicht die Frage nach dem „Was",
stehen nun an einem offenen Grab und wissen, daß man darin stehen nun an einem offenen Grab und wissen, daß man darin
die Frage nach dem „Wie“ erklärt den Typ des leichtsinnigen die Frage nach dem „Wie“ erklärt den Typ des leichtsinnigen
ein Stück von uns begräbt. Viele Rosen werden auf dem Hügel ein Stück von uns begräbt. Viele Rosen werden auf dem Hügel
Melancholikers. Sie sind keineswegs schon ausgestorben, die Melancholikers. Sie sind keineswegs schon ausgestorben, die
liegen, viele Zeilen werden, einmal noch, geschrieben werden, liegen, viele Zeilen werden, einmal noch, geschrieben werden,
„Dekadenten“ von 1892, denen das Dasein ein Spaziergang „Dekadenten“ von 1892, denen das Dasein ein Spaziergang
viele echte Tränen wird man weinen. Der Weg nach Wien viele echte Tränen wird man weinen. Der Weg nach Wien
durch einen Irrgarten von Stimmungen ist; die kein Gefühl durch einen Irrgarten von Stimmungen ist; die kein Gefühl
ist weit, und wir können ihn nicht alle auf dem letzten Gang ist weit, und wir können ihn nicht alle auf dem letzten Gang
und kein Erlebnis mehr ernst nehmen können, weil sie wissen, und kein Erlebnis mehr ernst nehmen können, weil sie wissen,
begleiten. Aber in den Schränken stehen die Bücher, die wir begleiten. Aber in den Schränken stehen die Bücher, die wir
daß nichts wahr und wirklich ist als der Augenblick; die des¬ daß nichts wahr und wirklich ist als der Augenblick; die des¬
immer zärtlich lächelnd in die Hand genommen haben, und die immer zärtlich lächelnd in die Hand genommen haben, und die
halb an die Stunde sich verschenken und sich betrügen halb an die Stunde sich verschenken und sich betrügen
wir nun nie mehr anders als mit wehem Lächeln in die Hand wir nun nie mehr anders als mit wehem Lächeln in die Hand
kraft ihrer Phantasie und ihrer Fähigkeit zur Leidenschaft kraft ihrer Phantasie und ihrer Fähigkeit zur Leidenschaft
nehmen können. Denn diese Bücher sind für uns nicht Dich nehmen können. Denn diese Bücher sind für uns nicht Dich
die aus der Not innerer Haltlosigkeit die Tugend äußerer die aus der Not innerer Haltlosigkeit die Tugend äußerer
tung, sie sind unser Tagebuch. Wir haben uns mit anderen tung, sie sind unser Tagebuch. Wir haben uns mit anderen
Haltung machen; die um sich selbst wissen und so — beinahe Haltung machen; die um sich selbst wissen und so — beinahe
und weniger zarten Dingen zu beschäftigen, wie wir auch nicht und weniger zarten Dingen zu beschäftigen, wie wir auch nicht
tragisch sind. Das sterbende Jahrhundert war ihre große Zeit; tragisch sind. Das sterbende Jahrhundert war ihre große Zeit;
im Jahre 1926 mit Sylvester Thorn den letzten Gang zum im Jahre 1926 mit Sylvester Thorn den letzten Gang zum
„Liebelei“ hieß bekennerisch das Werk, das ihren Ruhm über „Liebelei“ hieß bekennerisch das Werk, das ihren Ruhm über
Weiher — in den Weiher gehen wollten. Wir haben uns Weiher — in den Weiher gehen wollten. Wir haben uns
die Erde trug. und sie alterten mit Herrn von Sala, der am die Erde trug. und sie alterten mit Herrn von Sala, der am
wenigstens eine Zeitlang, nach Salas letzten Worten richter wenigstens eine Zeitlang, nach Salas letzten Worten richter
Ende seines einsamen Wegs bei leisem Wind und Blätterfall Ende seines einsamen Wegs bei leisem Wind und Blätterfall
müssen: mehr Haltung und weniger Geist, — und wenn wir müssen: mehr Haltung und weniger Geist, — und wenn wir
im Garten der zu spät Geliebten das Geständnis macht, mit im Garten der zu spät Geliebten das Geständnis macht, mit
auch inzwischen wieder Zeit für Geist gefunden haben, so ist auch inzwischen wieder Zeit für Geist gefunden haben, so ist
allem nur gespielt und so ein Leben und ein Glück verspielt allem nur gespielt und so ein Leben und ein Glück verspielt
doch manches, vieles — ist fast alles anders geworden. Aber doch manches, vieles — ist fast alles anders geworden. Aber
zu haben . .. Neununddreißig Jahre sind verflossen seit dem zu haben . .. Neununddreißig Jahre sind verflossen seit dem
es sind nur die Schwachköpfe und Dummköpfe, die ihre Ver es sind nur die Schwachköpfe und Dummköpfe, die ihre Ver
Tag, an dem die Niederschrift vollendet wurde, und noch Tag, an dem die Niederschrift vollendet wurde, und noch
gangenheit nicht wahr haben wollen. So oft wir der ver gangenheit nicht wahr haben wollen. So oft wir der ver
Immer leben die Szenen um den Wiener Anatol. Immer leben die Szenen um den Wiener Anatol.
gangenen Zeiten denken, werden wir auch Deiner denken, gangenen Zeiten denken, werden wir auch Deiner denken,
Aber Wien das deutsche Märchen am Donaustrom, ist Aber Wien das deutsche Märchen am Donaustrom, ist
Anatol. Unsere Grüße wehen in ein offenes Grab. Su Anatol. Unsere Grüße wehen in ein offenes Grab. Su
durch einen Krieg, eine Revolution, einen Kronen=, einen durch einen Krieg, eine Revolution, einen Kronen=, einen
bringen nur das Letzte: Dank. bringen nur das Letzte: Dank.
Frankensturz und wehrer: Bankenstürze gegangen. Die heim¬ Frankensturz und wehrer: Bankenstürze gegangen. Die heim¬
Friedrich=Carl Kobbe Friedrich=Carl Kobbe
Tkelzeichnung aus den Ces Tkelzeichnung aus den Ces
k. Achtundsechgig Jahre k. Achtundsechgig Jahre
geliebie Stadt, ist Arthur geliebie Stadt, ist Arthur
von jenem unerwarteten und von jenem unerwarteten und
Dramen und Erzählungen Dramen und Erzählungen
mit dem er schon seit vier mit dem er schon seit vier
Der Tod ist der Pate seiner Der Tod ist der Pate seiner
und dunkel, aber kaum noch und dunkel, aber kaum noch
frühe Erzählung vom „Ste frühe Erzählung vom „Ste
Erzählung, die im Jahre 1 Erzählung, die im Jahre 1
lungenkranken Mannes gesc lungenkranken Mannes gesc
Leben und die Liebe klamme Leben und die Liebe klamme
deiser Welt gelebt hat. Ein A deiser Welt gelebt hat. Ein A
abkovd in allen wesentlichen abkovd in allen wesentlichen
blieben ist. Zwischen der Sze blieben ist. Zwischen der Sze
spiel „Liebelei" stand die spiel „Liebelei" stand die
Stücken vereinigt worden is Stücken vereinigt worden is
Frühzeit — „Das Märchen Frühzeit — „Das Märchen
box 42/7 box 42/7
OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
NANBORGLE NACHRISSTIN NANBORGLE NACHRISSTIN
7 0KT 1931 7 0KT 1931
v2 v2
lichen Nöte, die dem Fremden kaum bemerkbar werden, zehren lichen Nöte, die dem Fremden kaum bemerkbar werden, zehren
Abschied von Anakol. Abschied von Anakol.
am Mark der Stadt: Reif fiel auf die Blüte ihres ewigen am Mark der Stadt: Reif fiel auf die Blüte ihres ewigen
Frühlings. Die Jüngsten einer Vorkriegszeit fangen an, alt Frühlings. Die Jüngsten einer Vorkriegszeit fangen an, alt
Dun Lode Rrshur Ehniiens. Dun Lode Rrshur Ehniiens.
zu werden, und an keinem von ihnen, den so sehr Empfind¬ zu werden, und an keinem von ihnen, den so sehr Empfind¬
k k
samen, sind jene Jahre spurlos vorübergeglitten. Erinnerung samen, sind jene Jahre spurlos vorübergeglitten. Erinnerung
„Erbarmungsloses Wort! Und spricht es wahr, „Erbarmungsloses Wort! Und spricht es wahr,
ist das Beste oder Einzige, was den mit Haltung Alternden ist das Beste oder Einzige, was den mit Haltung Alternden
scheint's eine Wahrheit so vermessner Art, scheint's eine Wahrheit so vermessner Art,
verblieb. Die anderen aber, die nach dem Krieg zur Reife verblieb. Die anderen aber, die nach dem Krieg zur Reife
daß ihr's in dieser Stunde, — an sich selbst daß ihr's in dieser Stunde, — an sich selbst
kamen, wissen nichts von dem seltsamen, kranken Zauber der kamen, wissen nichts von dem seltsamen, kranken Zauber der
zu glauben, noch an Mut gebrechen sollte." zu glauben, noch an Mut gebrechen sollte."
Zeit um die Jahrhundertwende. Sie haben ihren eigenen Zeit um die Jahrhundertwende. Sie haben ihren eigenen
Typ, der dem leichtsinnigen Melancholiker fremd und fern ist, Typ, der dem leichtsinnigen Melancholiker fremd und fern ist,
Arthur Schnitzler: „Der Gang zum Weiher“. Arthur Schnitzler: „Der Gang zum Weiher“.
auch wenn sie ihn, in Wien, bisweilen noch zum Muster auch wenn sie ihn, in Wien, bisweilen noch zum Muster
Immer noch ist Wien die Stadt des Lächelns. Ihre Immer noch ist Wien die Stadt des Lächelns. Ihre
nehmen. Er war, dieser Typ, der edelste Repräsentant einer nehmen. Er war, dieser Typ, der edelste Repräsentant einer
heimlichen Nöte werden dem Fremden kaum bemerkbar, und abktingenden Epoche. Seine Zeit wird oft noch wiederkom¬ heimlichen Nöte werden dem Fremden kaum bemerkbar, und abktingenden Epoche. Seine Zeit wird oft noch wiederkom¬
ihres Antlitzes holde Reinheit bleibt, wie trotz aller Stürze ihres Antlitzes holde Reinheit bleibt, wie trotz aller Stürze
men, und immer leben, frühgereift und zart und traurig, in men, und immer leben, frühgereift und zart und traurig, in
und Umstürze seine sanfte Glut lebendig und entzückend blieb. und Umstürze seine sanfte Glut lebendig und entzückend blieb.
fremder Welt einsame Brüder Anatols. Aber wieder einmal fremder Welt einsame Brüder Anatols. Aber wieder einmal
An den taubengrauen Abenden, die weich vom Wiener Wald An den taubengrauen Abenden, die weich vom Wiener Wald
ist ihre Zeit gewesen. Nie auch, solange es ein deutsches ist ihre Zeit gewesen. Nie auch, solange es ein deutsches
hereinsinken, ist die Stadt noch immer das deutsche Märchen hereinsinken, ist die Stadt noch immer das deutsche Märchen
Kulturtheater geben wird, werden diese Szenen Arthur Kulturtheater geben wird, werden diese Szenen Arthur
am Donaustrom, und mit dem Läuten der Glocken von Sankt am Donaustrom, und mit dem Läuten der Glocken von Sankt
Schnitzlers vergessen werden. Aber längst schon sind, unter Schnitzlers vergessen werden. Aber längst schon sind, unter
Stephan wächst es groß, historisch und geheimnisvoll. Im Stephan wächst es groß, historisch und geheimnisvoll. Im
dem Staub schwerer Jahre, ihre Farben verblichen. Noch dem Staub schwerer Jahre, ihre Farben verblichen. Noch
Prater dreht sich hoch über allem Weltgeschehen das Riesen¬ Prater dreht sich hoch über allem Weltgeschehen das Riesen¬
immer leuchtet und entzückt eine Form; aber es ist nicht unser immer leuchtet und entzückt eine Form; aber es ist nicht unser
rad mit den bunten Lichtern seiner Gondeln, durch die rad mit den bunten Lichtern seiner Gondeln, durch die
eigenes Stück mehr, nur noch, für wenige, ein Stück von eigenes Stück mehr, nur noch, für wenige, ein Stück von
lampionerhellten Räume weht Waldteufels alter Schlittschuh¬ lampionerhellten Räume weht Waldteufels alter Schlittschuh¬
unserem Stück, was in diesen Szenen gespielt wird — nicht unserem Stück, was in diesen Szenen gespielt wird — nicht
Walzer sehnsüchtiger, als du je ihn hörtest an irgendeiner Walzer sehnsüchtiger, als du je ihn hörtest an irgendeiner
mehr die Komödie unserer Seele, nur noch, für wenige, ein mehr die Komödie unserer Seele, nur noch, für wenige, ein
Stätte und in irgendeiner Nacht, und immer noch sind die Stätte und in irgendeiner Nacht, und immer noch sind die
Akt, ein Auftritt der Komödie unserer Zeitseele. Liebe hat Akt, ein Auftritt der Komödie unserer Zeitseele. Liebe hat
Worte der an den weißen Tischen plaudernden Blondinen von Worte der an den weißen Tischen plaudernden Blondinen von
ewig gültigen und ewig gleichen Wert; die Formen der Erotik ewig gültigen und ewig gleichen Wert; die Formen der Erotik
Arthur Schnitzler. Arthur Schnitzler.
wandeln sich mit uns . . wandeln sich mit uns . .
Noch immer leben die sieben Szenen um den Wiener Noch immer leben die sieben Szenen um den Wiener
Wir aber, die wir Anatol geliebt haben mit der Sehnsucht Wir aber, die wir Anatol geliebt haben mit der Sehnsucht
Anatol, der nicht ohne Grund auf seinen pariserischen Namen Anatol, der nicht ohne Grund auf seinen pariserischen Namen
unserer jungen Jahre, die wir an ihm gelitten haben als an unserer jungen Jahre, die wir an ihm gelitten haben als an
getauft wurde, und dessen erotische Erlebni, von den Liebes¬ getauft wurde, und dessen erotische Erlebni, von den Liebes¬
unserem Ebenbild, die wir an ihm reif geworden sind in der unserem Ebenbild, die wir an ihm reif geworden sind in der
abenteuern seiner französischen Kollegen in der Sache kaum abenteuern seiner französischen Kollegen in der Sache kaum
Erkenntnis, daß alles, was da ist, zu Ende gehen muß — wir Erkenntnis, daß alles, was da ist, zu Ende gehen muß — wir
verschieden sind —: aber nicht die Frage nach dem „Was", verschieden sind —: aber nicht die Frage nach dem „Was",
stehen nun an einem offenen Grab und wissen, daß man darin stehen nun an einem offenen Grab und wissen, daß man darin
die Frage nach dem „Wie“ erklärt den Typ des leichtsinnigen die Frage nach dem „Wie“ erklärt den Typ des leichtsinnigen
ein Stück von uns begräbt. Viele Rosen werden auf dem Hügel ein Stück von uns begräbt. Viele Rosen werden auf dem Hügel
Melancholikers. Sie sind keineswegs schon ausgestorben, die Melancholikers. Sie sind keineswegs schon ausgestorben, die
liegen, viele Zeilen werden, einmal noch, geschrieben werden, liegen, viele Zeilen werden, einmal noch, geschrieben werden,
„Dekadenten“ von 1892, denen das Dasein ein Spaziergang „Dekadenten“ von 1892, denen das Dasein ein Spaziergang
viele echte Tränen wird man weinen. Der Weg nach Wien viele echte Tränen wird man weinen. Der Weg nach Wien
durch einen Irrgarten von Stimmungen ist; die kein Gefühl durch einen Irrgarten von Stimmungen ist; die kein Gefühl
ist weit, und wir können ihn nicht alle auf dem letzten Gang ist weit, und wir können ihn nicht alle auf dem letzten Gang
und kein Erlebnis mehr ernst nehmen können, weil sie wissen, und kein Erlebnis mehr ernst nehmen können, weil sie wissen,
begleiten. Aber in den Schränken stehen die Bücher, die wir begleiten. Aber in den Schränken stehen die Bücher, die wir
daß nichts wahr und wirklich ist als der Augenblick; die des¬ daß nichts wahr und wirklich ist als der Augenblick; die des¬
immer zärtlich lächelnd in die Hand genommen haben, und die immer zärtlich lächelnd in die Hand genommen haben, und die
halb an die Stunde sich verschenken und sich betrügen halb an die Stunde sich verschenken und sich betrügen
wir nun nie mehr anders als mit wehem Lächeln in die Hand wir nun nie mehr anders als mit wehem Lächeln in die Hand
kraft ihrer Phantasie und ihrer Fähigkeit zur Leidenschaft kraft ihrer Phantasie und ihrer Fähigkeit zur Leidenschaft
nehmen können. Denn diese Bücher sind für uns nicht Dich nehmen können. Denn diese Bücher sind für uns nicht Dich
die aus der Not innerer Haltlosigkeit die Tugend äußerer die aus der Not innerer Haltlosigkeit die Tugend äußerer
tung, sie sind unser Tagebuch. Wir haben uns mit anderen tung, sie sind unser Tagebuch. Wir haben uns mit anderen
Haltung machen; die um sich selbst wissen und so — beinahe Haltung machen; die um sich selbst wissen und so — beinahe
und weniger zarten Dingen zu beschäftigen, wie wir auch nicht und weniger zarten Dingen zu beschäftigen, wie wir auch nicht
tragisch sind. Das sterbende Jahrhundert war ihre große Zeit; tragisch sind. Das sterbende Jahrhundert war ihre große Zeit;
im Jahre 1926 mit Sylvester Thorn den letzten Gang zum im Jahre 1926 mit Sylvester Thorn den letzten Gang zum
„Liebelei“ hieß bekennerisch das Werk, das ihren Ruhm über „Liebelei“ hieß bekennerisch das Werk, das ihren Ruhm über
Weiher — in den Weiher gehen wollten. Wir haben uns Weiher — in den Weiher gehen wollten. Wir haben uns
die Erde trug. und sie alterten mit Herrn von Sala, der am die Erde trug. und sie alterten mit Herrn von Sala, der am
wenigstens eine Zeitlang, nach Salas letzten Worten richter wenigstens eine Zeitlang, nach Salas letzten Worten richter
Ende seines einsamen Wegs bei leisem Wind und Blätterfall Ende seines einsamen Wegs bei leisem Wind und Blätterfall
müssen: mehr Haltung und weniger Geist, — und wenn wir müssen: mehr Haltung und weniger Geist, — und wenn wir
im Garten der zu spät Geliebten das Geständnis macht, mit im Garten der zu spät Geliebten das Geständnis macht, mit
auch inzwischen wieder Zeit für Geist gefunden haben, so ist auch inzwischen wieder Zeit für Geist gefunden haben, so ist
allem nur gespielt und so ein Leben und ein Glück verspielt allem nur gespielt und so ein Leben und ein Glück verspielt
doch manches, vieles — ist fast alles anders geworden. Aber doch manches, vieles — ist fast alles anders geworden. Aber
zu haben . .. Neununddreißig Jahre sind verflossen seit dem zu haben . .. Neununddreißig Jahre sind verflossen seit dem
es sind nur die Schwachköpfe und Dummköpfe, die ihre Ver es sind nur die Schwachköpfe und Dummköpfe, die ihre Ver
Tag, an dem die Niederschrift vollendet wurde, und noch Tag, an dem die Niederschrift vollendet wurde, und noch
gangenheit nicht wahr haben wollen. So oft wir der ver gangenheit nicht wahr haben wollen. So oft wir der ver
Immer leben die Szenen um den Wiener Anatol. Immer leben die Szenen um den Wiener Anatol.
gangenen Zeiten denken, werden wir auch Deiner denken, gangenen Zeiten denken, werden wir auch Deiner denken,
Aber Wien das deutsche Märchen am Donaustrom, ist Aber Wien das deutsche Märchen am Donaustrom, ist
Anatol. Unsere Grüße wehen in ein offenes Grab. Su Anatol. Unsere Grüße wehen in ein offenes Grab. Su
durch einen Krieg, eine Revolution, einen Kronen=, einen durch einen Krieg, eine Revolution, einen Kronen=, einen
bringen nur das Letzte: Dank. bringen nur das Letzte: Dank.
Frankensturz und wehrer: Bankenstürze gegangen. Die heim¬ Frankensturz und wehrer: Bankenstürze gegangen. Die heim¬
Friedrich=Carl Kobbe Friedrich=Carl Kobbe
Tkelzeichnung aus den Ces Tkelzeichnung aus den Ces
k. Achtundsechgig Jahre k. Achtundsechgig Jahre
geliebie Stadt, ist Arthur geliebie Stadt, ist Arthur
von jenem unerwarteten und von jenem unerwarteten und
Dramen und Erzählungen Dramen und Erzählungen
mit dem er schon seit vier mit dem er schon seit vier
Der Tod ist der Pate seiner Der Tod ist der Pate seiner
und dunkel, aber kaum noch und dunkel, aber kaum noch
frühe Erzählung vom „Ste frühe Erzählung vom „Ste
Erzählung, die im Jahre 1 Erzählung, die im Jahre 1
lungenkranken Mannes gesc lungenkranken Mannes gesc
Leben und die Liebe klamme Leben und die Liebe klamme
deiser Welt gelebt hat. Ein A deiser Welt gelebt hat. Ein A
abkovd in allen wesentlichen abkovd in allen wesentlichen
blieben ist. Zwischen der Sze blieben ist. Zwischen der Sze
spiel „Liebelei" stand die spiel „Liebelei" stand die
Stücken vereinigt worden is Stücken vereinigt worden is
Frühzeit — „Das Märchen Frühzeit — „Das Märchen